Mit Wasserstoff die Verkehrswende stemmen

Gastautor Portrait

Dr. Bernd Buchholz

Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein

Dr. Bernd Buchholz (FDP), Jahrgang 1961, ist seit Juni 2017 Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein. Seit 2013 ist er stellvertretender Vorsitzender der FDP Schleswig-Holstein. Der promovierte Jurist war unter anderem Verlagsleiter der Hamburger Morgenpost und des stern, Leiter von Gruner + Jahr Deutschland sowie Vorstandsvorsitzender der G+J AG & Co KG und Mitglied im Bertelsmann-Vorstand. Zwischen 2014 und 2017 war der gebürtige Berliner als Strafverteidiger für die Anwaltskanzlei CausaConcilio in Hamburg tätig.

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26. Februar 2020

Späte Karriere eines verkannten Energieträgers: Jahrelang fristete Wasserstoff ein eher akademisches Nischendasein, wenn es um die Lösung der globalen Energieprobleme ging. Doch seit der Debatte um Klimawandel und Klimaziele erscheint nicht nur für uns im hohen Norden vor allem die Umwandlung von überschüssigem Windstrom in Wasserstoff als ein möglicher Königsweg – vor allem im Verkehrssektor.

Wasser als Kohle der Zukunft

Gerade unsere windreichen Küsten an Nord- und Ostsee sind hervorragend geeignet, die nötige Energie zu liefern.

Dr. Bernd Buchholz

So wirklich neu ist das alles natürlich nicht. Schon vor 150 Jahren fantasierte Jules Verne in seinem Roman „Die geheimnisvolle Insel“ über „Wasser als Kohle der Zukunft“. Das Verfahren dahinter kennt jeder Schüler: Elektrischer Strom fließt über Elektroden in einen Tank voll Wasser, zerlegt das H2O in seine Elemente Wasserstoff und Sauerstoff. Der Wasserstoff lässt sich in Brennstoffzellen anschließend wieder zu Strom machen, zu Methan zum Heizen veredeln oder in Treibstoffe für Flugzeuge oder Schiffe verwandeln.

Das Bestechende daran: Im Unterschied zum Strom aus Leitungen und Batterien wären der Energieträger Wasserstoff und seine Derivate stets dort verfügbar, wo sie gebraucht werden – und das in einer ausreichend hohen Energiedichte. Doch bislang hat das Verfahren „Power to X“ – die Umwandlung von Strom in andere Energieträger – nicht die Labors und Versuchsanlagen verlassen.

Das könnte sich allerdings bald ändern: Lange bevor Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier seine „Nationale Wasserstoffstrategie“ ankündigte, habe ich zusammen mit meinen vier norddeutschen Amtskollegen vergangenes Jahr eine Wasserstoff-Strategie aufgesetzt. Einer der Kerngedanken: Während bisher vor allem der hohe Energiebedarf bei der Gewinnung von Wasserstoff dessen Einsatz unrentabel machte, könnte das bei Nutzung unseres oft überschüssigen Stroms aus Windkraftanlagen schon anders aussehen. Die überflüssige Energie muss dabei nicht vom Stromnetz aufgefangen werden, sondern steht bei Bedarf zur Verfügung und wäre tatsächlich klimaneutral.

Ökologie und Ökonomie als Bestandteile der Strategie

Wir zeigen mit unserer Strategie also einen sehr klaren Weg auf, wie man Ökologie und Ökonomie, also das Erreichen von Klimaschutzzielen einerseits und den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft als Industriezweig andererseits wunderbar verbinden kann. Die Strategie macht vor allem deutlich, wo und wie Wasserstoffpotenziale im Bereich der Industrie und der Mobilität gehoben werden können. Gerade unsere windreichen Küsten an Nord- und Ostsee sind hervorragend geeignet, die nötige Energie zu liefern. Dazu müssen wir in einem ersten Schritt unsere bislang eher auf Laborebene vorhandenen Elektrolyse-Kapazitäten massiv hochfahren, über die grüner Strom in Wasserstoff verwandelt wird. Unser Ziel ist, bis zum Jahr 2025 mindestens 500 Megawatt und bis zum Jahr 2030 mindestens fünf Gigawatt Elektrolyse-Leistung in Norddeutschland zu realisieren.

Das heißt übersetzt in ein konkretes Zahlenbeispiel: Allein mit den 500 Megawatt bis zum Jahr 2025 könnten – rein rechnerisch – 151.000 Pkw mit grünem Wasserstoff versorgt werden. Bei einer Steigerung auf fünf Gigawatt wären das 1,5 Millionen Pkw. Das entspricht übrigens ziemlich exakt der derzeitigen Anzahl in Schleswig-Holstein zugelassener Pkw.

Infrastruktur und Rahmenbedingungen benötigt

Wichtig ist aber vor allem, dass der Bund jetzt die richtigen Rahmenbedingungen schafft.

Dr. Bernd Buchholz

Parallel zum derzeitigen Aufbau von E-Ladesäulen in Norddeutschland arbeiten wir daran, auch entsprechende Wasserstoff-Tankstellen einzurichten. Für Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Hamburg und Bremen halten wir in einem ersten Schritt eine Größenordnung von rund 250 Tankstellen für nötig.

Wichtig ist aber vor allem, dass der Bund jetzt die richtigen Rahmenbedingungen schafft. Und da bin ich vorsichtig optimistisch, denn immerhin haben die Kanzlerin und ihr Wirtschaftsminister ja mehrfach bekräftigt, dass Deutschland zum Vorreiter bei der industriellen Produktion von grünem Wasserstoff werden soll.

Ein Haupt-Einsatzgebiet für Wasserstoff soll zunächst vor allem die chemische Industrie sein, aber Wasserstoff ließe sich auch ins Gasnetz einspeisen. Und eines Tages, da bin ich sicher, werden auch Züge für den Güter- und Personenverkehr oder Schiffe mit Wasserstoff angetrieben.

Doch dazu muss vor allem eine politische Hürde genommen werden: Solange nämlich der Bund die Umwandlung von Windstrom in Wasserstoff mit einer Umlage nach dem Energie-Einspeisegesetz – kurz EEG – belegt, schafft der Staat einen Strompreisbestandteil, der die Wasserstoff-Produktion von vorn herein unwirtschaftlich macht. Das muss schlicht und einfach weg, wenn wir in Deutschland klimapolitisch wie wirtschaftlich erfolgreich sein wollen.

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  1. Raimund

    vor 4 Jahren

    https://www.voestalpine.com/group/de/media/presseaussendungen/2016-07-27-voestalpine-und-verbund-starten-strategische-kooperationsprojekte/?fbclid=IwAR3VIAE0wwL2H7O3UQrU9FW5lk85-vgtv2Mk1oGBGFB1mwOF-hJ9T9G5tDU

  2. Raimund

    vor 4 Jahren

    Ich frage mich immer, woher der Strom herkommen soll.
    Ich brauche auch den Wasserstoff in anderen Bereichen. Zum Beispiel bei der Stahlerzeugung. Voestalpine (Österreich) hat das für sich mal ausgerechnet.
    "Wasserstoffbasierte Stahlerzeugung ist derzeit ein Zukunftsszenario, das aus heutiger Sicht in etwa 20 Jahren Realität sein könnte. Der Konzern würde für die komplette Umstellung seiner Produktion auf erneuerbare Energie rund 33 TWh (Terawattstunden) pro Jahr aus dem externen Netz benötigen, da im Falle einer umfassenden Technologieänderung der Energiebedarf nicht mehr aus eigener Stromproduktion gedeckt werden könnte. Dies entspricht der Leistung von mehr als 30 Großwasserkraftwerken bzw. rund 50 Prozent des gesamten heutigen Strombedarfs Österreichs."
    https://www.voestalpine.com/.../2016-07-27-voestalpine.../

    Wie sieht es denn in Deutschland aus?

    Außerdem brauchen auch andere Industrien Wasserstoff.

    Warum wird nicht erst geschaut, wo es für Wasserstoff, zur Zeit, keine Alternativen gibt und dann gerechnet, wieviel Energie dafür gebaucht wird?

    Wenn wir mehr volatile Energieerzeuger haben, dann müssen wir auch Wasserstoff speichern. Auch hier wieder, wieviel Energie brauchen wir.

    Könne wir nicht erstmal uns um diese Dinge kümmern und dann uns um den Verkehr kümmern?

  3. Torsten Brandes

    vor 4 Jahren

    Man sollte nur wissen, was es kostet. Für 1kWh Wasserstoffenergie muss man fast 3 kWh Elektroenergie aufwenden. Windstrom kostet ca. 10 Cent pro kWh. Bedeutet: 1 kWh Wasserstoffenergie aus Windstrom kostet fast 30 Cent. Auf meiner Stromrechnung steht: Energiekosten: Herstellung und Vertrieb: 6 Cent, Steuern und Umlagen: 19 Cent. Zusammen 25 Cent, incl. MwSt. rd. 30 Cent. Erdgas: Preis ab Grenze ca. 2 Cent pro kWh. Frei Hauszähler: ca. 6 Cent. H2 wird also ganz schön teuer.

  4. Sandra Klinkenberg

    vor 4 Jahren

    TOP!
    Und im nächsten Schritt könnte - bei genügend Speicherkapazitäten - dieser Wasserstoff auch ein Teil zur Grundlastversorgung im allgemeinen Stromnetz dienen ;-)

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