Mehr Klimaschutz wachsen lassen!

Gastautor Portrait

Eberhard Hartelt

Umweltbeauftragter des DBV und Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinlandpfalz Süd

Eberhard Hartelt ist Umweltbeauftragter des Deutschen Bauernverbandes und Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V. (Foto: BWV RPS)

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24. September 2020

Ernährung, Landwirtschaft und der Klimaschutz sind untrennbar miteinander verbunden, verspürt die Landwirtschaft doch als erstes und am unmittelbarsten in der täglichen Lebensmittelerzeugung die Auswirkungen von Wetter- und Klimaveränderungen. Nach einer Auswertung des Deutschen Wetterdienstes hat sich die Vegetationsperiode im Zeitraum seit 1991 um durchschnittlich 27 Tage verlängert.

Zweitens bindet die Land- und Forstwirtschaft über die Fotosynthese CO2, was beim Verzehr der Nahrungsmittel wieder freigesetzt wird bzw. z.B. beim Bauholz langfristig gebunden wird. Drittens werden bei der landwirtschaftlichen Produktion unvermeidbar Klimagase frei – hauptsächlich Methan aus der Tierhaltung und Lachgas aus der Düngung. Prozesse, die so auch in der vom Menschen unbeeinflussten Natur ablaufen. In allen genannten Bereichen ist die Urproduktion gefordert. Deshalb hat der Deutsche Bauernverband im Jahr 2018 seine Klimastrategie 2.0 vorgelegt, in der die notwendigen Schritte bis 2030 skizziert sind.

Ernährungssicherung und Klimaschutz zusammen denken

Im Pariser Klimaabkommen ist festgehalten, dass durch den Klimaschutz die Ernährung nicht gefährdet werden darf. Das bedeutet dann für die Lebensmittelproduktion, dass diese möglichst klimaeffizient, also mit möglichst geringen unvermeidbaren Treibhausgasemissionen je produziertem Lebensmittel, erfolgen sollte. Die Verwertung von Gülle und Mist in Biogasanlagen, um entweichendes Methan aufzufangen und grüne Energie zu produzieren, ist eine wirksame Maßnahme für die Tierhaltung, ebenso wie optimierte, stickstoffreduzierte Fütterungsstrategien. Für den Pflanzenbau kommt es vor allem auf eine möglichst bedarfsgerechte und präzise Düngung an, aber auch moderne Düngehilfsstoffe wie Nitrifikationshemmer oder Ureaseinhibitoren können Emissionen reduzieren.

Aktive Klimaschützer

Mit moderner Landwirtschaft können Nahrungsmittel klimaeffizienter erzeugt werden. Precision Farming, Biotechnologie und Digitalisierung bieten weitere Möglichkeiten. Doch die Lösungsbeiträge der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft für Klimaschutz gehen weit darüber hinaus. Landwirtschaft und Forstwirtschaft „können“ aktiven Klimaschutz durch den CO2-Entzug des Pflanzenwachstums aus der Atmosphäre, wenn die Potenziale als Fotosynthese-Kraftwerk systemisch gesehen und genutzt werden.

Biogene Kohlenstoffsenken aktiv fördern

Ein Ziel für Treibhausgassenken ist aber noch nirgends in Sicht.

Eberhard Hartelt

Wenn die Europäische Union ihr politisches Bekenntnis zur Netto-Treibhausgasneutralität ernst meint, reicht es nicht aus, „nur“ die Emissionen zu reduzieren und keine fossilen Energieträger mehr zu verbrennen, sondern es müssen aktiv Treibhausgassenken geschaffen werden, die verbleibende unvermeidbare Emissionen kompensieren. Ein Ziel für Treibhausgassenken ist aber noch nirgends in Sicht.

Global gesehen muss mehr Biomasse wachsen, geerntet und der Kohlenstoff dann langfristig in Senken (Humus in Böden, Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen…) gebunden werden. Viele smarte und innovative Landwirte warten auf den Tag, dass ein einheitliches und verlässliches System der CO2-Bepreisung dies auch wirtschaftlich stützt. Mit Blick auf das Langfristziel 2050 kann die Land- und Forstwirtschaft neben dem Recycling zunehmend erneuerbaren Kohlenstoff für die stoffliche Nutzung bereitstellen, u.a. für Verpackungen, Werkstoffe und chemische Industrie.

„Carbon Leakage“ vermeiden – EU-Klima- und Handelspolitik müssen Verlagerung der Erzeugung verhindern

Zur Vermeidung möglicher Produktionsverlagerung in Drittländer wegen erhöhter Klimaschutzkosten muss über einen „CO2-Außenschutz“ mit Ländern nachgedacht werden, die aus den Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens ausscheren. Das sollte grundsätzlich nicht nur für Industriegüter, sondern auch für Agrarprodukte eingeführt werden. Ob die Problematik am besten über einen Grenzausgleichmechanismus oder stringente Nachhaltigkeitsstandards für Importe aus Drittländern gelöst werden kann, sei einmal dahingestellt. Aber die Problematik muss angegangen und gelöst werden.

Klimaanpassung priorisieren

Für eine bessere Klimaanpassung ist noch kaum jemand auf die Straße gegangen.

Eberhard Hartelt

Klimaschutz allein reicht jedoch nicht mehr aus. Die letzten Jahre haben einen Vorgeschmack auf zukünftig zu erwartende Klimabedingungen geliefert und deutlich gemacht, dass sich auch Deutschland an Klimaveränderungen anpassen muss – zumal die Welt aktuell auf einem 3,5°C Erwärmungspfad liegt und keinesfalls unter 2 Grad, wie es das Pariser Abkommen einfordert. Bislang ist die Klimaanpassung die unbeliebte, vernachlässigte zweite Säule der Klimapolitik. Für eine bessere Klimaanpassung ist noch kaum jemand auf die Straße gegangen. Um die Herausforderungen zu bewältigen, müssen auch die Möglichkeiten der Neuen Züchtungsmethoden (NBTs) in Europa genutzt werden – Stichwort „Genschere“. Die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich müssen vorangetrieben werden. Dann können NBTs wesentlich zur Erreichung hoher Umwelt- und Klimaambitionen beitragen.

Die Strategien der EU-Kommission, von Bund und Ländern zur Klimaanpassung fristen ein Schattendasein und werden und werden verschämt alle paar Jahre aus der Schublade geholt, überarbeitet und verschwinden dann wieder im politischen Niemandsland, ohne Finanzmittel, ohne politischen Druck zur Umsetzung. Das darf so nicht bleiben, wenn Europa seinen Wohlstand und Lebensgrundlage nicht riskieren will.

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