Wasserstoff – ein Überblick

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Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
30. März 2020

Als wir den Themen-Schwerpunkt Wasserstoff planten, gingen wir davon aus, dass die Bundesregierung wie angekündigt in 2019 ihre Wasserstoffstrategie vorlegt. Sie hat das im letzten Jahr nicht geschafft. Aufgrund von Diskussionsbedarf im Kabinett wurde die Vorlage dann mehrmals verschoben. Aktuell hat das Thema Corona absoluten Vorrang.

Die Verschiebung der Veröffentlichung des offiziellen Papiers hat dem Interesse am Thema aber nicht geschadet. Unser Debattenabend war – vor Ort in Stuttgart und bei der Live-Übertragung – so gut besucht wie nie. Und auch an Kontroversen mangelt es dem Thema Wasserstoff nicht. Das spiegeln die zahlreichen Gastbeiträge wieder.

Wasserstoffindustrie als wichtiger Industriesektor

Die Wasserstoffindustrie verspricht nicht nur die Energiewende voranzubringen, sondern auch ein wirtschaftlich bedeutsamer Industriesektor und Arbeitgeber zu werden.

Dr. Ingrid Nestle, MdB

„Die Wasserstoffindustrie verspricht nicht nur die Energiewende voranzubringen, sondern auch ein wirtschaftlich bedeutsamer Industriesektor und Arbeitgeber zu werden.“ Diesem Statement von Frau Dr. Nestle, MdB und energiepolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, könnten wahrscheinlich alle Fachleute beipflichten. Doch im Detail gehen die Meinungen dann auseinander.

Zum Beitrag: Nachhaltigen Wasserstoff und die Jobs der Zukunft gibt es nur mit grünem Strom

Es mangelt an grünem Strom. Wenn der Ausbau von Wind- und Solarkraft weiterhin auf der Stelle trete, brauche man über Wasserstoff nicht zu reden. Neben Frau Nestle betonte auch Dr. Neumann vom BUND, das der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zwingend eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz in allen Bereichen – von der Erzeugung bis hin zum Verbrauch – voraussetze.

Auf eine Importstrategie beim Wasserstoff zu setzen, schaffe neue Probleme ohne die bekannten zu lösen, so Dr. Neumann.

Zum Beitrag: Wasserstoff – woher und wie viel? Grün oder grau? Zentral oder dezentral? Das sind hier die Fragen

Das sehen Vertreter von FDP und die CDU völlig anders. Michael Theurer, MdB der FDP, würde sogar den geringen Wirkungsgrad von 20 Prozent in der Mobilität in Kauf nehmen, denn in Portugal ließe sich zum Preis von 1,5 Cent pro kWh Solarenergie gewinnen.

Zum Beitrag: Wasserstoff als Alleskönner der Energiewende

Ist nur grüner Wasserstoff nachhaltig? Die Farben des Wasserstoffs

Moderner Windgas-Elektrolyseur von Greenpeace Energy im fränkischen Haßfurt; © Greenpeace Energy / Florian Jänicke

Carsten Müller, MdB der CDU, betont, dass nur grüner Wasserstoff auf Dauer einen nachhaltigen Beitrag zur Energiewende leisten könne. Die Bundesregierung setzt andere Akzente. Bis 2030 werde grauer und blauer Wasserstoff 80% des Marktes ausmachen. Wasserstoff – übrigens immer farblos – wird farblich nach Herstellungsart unterschieden. Nur grüner Wasserstoff ist klimaneutral. Er wird in der Elektrolyse gewonnen, die ausschließlich mit erneuerbarer Energie betrieben wird.  Wenn bei der Elektrolyse Strom aus fossilen Brennstoffen eingesetzt wird, das ist derzeit der Normalfall, sprechen wir von grauem Wasserstoff. Blau wird Wasserstoff bezeichnet, der in Raffinerien direkt aus Erdgas abgespalten wird. Das dabei entstehende CO2 soll in Lagerstätten verpresst werden (CCS).

Zum Beitrag: Wasserstoff – die Potentiale für morgen schon heute nutzbar machen

Michael Friedrich von Greenpeace Energy weist in seinem Beitrag daraufhin, dass zusätzlich zu den bekannten Problemen von CCS schon das Erdgas einen hohen klimawirksamen Rucksack habe. Mindestens 25, wahrscheinlich sogar 50 Prozent der Treibhausgase der Erdgaskette entstünden durch die Methan-Verluste bei der Exploration.

Zum Beitrag: „Blauer“ versus grüner Wasserstoff – was dem Klimaschutz wirklich hilft

Das sieht auch die Leiterin Gase des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft, Anne Köhler, so. Klimawirksam sei ausschließlich eine Strategie die auf grünen Wasserstoff setze. Daher müsse man diesen Markt nun aufbauen, vorhandene Hemmnisse abbauen und vor allem auf ein konsequentes Unbundling setzen. Das würde bedeuten, die Betreiber der Gasnetze wären aus dem Spiel.

Zum Beitrag: Grüner Wasserstoffmarkt: Wettbewerblichen Rahmen entwickeln statt Innovationen durch Verzerrungen ersticken

Wasserstoff für die Massenmobilität

Foto: H2 MOBILITY

Mit Wasserstoff die Verkehrswende stemmen, das haben sich die Nordländer vorgenommen.  Bremen, Hamburg und die drei Küstenländer einigten sich bereits im letzten Jahr auf eine Wasserstoffstrategie. Mit Wasserstoff, so Dr. Bernd Buchholz, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein, ließe sich die Verkehrswende stemmen. Zwar sei das Einsatzgebiet von Wasserstoff zunächst vor allem die chemische Industrie. Aber langfristig könne H2 auch als Backup für die Stromverssorgung im Gasnetz dienen. Auch im Verkehr auf der Schiene und in der Schifffahrt werde es reüssieren.

Zum Beitrag: Mit Wasserstoff die Verkehrswende stemmen

Der Verband H2-Mobilty baut derzeit die Infrastruktur für Wasserstoff-Fahrzeuge auf. Geschäftsführer Nikolas Iwan sieht einen Massenbedarf für beide Antriebe – batterieelektrisch und per Brennstoffzelle.

Zum Beitrag: Teil des neuen Energiesystems: die Wasserstoff-Infrastruktur für Pkw & Nutzfahrzeuge

Unstrittig: Die Industrie braucht Wasserstoff

Aufgrund der hohen Umwandlungsverluste sieht Dr. Claus Beckmann,  Leiter Energie, Klima und Umweltpolitik bei der BASF, Wasserstoff nicht als Treibstoff im Pkw-Markt. Da sei der elektrische Antrieb im klaren Vorteil. In der Industrie hingegen gebe es in der Dekarbonisierung keine sinnvolle Alternative zum Einsatz von Wasserstoff. Auch Matthias Schlegel, Leiter Fachbereich Wasserstoff im Beratungsunternehmen Fichtner, sieht den Ersatz von chemischen Prozessen durch Wasserstoff in der Industrie als einen zentralen Sektor.

Zum Beitrag: Wasserstoff für eine treibhausgasarme Gesellschaft

Zum Beitrag: Wasserstoff – die große Chance für Deutschlands Schlüsselindustrien

Unter Verweis auf die Wasserstoffstrategie des Landes sieht der Umweltminister von Baden-Württemberg das Rennen um die optimale Einsatzstrategie als noch offen an. „Die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie kann im Verkehrssektor neben der Batterie und anderen Konzepten, wie den synthetischen Kraftstoffen, einen wesentlichen Beitrag für die Zukunft der Automobilwirtschaft leisten.“ Der Hinweis auf die mangelnde Effizienz sei kein entscheidendes Argument. Schließlich seien die Energieverluste bei der Photosynthese mit 99 Prozent noch höher. Niemand zweifele aber daran, dass Photosynthese sinnvoll sei.

Zum Beitrag: Potentiale der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-ähnIndustrie in Baden-Württemberg

Robin Hertenberger von der EnBW empfiehlt bei der Wasserstoffstrategie einen mehrgleisigen Ansatz: Es brauche einen steileren  Pfad beim Anstieg der CO2-Bepreisung. Ferner seinen noch in größerem Maße Investitionszuschüsse nötig, um die hohen Technologiekosten auszugleichen.Dazu sei es ratsa,, über eine Markteinführungsprogramm für Power-to-X-Technologien sowie ein Quto nachzudenken.

Zum Beitrag: Wasserstoff als zentraler Baustein für eine CO2-neutrale Gas- und Energiewirtschaft

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