Moderne Ernährung: Essen wir das Klima auf?

Gastautor Portrait

Luisa Pasternak

Zukunftsstiftung Landwirtschaft

Luisa Pasternak hat bei der Zukunftsstiftung Landwirtschaft ein Praktikum im Projekt Weltacker/ 2000m²-Projekt gemacht. Die Studentin der Geographie hat bereits in der Landwirtschaft und im Bereich Klimawandelanpassung gearbeitet sowie in verschiedenen in Umwelt- und Tierschutz-Projekten mitgewirkt.

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17. September 2020

Dürren. Trockenperioden. Extreme Niederschläge. Das alles sind klimatische Ereignisse, welche die landwirtschaftliche Produktivität, die Ernte und somit letztendlich auch unsere Ernährung beeinflussen können. Die Erscheinungen des Klimawandels machen sich vermehrt bemerkbar, besonders für die Landwirte. Doch inwiefern trägt unsere Art der Ernährung zu diesen klimatischen Veränderungen bei? Beeinflussen wir durch das, was wir auf dem Teller vor uns haben tatsächlich direkt das Klima?

Böden - unsere wichtigsten CO2-Speicher

Global ist etwa fünfmal mehr Kohlenstoff im Boden gespeichert als in der Vegetation, doppelt so viel wie in der Atmosphäre.

Luisa Pasternak

Durch den Umbau von abgestorbenem Pflanzenmaterial zu Humus, welcher zu großen Teilen aus Kohlenstoff besteht, leisten die Böden einen essentiellen Beitrag zum Klimaschutz. Denn genau wie bei der Einbindung von Kohlenstoff in die Vegetation, kann dieser so nicht mehr in die Atmosphäre entweichen und sich mit Sauerstoff zu dem schädlichen Klimagas CO2 verbinden, welches in hohem Maße zur Erderwärmung beiträgt. Global ist etwa fünfmal mehr Kohlenstoff im Boden gespeichert als in der Vegetation, doppelt so viel wie in der Atmosphäre.

Ein gesunder, fruchtbarer Boden und der Aufbau einer gesunden Humusschicht sind daher unverzichtbar, um die Landwirtschaft klimafreundlich zu gestalten. Insbesondere Landnutzungsänderungen, bei denen bestehende Ökosysteme zu Ackerflächen umgewandelt werden, um den steigenden Bedarf an Lebens- und Genussmitteln zu decken, sind schädlich für das Klima. Denn im Gegensatz zu naturbelassenen Flächen wie Wäldern, Mooren oder Wiesenflächen speichern Äcker kaum Kohlenstoff, sondern setzen durch eine intensive Bodenbearbeitung diesen sogar wieder frei.

Die industrielle Landwirtschaft als Verursacher*in des Klimawandels?

Fruchtbare Böden und gedeihende Pflanzen, die uns später ernähren – das Idealbild eines Ackers. Doch intensive Bodenbearbeitung, Pestizide, übermäßige Düngung und künstliche Bewässerung führen dauerhaft zum Verlust fruchtbarer Böden. Es wird weniger Humus aufgebaut und die Böden trocknen aus, dadurch entweicht wieder Kohlenstoff in die Atmosphäre. Stickstoffdünger aus der Fabrik benötigt außerdem sehr große Mengen Energie in der Herstellung.

Ein Drittel der Lebensmittel wird nicht konsumiert

Unser verändertes Konsumverhalten, der Anspruch an perfekte, frische Lebensmittel und dass die meisten Menschen mehr einkaufen als sie essen, führen dazu, dass riesige Mengen an Lebensmitteln im Müll landen. Avocados, Bananen, oder Ananas – die ständige Verfügbarkeit von Lebensmitteln, welche den halben Globus überquert haben, um bei uns im Supermarkt zu landen, nehmen wir als selbstverständlich war. Doch die langen Transportwege und die Lagerung der Lebensmittel stoßen nicht nur große Mengen Treibhausgase aus, sondern führen auch dazu, dass eine große Zahl an Lebensmittel verdirbt und noch mehr weggeschmissen wird. Verlust der Lebensmittel führt dazu, dass mehr produziert werden muss, somit wird mehr Fläche für den Ackerbau benötigt. Die Folgen der Landnutzungsänderungen für das Klima kennen wir bereits.

Wie müsste eine Landwirtschaft aussehen, die weder dem Klima schadet noch der Biodiversität?

Eine artgerechte Tierhaltung kommt nicht nur den Tieren, sondern auch dem Klima zugute.

Luisa Pasternak

Agrarökologische Methoden – vielseitige Fruchtfolgen, Zwischenfrüchte und eine vielfältige Flächenstruktur – schützen die Böden, die Biodiversität und letztendlich auch das Klima. Dies trägt enorm zur Leistungsfähigkeit landwirtschaftlicher Böden bei und es wird weniger Stickstoffdünger benötigt. Eine reduzierte Bodenbearbeitung zum Schutz des Bodenlebens und zum Erhalt der Bodenstruktur trägt ebenso dazu bei, dass große Mengen Kohlenstoff fest im Boden bleiben.

Eine artgerechte Tierhaltung kommt nicht nur den Tieren, sondern auch dem Klima zugute – Weideflächen anstatt Monokulturen für Futtermittel. Klingt simpel, ist es vielleicht auch. Wenn Tiere Gras und Pflanzen fressen, die sich zur direkten menschlichen Ernährung nicht eignen, sind sie keine Nahrungsmittelkonkurrenz. Ganz im Gegenteil: sie liefern Dünger und tragen zu einer natürlichen Bodenbearbeitung bei. Die Unabhängigkeit von Import-Produkten (z.B. Soja als Futtermittel) stellt einen wesentlichen Faktor beim Klimaschutz dar. Ein Ersatz durch regionale Futtermittel, wie Luzerne, welchen einen hohen Proteingehalt aufweisen und gleichzeitig durch ihre Fähigkeit, Stickstoff zu binden, den Boden düngen, ist nur ein Beispiel.

Was müssen Deutschland und die EU ändern?

Ein gemeinsamer Weg auf Ebene der EU muss eingeschlagen werden, damit es einzelnen Ländern möglich ist, konventionelle Agrarparadigmen aufzuweichen und zu verändern. Durch die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft nimmt die Bundesregierung eine wichtige Rolle innerhalb der EU ein und hat somit großen Einfluss darauf, wie sich die zukünftigen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft verändern werden. Eine Reform der Agrarpolitik hinzu einer ökologisch- und sozialgerechten Agrarwirtschaft mit einer stärkeren Förderung von kleinen, vielfältig strukturierten Betrieben muss hier im Vordergrund stehen. Für kleinmaßstäbliche Produktions- und Verkaufsketten (Solawi) müssen breitere Kommunikationsstellen sowie direkte Verbindungen geschaffen werden.

Was können wir als Verbraucher*innen beisteuern?

Von den Ackerflächen dieser Welt könnten alle Menschen problemlos ernährt werden – es ist genug für alle da. Doch durch die Fleischproduktion schwinden die Flächen, auf denen Lebensmittel zum direkten Verzehr angebaut werden können, und die hohen Lebensmittelverluste führen dazu, dass auch für den Anbau von Gemüse, Obst und Co. deutlich mehr Fläche benötigt wird als eigentlich notwendig. Durch einen gewissenhaften Umgang mit Lebensmitteln, einen geringeren Verzehr tierischer Produkte sowie durch einen Blick auf Regionalität, Saisonalität und Öko-Siegel einzelner Lebensmittel, kann jede*r einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

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