Wir sitzen alle auf demselben Trecker – Bericht vom Debatten-Abend „Landwirtschaft – Verursacher, Opfer oder Klimaschützer?“

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Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
29. Oktober 2020

Was macht eine gute Moderation aus. Zum Beispiel die Fähigkeit, am Ende der Veranstaltung alles in einem Satz zusammenfassen zu können. Alexandra von Lingen, die den Debatten-Abend moderierte, gelang dies mit Leichtigkeit, Humor und Treffsicherheit. „Wir sitzen alle auf dem selben Trecker.“ Besser lässt es sich nicht ausdrücken, dass die entscheidenden Faktoren im Themengebiet Landwirtschaft und Klimaschutz eng miteinander verwoben, sich wechselseitig beeinflussen und von globaler Bedeutung sind.

Digital ist das neue Normal

Im Kern gehe es darum wieder zum Gedanken der Kreislaufwirtschaft zurückzukehren.

Vor wenigen Monaten lief der erste digitale Debatten-Abend. Jetzt ist es schon eine Selbstverständlichkeit. Gemeinsam mit wenigen Zuhörerinnen saßen die Moderatorin, Minister Peter Hauk, Professor Regina Birner und Stiftungsvorstand Anke Wilhelm in Stuttgart zusammen. Zugeschaltet aus Leipzig war VNG Technik Vorstand Hans-Joachim Polk.

Und auch alle Beteiligten haben den letzten Monaten Erfahrungen in digitalen Veranstaltungsformaten sammeln können. Mittlerweile läuft alles leicht und locker. Genau wie früher bei analogen Debatten: Im Zentrum stehen die Inhalte. Und an denen mangelt es nicht im Themenfeld Landwirtschaft und Klimaschutz.

Wie es sich für einen Landwirtschaftsminister gehört, stellte Peter Hauk gleich einmal klar, dass die Landwirte in aller erster Linie Teil der Lösung und keinesfalls Teil des Problems seien. Im Kern gehe es darum wieder zum Gedanken der Kreislaufwirtschaft zurückzukehren. Und dabei – die Kritik am Fleischkonsum vorwegnehmen – verwies er auf die Rolle des Grünlandes. Grünland sei ein großer CO2 Speicher. Und die Rindviecher hätten in erster Linie eine Funktion als Pflegekräfte dieser Kulturlandschaft. Netto, so Peter Hauk, sei die Landwirtschaft eher Speicher für CO2, kein Emittent.

Entscheidend für die Beurteilung: Der eigene Blickwinkel

Zweitdrittel der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft entstünden durch die Trockenlegung von Mooren und durch die Düngung.

Die Agrarökonomin Prof. Dr. Regina Birner schränkte das ministerielle Wohlwollen ein. Zweitdrittel der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft entstünden durch die Trockenlegung von Mooren und durch die Düngung. Hier gelte es beim Klimaschutz anzusetzen. Die Wiederverwässerung von ehemaligen Mooren sei effektiver Klimaschutz. Allerdings bräuchte es hier einen langen Atem.

Während der Minister den Beschluss der EU zur Fortführung der Gemeinsamen Agrarpolitik als guten Kompromiss lobte, fand die Hohenheimer Professorin, die EU hätte mehr für den Klimaschutz und die Biodiversität erreichen können. Während Birner sich auf das Pariser Klimaschutzabkommen und die bekannten Statistiken des Artenrückgangs in der Agrarlandschaft berief, verwies der Minister auf den Status Quo. „Bislang waren nur 10% der Zuschüsse aus der Gemeinsamen Agrarpolitik für Naturschutzleistungen vorgesehen. Bald werden es 20% sein. Diese Verdopplung ist ein Erfolg.“

Hans-Joachim Polk hat als Technikvorstand der VNG AG berufsbedingt einen sehr speziellen Blick auf die Landwirtschaft. Aktuell gehe es vor allem darum, so der Vertreter des Leipziger Gaskonzerns, dass die Leistungskapazität der Biogaskraftwerke erhalten bleibe. In der Summe seien das 5 GW. Die Herausforderung: Nach 20 Jahren Förderung durch das EEG laufe die Förderung des Stroms aus. Jetzt gehe es darum, die vorhandenen Anlagen a) durch Investitionen zu erhalten, b) dort, wo möglich, zu modernisieren und c) Geschäftsmodelle für eine längere Nachnutzung zu entwickeln. Dabei habe die VNG AG als Newcomer auf dem Markt im Blick, dass die gute fachliche Praxis beim Anbau eine wichtige Rolle spiele. Man achte verstärkt auf die Fruchtfolgen und bemühe sich die Technik anzupassen, um neben den Pflanzen Gülle in den Anlagen zu nutzen. Biogasanlagen mit ihrer schnellen Reaktionsgeschwindigkeit seien unverzichtbar bei der Transformation der Energiewirtschaft.

Auch sie sitzen auf dem Trecker: Die Verbraucherinnen und Verbraucher

Was passiert, wenn in der Kantine des Innenministeriums in Stuttgart Curry-Wurst mit Pommes angeboten wird? Dann setzt die Abstimmung mit den Füßen ein. Mit Hilfe dieses Beispiels wies der Minister auf die Macht der Verbraucherinnen und Verbraucher hin. Gesunde Ernährung sei Teil der Strategie seines Hauses. Andererseits aber dürfe man den Menschen nicht vorschreiben, was in ihrem Einkaufswagen und auf ihren Tellern lande.

Die Verantwortung, so Prof. Birner, sei aber eine eingeschränkte. Es sei vor allem der Handel, der mit Dumping-Angeboten beim Fleisch – nicht nur in der Grillsaison! – die Menschen in die Läden ziehen wolle. Man könne und dürfe nicht die Verbraucher*innen für die Situation verantwortlich machen. Außerdem helfe dies dem Klimaschutz wenig. Was man jetzt bei der Landwirtschaft brauche, sei eine globale Allianz für Klimaschutz und Entwicklung. Denn der Klimawandel bedrohe vor allem die Landwirtschaft in Ländern des Südens. Und da müssen wir mit unserem Know-how helfen, für Ertragssicherheit zu sorgen.

Zum Nachhören und Sehen: der Livestream des Debattenabends

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