Flexibel einsetzbar und zentral für die Aufrechterhaltung der Stabilität im Stromnetz

Gastautor Portrait

Hans-Joachim Polk

Vorstand Technik, VNG AG

Hans-Joachim Polk studierte an der Technischen Universität Clausthal Tiefbohrtechnik, Erdöl- und Erdgasgewinnung und begann seinen beruflichen Werdegang als Diplomingenieur im Dea-Konzern in Hamburg, in dessen Verlauf er in allen wesentlichen Bereichen der Erdgasförderung und Speicherung in verantwortlichen Positionen im In- und Ausland tätig war, wie beispielsweise in Ägypten, Norwegen und Großbritannien. Seit 2013 verantwortet Polk als Vorstand der VNG AG die Bereiche Infrastruktur und Technik. Darüber hinaus ist er u.a. Aufsichtsratsvorsitzender der ONTRAS Gastransport GmbH und Präsident der ASUE Arbeitsgemeinschaft für sparsamen und umweltfreundlichen Energieverbrauch e.V.“

weiterlesen
28. Oktober 2020
Foto: VNG AG
Hans-Joachim Polk, Vorstandsmitglied der VNG AG im Interview

Foto: VNG AG

Hans-Joachim Polk, Vorstandsmitglied der VNG AG mit Sitz in Leipzig berichtet im Interview mit „Stiftung Energie und Klimaschutz“ über die Bedeutung von Biogas als Energieträger der Gegenwart und Zukunft, der die Stabilität im Stromnetz aufrecht erhält. Zudem erklärt er, warum Wasserstoff so wichtig für die Energiewende ist.

Redaktion: Sehr geehrter Herr Polk, Ihr Unternehmen ist ein traditionsreiches Unternehmen, das auf Erdgas spezialisiert ist. Seit geraumer Zeit sind Sie jedoch mit Ihrem Tochterunternehmen BALANCE Erneuerbare Energien GmbH (BALANCE) auch sehr aktiv im Biogasgeschäft. Wie kam es zur Entscheidung für Biogas?

Hans-Joachim Polk: Ganz einfach, wir sehen in Biogas nicht nur einen wichtigen Energieträger der Gegenwart, sondern auch der Zukunft. Aus diesem Grund haben wir den Biogasbereich in den vergangenen Monaten sukzessive ausgebaut und den Bestand eigener Biogasanlagen mehr als verdreifacht. Inzwischen zählt die BALANCE mit der gesamten Leistungsfähigkeit ihrer mehr als 30 Anlagen zu den führenden Biogasanlagenbetreibern Deutschlands. Dieser rasanten Entwicklung haben wir als Konzern auch Rechnung getragen, weswegen wir den Bereich Biogas seit Anfang 2020 als eigenständigen Geschäftsbereich führen. Er ist somit unsere vierte tragende Säule – neben dem Handel & Vertrieb, dem Speicher- und dem Transportbereich.

Redaktion: Sie sprachen die Leistungsfähigkeit Ihrer Biogasanlagen an. Von welcher Leistung sprechen wir denn?

Hans-Joachim Polk: Insgesamt können unsere Anlagen eine Feuerungswärmeleistung von knapp 136 Megawatt erreichen. Das entspricht einer Leistung, mit der theoretisch ein Jahr lang rund 48.000 Haushalte mit erneuerbarem Strom und rund 31.000 Haushalte mit Gas versorgt werden könnten. Sprich eine mittelgroße Kleinstadt.

Redaktion: Das ist durchaus beachtlich. Was macht Biogas als Energieträger denn so attraktiv?

Hans-Joachim Polk: Wir sehen Biogas und Biomethan als bedeutende Stützen der Dekarbonisierung und als wichtige Energieträger der Zukunft. Biogas ist jedoch auch heutzutage schon in großen Mengen am Markt verfügbar und ist zudem ein sehr vielseitiger Energieträger. Im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energieträgern ist Biogas flexibel einsetzbar und kann damit zentral für die Aufrechterhaltung der Stabilität im Stromnetz sein. Und genauso flexibel ist Biomethan, das über das öffentliche Erdgasnetz transportiert, gespeichert und zum Verbrauch in einer Anwendung entnommen werden kann.

Wenn wir mit den Landwirten vor Ort reden, dann wird deutlich, dass wir nicht in Konkurrenz zur Lebensmittel- oder Futtermittelproduktion stehen [...]

Hans-Joachim Polk

Redaktion: Welche Bedeutung schreiben Sie Biogas für den ländlichen Raum zu?

Hans-Joachim Polk: Eine große. Wenn wir beispielsweise unsere 34 aktiven Anlagen betrachten, dann heißt das auch, dass man an 34 Standorten intensiven Kontakt mit dem ländlichen Raum hat. Für die Bevölkerung dort sind Biogasanlagen nicht nur regionale Kraftwerke, sondern auch wichtige Arbeitgeber und bedeutende Abnehmer für die dortige Landwirtschaft. Durch die Abnahme der Substrate unterstützen wir einerseits den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft und andererseits die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Nämlich sowohl direkt in unseren Anlagen als auch indirekt bei örtlichen Handwerkern und Dienstleistern.

Zudem profitieren die Gemeinden natürlich von entsprechenden Steuereinnahmen. Insofern kann man sagen, dass Biogas nicht nur beim Klimaschutz hilft, sondern auch ein wichtiger Faktor für die Wirtschaftskreisläufe und die Entwicklung im ländlichen Raum ist.

Redaktion: Und dennoch gibt es nicht selten Kritik an Biogas, mitunter auch von Vertretern der ländlichen Bevölkerung. Ein Stichwort ist dabei die Tank-Teller-Diskussion. Was entgegnen Sie den Kritikern?

Hans-Joachim Polk: Als Betreiber der Anlagen nehmen wir die Sorgen und Nöte der Bevölkerung vor Ort natürlich sehr ernst. Wir sind uns auch dessen bewusst, dass der Betrieb der Anlagen mitunter mit punktuellen Unannehmlichkeiten verbunden ist. Umso mehr sind wir darum bemüht, dies auf das Nötigste zu begrenzen. Wenn es beispielsweise durch Anlieferungen von Substraten zu Verschmutzungen kommt, beauftragen wir in regelmäßigen Abständen ein Reinigungsfahrzeug, um für Sauberkeit sorgen zu lassen.

Etwas anders ist die Lage mit Blick auf die oft bemühte Tank-Teller-Diskussion. Diese Gegensätzlichkeit sehen wir schlichtweg nicht. Zumindest nicht in den Regionen, in denen unsere Anlagen beheimatet sind. Wenn wir mit den Landwirten vor Ort reden, dann wird deutlich, dass wir nicht in Konkurrenz zur Lebensmittel- oder Futtermittelproduktion stehen, wie oft vorschnell behauptet wird. Vielmehr bieten sich für die Landwirte durch eine Biogasanlage vor Ort attraktive Einnahmemöglichkeiten. Diese würden ohne die Anlage wegbrechen. Insofern sehen wir das Ganze eher als eine Tank-und-Teller-Thematik. Aber auch mit Blick auf den Flächenverbrauch in größeren Zusammenhängen sehen wir den landwirtschaftlichen Anbau zur Biogasproduktionen nicht als Problem an.

Mit Strom allein werden wir die Klimaziele im Wärmemarkt, im Verkehr und in der Industrie nicht erreichen.

Hans-Joachim Polk

Redaktion: Neben Biogas haben Sie sich mit der VNG auch die Weiterentwicklung von Wasserstoff auf die Fahnen geschrieben. Welche Bedeutung messen Sie diesem Energieträger im Rahmen der Energiewende bei?

Hans-Joachim Polk: Eine entscheidende, denn wir sind der festen Überzeugung, dass Wasserstoff als klimaneutraler und leistungsfähiger Energieträger ein fester Bestandteil im Energiemix werden wird. Ihm gehört die Zukunft. Mit Strom allein werden wir die Klimaziele im Wärmemarkt, im Verkehr und in der Industrie nicht erreichen. Aus diesem Grund treiben wir das Thema im Konzern auch bereichsübergreifend voran und haben es auch in unserer Konzernstrategie VNG 2030+ hinterlegt.

Redaktion: Wie drücken sich diese Bestrebungen beispielsweise aus?

Hans-Joachim Polk: Insofern, als dass wir an vielen Stellen aktiv sind. Wir befinden uns in ständigem Austausch mit der regionalen, nationalen und der EU-Politik, es gibt Kooperationen mit der Wissenschaft, beispielsweise mit Fraunhofer Instituten, oder wir beteiligen uns an Studien, teilweise auch gemeinsam mit verschiedenen Unternehmen aus dem Industriesektor. Darüber hinaus arbeiten wir mit Hochdruck an der Entwicklung unseres Vorzeigeprojekts, dem Energiepark Bad Lauchstädt im Süden Sachsen-Anhalts. Dort wollen wir unter Beteiligung von zwei unserer Tochterunternehmen sowie weiterer Partner die Herstellung, den Transport, die Speicherung und den wirtschaftlichen Einsatz von grünem Wasserstoff im industriellen Maßstab untersuchen.

Wir wünschen Ihnen dafür viel Erfolg und bedanken uns herzlich für das Interview!

Diskutieren Sie mit

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

Flexibel einsetzbar und zentral für die Aufrechterhaltung der Stabilität im Stromnetz
0
0