Humus für Mensch und Erde – Was Solidarische Landwirtschaft zum Klimaschutz beitragen kann

Gastautor Portrait

Stephanie Wild

Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V

Die Diplom Biologin Stephanie Wild ist seit 2012 Pressesprecherin des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft e.V. Von 2003-2006 arbeitete sie am Aufbau der Solidarischen Landwirtschaft Landgut Lübnitz in Brandenburg. Von 2010- 2014 war sie Seminarleiterin der Freien biologisch- dynamischen Ausbildung Ostdeutschland. Im Jahr 2011 war Stephanie Wild Gründungsmitglied des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft e.V. 2012 brachte sie das Buch „Sich die Ernte teilen…Einführung in die Solidarische Landwirtschaft, bei JoyEdition heraus.

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05. Oktober 2020

Ein fester Kreis von Haushalten trägt die realen Kosten der landwirtschaftlichen Produktion.

Stephanie Wild

Zu Beginn der Gründung des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft 2011 war unsere Motivation das Höfesterben in Deutschland aufzuhalten.
Wir sahen und sehen immer noch, dass eine regionalverankerte, auf Naturverständnis basierende Landwirtschaft der beste Weg ist, um dauerhaft eine Versorgung mit Grundnahrungsmitteln sicher zu stellen. Hier und anderswo. Dies belegte der Weltagrarbericht von 2008 sehr deutlich. 1971 gab es in Deutschland noch etwa 1 Millionen landwirtschaftlicher Betriebe. Heute sind es weniger als 160 000.

Dem setzt die Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) das Solidarprinzip entgegen: Ein fester Kreis von Haushalten trägt die realen Kosten der landwirtschaftlichen Produktion. Im Gegenzug erhalten die Mitglieder die erzeugten Lebensmittel von „Ihrem“ Hof. Diese Kooperation beinhaltet auch das Mitttragen von Ernteausfällen und den Unwägbarkeiten in der Landwirtschaft. Nicht nur die Ernte wird geteilt, sondern auch das Risiko. Inzwischen gibt es über 300 Betriebe (Solawis) in Deutschland, die nach diesem Konzept wirtschaften, und so eine marktunabhängige Existenzsicherung erfahren.

Inzwischen ist die Dimension des Themas Landwirtschaft noch viel größer geworden

Die Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel erzeugen und wie wir uns ernähren, trägt weltweit zu einem Viertel der klimaschädlichen Gase bei. In Europa stehen die Emissionen, die durch Landwirtschaft entstehen, an dritter Stelle nach der Energieerzeugung und dem Verkehrssektor. Dies sind allein 10 % der gesamten Emissionen. Sie kommen zu 38 % aus den Böden und dem Einsatz von Düngemitteln und zu 61 % aus der (Massen-) Tierhaltung.

Weltweit betrachtet sind die Klimawirkungen durch unsere Landnutzung noch viel gravierender, da durch Trockenlegung, Abholzung und Brandrodung für das Anlegen von Ackerflächen oder Weideland zentrale „Klimasenken“ zerstört und Ökosysteme ihrer Regenerationsfähigkeit beraubt werden.

Wichtig ist vor allem das „Wie“

Kartoffelernte des Solawi Betriebes Schinckele Höfe

Foto: Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V.

Die Industrialisierung von Landwirtschaft hat uns in den reichen Ländern der Erde eine Überfülle an günstigen Nahrungsmittel beschert. In gleichem Maße hat sie ignoriert, dass wir mit der Landbewirtschaftung in Ökosysteme eingreifen, die für uns und unsere Mitwesen überlebenswichtig sind. Hier sei nur kurz auf den Verlust der Artenvielfalt und die Beeinträchtigung der Grundwasserqualität verwiesen.

Synthetische Düngung und Pestizide zerstören die Bodenstruktur und bauen den organischen Bodenanteil ab, der für die Nährstoff-und Wasserhaltefähigkeit verantwortlich ist. Dadurch wird der Verlust an wertvollem Ackerboden durch Winderosion noch verstärkt. Große Ackerflächen ohne Gehölzstrukturen verschärfen diesen Prozess noch zusätzlich.

Dies sind nur ein paar Beispiele, wie in den letzten 100 Jahren an den Erfordernissen einer nachhaltigen und damit Generationen gerechten landwirtschaftlichen Praxis vorbei gewirtschaftet wurde. Politisch gewollt und marktwirtschaftlich gefordert. Landwirte hatten nur die Möglichkeit, mitzumachen oder aufzugeben. Eine Minderheit hat sich dem ökologischen Landbau gewidmet und musste sich in den vergangen Jahrzehnten viel belächeln lassen. Aber auch in diesem Segment macht das „Wachsen oder Weichen“ unter den gegeben ökonomischen Verhältnissen nicht halt.

„Landwirtschaft ist nicht dazu da um Geld zu verdienen, sondern um Menschen zu ernähren“

Eine auf Masse ausgerichtete, technisierte Lebensmittelproduktion hat in den Industrieländern bei den Konsument*innen zu einer Entfremdung und Geringschätzung von Lebensmitteln geführt. Der Druck auf die Landwirtschaft im marktwirtschaftlichen Wettbewerb möglichst billig zu produzieren, erstickt jeden Versuch den Bedürfnissen des Lebendigen mehr Raum zu geben. Sei es bei den Menschen, den Tieren, den Pflanzen oder dem Boden.

Genau hier setzt die Solidarische Landwirtschaft an:
Die Absicherung einer verantwortungsvollen Lebensmittelerzeugung durch eine definierte Verbrauchergemeinschaft, ermöglicht den Produzent*innen sich nach dem ökologisch Sinnvollen und sozial Wünschenswerten auszurichten. Vor allem aber kommen die Konsument*innen wieder in Kontakt mit den Quellen ihrer Lebensmittel, lernen die natürlichen Zusammenhängen zu verstehen und ihr Essen und die, die es erzeugen wertzuschätzen.

Die Wirkungen der Solidarischen Landwirtschaft auf Umwelt und Klima

  1. Hebel : Anbauverfahren
    In Solawis sind nicht nur biologische Anbaumethoden die Regel, sondern oft geht die Praxis weit darüber hinaus. Darunter finden sich Verfahren zum Humusaufbau und der Agroforstwirtschaft.
  2. Hebel: Kurze Wege
    Die Lebensmittel werden auf dem Hof abgeholt oder an zentrale Verteilpunkte geliefert. Es gibt keinen Haustürservice. Regionale Versorgung statt langer Transportwege.
  3. Hebel: Änderung der Ernährungsgewohnheiten
    Gemüse bildet bei den meisten Solawis die Grundversorgung. Das Angebot ist saisonal unterschiedlich, dafür frisch und von hoher Qualität. Fleisch spielt nur noch eine untergeordnete Rolle.
  4. Hebel: Wertewandel
    Der Verzichtserzählung stellt Solawi das „Gute Leben“ gegenüber. Dabei kann ein Weniger an Konsum, das Erleben von Authentizität, Wirksamkeit und Gemeinschaft zu einem Gewinn an Lebensfreude und Zufriedenheit führen. Und das, was es gibt, kann mit gutem Gewissen gegessen werden.
    Auch das sonstige Einkaufverhalten wird sich durch die Erfahrungen von Kohärenz in der Solidarischen Landwirtschaft verändern.

Nicht nur, aber in hohem Maße, entstehen in Solawis konkrete Projekte zum Thema Klimafolgenanpassung. Hier finden sich Frei- und Schutzräume für zukunftsfähige landbauliche und soziale Praktiken. Solawis sind Referenzorte, Refugien und Reallabore für ein anderes Wirtschaften. Ein Wirtschaften, das auf die Bedürfnisse aller Beteiligten hört.
Der Ansturm an Forschungsanfragen zu Solidarischer Landwirtschaft ans Netzwerk bestätigt uns in dieser Einschätzung.

Weitere Informationen unter
www.solidarische-landwirtschaft.org

Interaktive Landkarte, um eine eine Solawi zu finden
www.ernte-teilen.org

Links zu den genannten Themen:
https://www.weltagrarbericht.de
https://www.boell.de/de/agraratlas
https://www.boell.de/de/bodenatlas
https://www.regenerative-landwirtschaft.de/startseite.html
https://humusfarming.de/ueber-uns/regenerative-landwirtschaft/
https://ackercrowd.de
http://baumfeldwirtschaft.de

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