Zusammenfassung unseres Schwerpunktes: Landwirtschaft und Klimawandel

Gastautor Portrait

Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
09. November 2020

Komplex, vielfältig, mit zahlreichen Zielkonflikten versehen und heftig umstritten. Solche Themen lieben wir. Unser Schwerpunkt Landwirtschaft und Klimawandel hatte alle Zutaten, die eine gute Debatte braucht. Und es geht ja auch um viel. Um die Ernährung von bald 10 Milliarden Menschen. Um die Auswirkungen unseres Essens auf das Klima und damit um die Frage, unter welchen Bedingungen künftige Generationen noch Lebensmittel erzeugen können. Hier bei uns. Aber auch in anderen Teilen der Welt, die durch den Klimawandel noch stärker als wir durch Dürre, Wassermangel und Verwüstung bedroht sind.

Fleisch frisst Klima

Weniger Fleisch wäre gut für unsere Gesundheit. Und für das Klima.

Weniger Fleisch wäre gut für unsere Gesundheit. Und für das Klima. Inka Dewitz von der Heinrich-Böll-Stiftung legte die Zusammenhänge noch einmal offen. Je intensiver die Landwirtschaft, desto mehr befeuert dieser Wirtschaftszweig den Klimawandel. Diese Faustformel unterstrich auch der Beitrag des Anbauverbandes Bioland. Fleischkonsum schädigt das Klima gleich auf mehrfache Weise. Hier durch die hohen Lachgas- und Methan-Emissionen. In Amazonien durch den Raubbau an den Regenwäldern. Die exakten Zusammenhänge erläuterten die Beiträge von Oro Verde und vom WWF.

Jedes Jahr importiert Deutschland vier Millionen Tonnen Soja, einen großen Teil davon aus Brasilien. Es wird vor allem in der Tiermast eingesetzt. Würden wir deutlich weniger Fleisch essen, hätte sich so manches Problem erledigt. Es wäre (laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung) gesünder. Wir kämen mit unserer Fläche aus. Und wir könnten einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Opfer Landwirtschaft

Eine moderne Landwirtschaft könne sich sogar als Klimaschützer profilieren.

Die Landwirtschaft leidet unter dem Klimawandel. Nicht erst mit den Hitzesommern 2018 und 2019 machen sich Landwirte, Wissenschaftler und Verbände darüber Gedanken, welche Anpassungsmaßnahmen sinnvoll und effizient sind. Die Landwirtschaft steckt schon mittendrin im Klimawandel. Dr. Holger Flaig vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum in Augustenberg ist ebenso wie Peter Hauk, Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, davon überzeugt, dass sowohl Anpassung als auch Klimaschutz notwendig und die Erhaltung des Dauergrünlandes oberstes Gebot sei.

In die gleiche Richtung gehen die Überlegungen des Bauernverbandes. Eine moderne Landwirtschaft könne sich sogar als Klimaschützer profilieren. Und auch bei der Anpassung an den Klimawandel, so der Bauernverband, dürfe man nicht bei den konventionellen Überlegungen stehen bleiben. Um die Herausforderungen zu bewältigen, brauche es neue Züchtungsmethoden wie die Gen-Schere.

Modern sind auch die Überlegungen, die Landwirtschaft in die Stadt und vom Feld in die mehrstöckige Produktionshalle zu bringen. Gastautorin Prof. Heike Mempel erläutert die zahlreichen Vorteile des „Vertical Farmings“ –  hohe, gleichbleibende Qualität, geringer Wasserverbrauch – aber auch die hohen Energiekosten.

Landwirtschaft und Klimawandel – von Interessen und Zielkonflikten

Die Komplexität unseres Themas bietet Raum genug, um von ganz unterschiedlichen Standpunkten auf die Landwirtschaft und den Klimawandel zu blicken. Das wurde nicht zuletzt beim Debattenabend deutlich. Wenn der Landwirtschaftsminister schützend die Hände über die Bauern hält, die Wissenschaftlerin auf die globale Herausforderung des Klimaschutzes hinweist und der Unternehmensvorstand sein künftiges Geschäft im Blick hat, werden die Interessen deutlich. Leider fehlt der gemeinsame Punkt zum Disput.

Welche Rolle spielen die Verbraucher*innen in dem ganzen System? Eine große. Zu diesem Urteil kommen sowohl die Verteidiger der bisherigen Agrarpolitik („Die Leute wollen ihre Currywurst“) als auch der Kritiker. Stephanie Wild vom Netzwerk Solidarische Landwirtschaft setzt auf die Kooperation von Verbraucher*innen und bäuerlicher Landwirtschaft, um etwas für den Klimaschutz und am Ende auch einen Wertewandel zu erreichen. In die gleiche Richtung argumentiert die Zukunftsstiftung Landwirtschaft und fordert eine Reform hin zu einer ökologisch- und sozialgerechten Agrarwirtschaft. Reformbedarf bestehe auch in der Forstwirtschaft. Unser Kolumnist Hubertus Grass bemängelt in seinem Beitrag, dass den Waldumbau und die naturnahe Bewirtschaftung des Waldes in Deutschland viel geredet, aber nur sehr wenig getan würde.

Aktuelle Nachricht: Es bleibt alles beim Alten…

Grafik zur Aussterberate der Tierarten

Grafik: WBGUG

Der Ruf der Kritiker der Agrarpolitik nach Reformen werde an der Runde der Europäischen Landwirtschaftsminister abprallen, prognostizierte der EU-Experte des Naturschutzbundes in seinem Gastbeitrag. Und er lag richtig.  Während unserer Schwerpunkt Landwirtschaft und Klimawandel lief, verabschiedete die EU eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik. Von der zentralen Problemen der Landwirtschaft (Rückgang der Biodiversität, Anforderungen an den Klimaschutz, Zunahme der Verkehre, Tierschutz, etc.) wurde keines gelöst. Statt wie bisher 10% werden künftig 20% der Gelder für ökologische Maßnahmen reserviert. Rechnerisch zweifelsfrei eine Verdopplung. Und vielleicht der einzige Kompromiss, der in einem Kreis von 27 Ministerinnen und Ministern möglich war. Ob es für den Klima- und Artenschutz reichen wird?

Eine aktuelle Studie, veröffentlicht im Magazin Science, gibt in Bezug auf den Klimawandel eine eindeutige Antwort: Selbst wenn es gelänge, in der Energieversorgung, beim Verkehr und in der Industrie den CO2-Ausstoß vollständig zu stoppen, würden die Emissionen aus der Landwirtschaft allein ausreichen, um das Pariser Klimaziel zu verfehlen. Die nun beschlossene Reform wird dazu führen, dass die Landwirtschaft beim Klimaschutz noch mehr als heute schon zum Sorgenkind der EU wird.

Auch der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) mahnt dieser Tage. „Nur wenn sich unser Umgang mit Land grundlegend ändert, können die Klimaschutzziele erreicht, der dramatische Verlust der biologischen Vielfalt abgewendet und das globale Ernährungssystem nachhaltig gestaltet werden“.  Soeben ist das Gutachten des Beratergremiums der Bundesregierung zur globalen Landnutzung erschienen. Die Empfehlungen klingen bekannt: Mehr Öko-Landbau, weniger Fleisch, große Schutzgebiete für den Klima- und Artenschutz, Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit im internationalen Handel usw. Ginge es nach dem WBGU würde die GAP der EU weiter entwickelt werden zu einer „Gemeinsamen Ökosystempolitik (GÖP)“.

Die Politik richtet ihr Handeln entlang der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse aus. Bei der Corona-Krise scheint das zu gelingen. Unser Schwerpunkt Landwirtschaft und Klimawandel hingegen zeigt: In Fragen der Nachhaltigkeit ist der Einfluss der Wissenschaft gering. Klimaschutz und Biodiversität werden auf dem Markt der beteiligten Interessen verhandelt.

Diskutieren Sie mit

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

Zusammenfassung unseres Schwerpunktes: Landwirtschaft und Klimawandel
5
1