Landwirtschaft – Verursacher, Opfer oder Klimaschützer?

Gastautor Portrait

Peter Hauk

Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz

Peter Hauk arbeitete nach seinem Studium bis 2002 als Forsteinrichter bei der Forstdirektion Freiburg und war stellvertretender Leiter des Staatlichen Forstamtes Schöntal (Jagst) und Projektleiter bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg. Von 2002 bis 2005 war er Leiter des Forstamtes Adelsheim. Bereits seit 1992 ist der Diplomforstwirt Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg und war bereits von 2005 bis 2010 Minister für Ernährung und Ländlichen Raum. Ab 2010 bis 2015 leitete er die CDU-Fraktion als ihren Vorsitzenden und ist zudem seit 2013 Bezirksvorsitzender der CDU Nordbaden. Seit 2016 übernahm er als Minister erneut das inzwischen in Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz umbenannte Ministerium. Foto: MLR/Potente

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19. Oktober 2020

Der Klimawandel ist für die Landwirtschaft in Baden-Württemberg Chance und Risiko zugleich.

Peter Hauk

Hitzewellen im Sommer, dazu Hagel, Stürme, Überschwemmungen und schneefreie Winter – das alles zeigt: Der Klimawandel hat auch in Baden-Württemberg begonnen. Ab Mitte des Jahrhunderts erwarten die Klimatologen noch deutlich stärkere Temperaturanstiege, besonders im Rhein- und Neckartal sowie in der Bodenseeregion.

Der Klimawandel ist für die Landwirtschaft in Baden-Württemberg Chance und Risiko zugleich. Das größte Problem wird die Hitzebelastung sein, welche neben dem Vieh vor allem Kulturen wie Getreide, Raps und Kartoffeln zu schaffen machen wird. Gleichzeitig werden wärmeliebende Unkräuter, Schädlinge, Bakterien und Pilze vom Klimawandel profitieren. Bereits heute lässt sich in Baden-Württemberg fast jedes Jahr ein bis dahin unbekannter Schädling nieder.

Damit einhergehend wird die Wahrscheinlichkeit von Gewittern, Starkregen und Hagelschlag steigen, und es sind – vor allem während der Vegetationszeit – längere Trockenheitsphasen zu befürchten. Auch die Gefahr von Schäden durch Spät- und Frühfröste wird zunehmen.

Schon heute ist klar: Die Landwirtschaft wird sich auf erhebliche Änderungen des Sorten- und Anbauspektrums, der Fruchtfolge, der Bodenbearbeitung, der Düngung, der Wasserversorgung und des Pflanzenschutzes einstellen müssen.

Erosionsschutz und Humuserhalt werden eine noch wichtigere Rolle spielen. Die Bewässerung wird vor allem in Sonderkulturen zunehmen, um weiterhin die Versorgung von hochwertigen und regional produzierten Lebensmitteln zu sichern. Ebenso wird die Einrichtung von Frost- und Hagelschutzmaßnahmen eine wichtige Rolle spielen. Im Pflanzenschutz muss infolge des Klimawandels die Schaderregerüberwachung intensiviert und an neuen Bekämpfungsstrategien gearbeitet werden. Auch über die energiesparende Kühlung von Ställen muss verstärkt nachgedacht werden. Aufgrund steigender Temperaturen werden Kulturen angebaut werden können, deren Nutzung bisher nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich war wie zum Beispiel Soja oder Sorghum. Im Weinbau besteht die Möglichkeit, Sorten anzubauen, die bisher nur im Mittelmeerraum bedeutend sind. Auch werden in der Landwirtschaft künftig mehr Kulturen angebaut, die die Winterfeuchtigkeit nutzen können.

Klimaschutz – eine Herausforderung für unsere heimische Landwirtschaft

Unser Ziel muss sein, Lebensmittel so klimaschonend wie möglich zu produzieren und regional zu vermarkten.

Peter Hauk

Die Weichen für morgen müssen schon heute gestellt werden. Das gilt auch für den Klimaschutz. Das Klimaschutzgesetz vom Juli 2013 schlägt hier den richtigen Weg ein: Baden-Württemberg will bis 2020 die CO2-Emissionen um 25 Prozent und bis 2050 sogar um 90 Prozent reduzieren.

Für die Landwirtschaft bedeutet das: Sie ist nicht nur Betroffene des Klimawandels, sie muss auch selber zum Klimaschutz beitragen. Betriebe, die beispielsweise Energie im Stall oder auf dem Feld bedarfsgerecht einsetzen, sparen nicht nur Kosten, sondern leisten auch einen Beitrag zum Klimaschutz. Innovative Projekte im Rahmen der Landwirtschaft 4.0 bieten eine gute Möglichkeit, Produktionsprozesse zu optimieren und klimafreundlicher zu gestalten.

Ebenso wichtig ist die Vermeidung bzw. Reduktion von klimaschädlichen Gasen. Dazu gehört die Erhaltung von Grünland. In Baden-Württemberg wird das Dauergrünland vor Umwandlung flächendeckend gesetzlich geschützt. Dies soll verhindern, dass durch den Umbruch von Grünland erhebliche Mengen an CO2 freigesetzt werden.

Auch auf Ackerflächenmuss der Humus zu allererst erhalten werden. Die Steigerung des Humusgehalts auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ist grundsätzlich eine Möglichkeit, klimawirksames CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen und im Boden anzureichern. Dies nützt aber nur, wenn dieser dann auch dauerhaft durch die Fortführung der notwendigen Maßnahmen erhalten bleibt. Verpflichtende Vorgaben zur Einarbeitung bzw. bodennahen Ausbringung von Gülle und Biogasgärresten tragen bereits heute zu einer Reduzierung von Ammoniakemissionen bei.

Unser Ziel muss sein, Lebensmittel so klimaschonend wie möglich zu produzieren und regional zu vermarkten. Beispielsweise verfolgt die Kampagne „Wir versorgen unser Land“ das Ziel, Verbraucherinnen und Verbraucher für heimische Lebensmittel zu begeistern und den Absatz an Ort und Stelle zu fördern. Dies vermeidet weite Transportwege der Lebensmittel vom Produzenten zum Endverbraucher.

Baden-Württemberg als Beispielland für Bioökonomie

Die Bioökonomie stellt biologische, digitale, technische und sozioökonomische Innovation in den Dienst einer verantwortungsvollen Nutzung der natürlichen Ressourcen und kann uns helfen, eine Vielzahl der komplexen Herausforderungen im Zusammenhang mit unserem Rohstoffbedarf und unserer Rohstoffnutzung zu lösen. Kreislauffähige Materialien und Produkte aus erneuerbaren und nachwachsenden Ressourcen ersetzen dabei endliche Rohstoffe.

Mit intelligenten Landnutzungskonzepten können vielfältige gesellschaftliche und ökologische Ansprüche an die Landwirtschaft erfüllt und gleichzeitig auch eine ausreichende Wertschöpfung für Primärerzeuger gewährleistet werden. Mit der Landesstrategie „Nachhaltige Bioökonomie Baden-Württemberg“ wird der Wandel in den Ländlichen Räumen aktiv gestaltet. Baden-Württemberg soll zu einem Beispielland für eine nachhaltige und kreislauforientierte Wirtschaftsform werden.

Interessiert am nächsten Debatten-Abend?

Unseren Debatten-Abend mit dem Thema „Landwirtschaft – Verursacher, Opfer oder Klimaschützer?“ können Sie am 22. Oktober 2020 ab 19:00 Uhr bis 20:15 Uhr online über den Livestream verfolgen. Am Livestream haben Sie zusätzlich die Möglichkeit, den Expertinnen und Experten online per Chat Fragen zu stellen.

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