Der Regenwald auf unserem Teller – unser Konsum befeuert die Zerstörung

Gastautor Portrait

Matthias Linn

Öffentlichkeitsarbeit bei OroVerde – die Tropenwaldstiftung

Matthias Linn arbeitet seit Juli 2018 bei OroVerde - die Tropenwaldstiftung. Er ist dort hauptsächlich für die Öffentlichkeitsarbeit im Projekt "Keine Angst vor Komplexität" verantwortlich, das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW gefördert wird. Er hat Biologie mit Schwerpunkt Tropenbiologie und Tierökologie studiert und langjährige Erfahrung im Digitalen Marketing und in der Filmproduktion.

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21. September 2020
Brandrodung in Guatemala, einem der Hauptprojektländer von OroVerde - die Tropenwaldstiftung ©OroVerde

Es ist kein Geheimnis, dass der Sojaanbau und die Rinderzucht die wichtigsten Ursachen für die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes sind. Durch die großflächigen Waldbrände der letzten Jahre und die Politik der Regierung Bolsonaro verstärkte sich das Problem und wurde für alle noch sichtbarer.

Eine Studie hat jetzt erstmals die Verbindung von illegaler Abholzung und Soja-Exporten nach Europa hergestellt. Darin wird belegt, dass etwa 20 % der Sojaexporte nach Europa und mindestens 17 % der Rindfleischexporte aus den Vegetationszonen Amazonas und Cerrado, eine artenreiche tropische Savanne im Nordosten Brasiliens, von potentiell illegal gerodeten Flächen stammen. Das Rindfleisch landet direkt auf unserem Teller, das Soja über den Umweg als Futtermittel in der Tiermast letztendlich auch. Das geplante Mercosur-Abkommen mit der EU könnte die Situation noch verschärfen. Handelserleichterungen zwischen den Mercosur-Staaten wie etwa Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela und weiteren assoziierten Mitgliedern und der EU, würden sehr wahrscheinlich zu einer Zunahme des Imports von Agrarprodukten auch aus Brasilien führen und damit eine weitere Abholzung des Regenwaldes für Agrarflächen rentabel machen. Zwar enthält der Vertrag Verpflichtungen zur Einhaltung von Umweltstandards und zur Bekämpfung von Entwaldung, jedoch keine Sanktions- oder eindeutige Kontrollmechanismen.

Lebensmittel und Klimakrise

Entwaldung ist die zweitgrößte Ursache von Treibhausgas-Emissionen weltweit.

Matthias Linn

Entwaldung ist die zweitgrößte Ursache von Treibhausgas-Emissionen weltweit. Agrarwirtschaft ist für 80 Prozent der Entwaldung, welche für Produkte wie Soja, Rindfleisch und Palmöl betrieben wird, verantwortlich. Und die EU ist ein wichtiger Importeur. Im Jahr 2019 importierte die EU laut der Europäischen Kommission 17 Prozent der globalen Nachfrage für Palmöl, 15 Prozent für Soja, 25 Prozent für Gummi, 41 Prozent für Rindfleisch, 80 Prozent für Kakao und 60 Prozent für Kaffee. Oft vergessen werden die anderen Auswirkungen der Lebensmittelproduktion, die die Klimakrise befeuern. Brennen die Wälder und Moorböden, so wird das in den Bäumen und Böden gebundene Kohlenstoffdioxid (CO2) direkt in die Atmosphäre geblasen und heizt dort den Klimawandel weiter an. Aber auch der Ausstoß von Lachgas (rund 300-mal so klimaschädlich wie CO2) aus Mineraldüngung oder die Freisetzung von Methan (rund 20-mal so klimaschädlich wie CO2) durch Wiederkäuer und Nassreisanbau sind Treiber des Klimawandels, die auf das Konto der Lebensmittelproduktion gehen.

Politisch aktiv werden

Intakte Regenwälder wie dieser sollen mit einer strengen gesetzlichen Regelung auf EU-Ebenen geschützt werden. Dafür setzt sich das Aktionsbündnis #Together4Forests ein.

© OroVerde/E.Mannigel

Derzeit können EU-Bürger*direkt die EU-Politik beeinflussen. Die Europäische Kommission hat am 11. September 2020 eine offizielle Konsultation gestartet, in der sie Zivilgesellschaft, Unternehmen und Bürger*innen befragt, welche Maßnahmen getroffen werden sollen, Produkte, für die Wald gerodet und Umwelt zerstört wurde, aus dem EU-Markt fern zu halten. Im Zuge dieser Befragung haben sich mehr als 100 Nicht-Regierungs-Organisationen zum Aktionsbündnis #Together4forests zusammengeschlossen, um gemeinsam auf eine strenge Gesetzgebung zu drängen, die Entwaldungsfreie Lieferketten sicherstellt.

Leser*innen, die diese Meinung teilen, können auf der Seite von OroVerde über eine vorausgefüllte Version der offiziellen EU-Konsultation dieses Anliegen unterstützen.

Landwirtschaft als Teil der Lösung?

Landwirtschaft, Nahrungsmittelproduktion und Konsum in der EU und anderen Staaten des Globalen Nordens sind maßgeblich mitverantwortlich für die Zerstörung der Tropenwälder und eine sich immer mehr verstärkende Klimakrise. Doch es gibt bereits zukunftsweisende Ansätze für eine nachhaltige Landwirtschaft, die Ernährung sichern und zugleich dabei helfen kann, das Weltklima zu stabilisieren. Doch was derzeit noch bedrohlich klingt, kann auch als Chance für den Klimaschutz genutzt werden: Weil Pflanzen das Klimagas CO2 binden und gesunde, humusreiche Böden Kohlenstoff speichern, könnte die Landwirtschaft uns rein theoretisch langfristig klimaneutral ernähren und kurzfristig sogar mehr CO2 binden als ausstoßen.

So könnten Landwirtschaft und Konsum zu Walderhalt und Klimaschutz beitragen.

© OroVerde/ Özi’s Comix Studio

Im Kampf gegen die Erdüberhitzung muss es unser Ziel sein, die CO2-Emissionen zu reduzieren und zugleich mehr Kohlenstoff in den Ökosystemen und ihren Böden zu speichern. Der Erhalt und Aufbau von Wäldern, eine Diversifizierung der Landwirtschaft (inklusive Umstellung auf eine ökologische Landwirtschaft), Humusaufbau als Mittel der Bodenverbesserung, das uns zugleich vom massiven Einsatz von Kunstdünger unabhängig macht, die Einführung einer nachhaltigen Tierhaltung, ein wertschätzender Umgang mit Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Erzeugnissen – all dies trägt langfristig zum Klimaschutz bei. Zugleich sind mit diesen Maßnahmen weitere positive Effekte verknüpft: sauberes Wasser oder eine gesündere Ernährung sind nur zwei Beispiele dieser nützlichen Nebenwirkungen.

Regenwald- und Klimaschutz im Alltag

Wenn die Nachfrage sinkt, sinkt auch der Druck auf den Amazonas-Regenwald.

Matthias Linn

Jede*r kann einen Teil dazu beitragen kann, die illegale Abholzung des Amazonas zu stoppen, die Erderhitzung zu bremsen und eventuell gleichzeitig noch etwas für die eigene Gesundheit tun. Unser Fleischkonsum befeuert die Importe von Soja als Futtermittel und Rindfleisch aus Brasilien. Wenn die Nachfrage sinkt, sinkt auch der Druck auf den Amazonas-Regenwald. Selbst wenn weniger Fleisch aus Brasilien importiert wird, sorgt die Nachfrage der europäischen Fleischindustrie nach südamerikanischem Soja als Futtermittel für eine weitere Zerstörung der Naturräume Südamerikas. Denn oft sind die Sojaanbauflächen Folgenutzungen auf den für die Rinderzucht gerodeten Flächen. Diese indirekte Entwaldung kann durch Zertifizierung nicht gestoppt werden. Deshalb ist es besonders wichtig den Fleischkonsum zu reduzieren und nur Fleisch mit Bio-Siegel zu kaufen, für das kein brasilianisches Soja für die Fütterung verwendet wird. Was sie sonst noch im Alltag für den Regenwaldschutz tun können, können Sie in den OroVerde-Verbrauchertipps nachlesen.

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