Das erste Element des Periodensystems ist vielseitig einsetzbar. Seine Qualitäten könnten es zum Schlüssel einer funktionierenden Energiewende machen: Sowohl das Transportproblem erneuerbarer Energien aus Nordafrika und dem arabischen Raum, das Speicherproblem in Deutschland hergestellter erneuerbarer Energien als auch das Problem einer klimaschonenden Mobilität könnte damit gelöst werden.
Woran die Energiewende bisher scheitert
[...] Deutschland kommt aktuell weder beim Ausbau der Netze noch beim Ausbau der Speicher hinterher.
Deutschland will parallel aus der Kohle und der Kernkraft aussteigen, Erdgas wird als weiterer fossiler Energieträger kritisch beäugt. Doch die erneuerbaren Alternativen sind überwiegend nicht grundlastfähig. Windkraft funktioniert nur, wenn der Wind weht, Photovoltaik nur wenn die Sonne scheint. Wasserkraft ist in Deutschland aufgrund der topografischen Begebenheiten nicht in ausreichendem Maß verfügbar. Dazu kommt das grundsätzliche Problem, dass der meiste Wind nicht dort weht, wo der Strom gebraucht wird. Diese Herausforderungen sind seit jeher bekannt, doch Deutschland kommt aktuell weder beim Ausbau der Netze noch beim Ausbau der Speicher hinterher.
An manchen Tagen müssen Anlagen wegen Überschussstrom vom Netz genommen werden oder von ausländischen Abnehmern werden negative Strompreise verlangt, damit der Überschuss das Netz nicht überlastet. An anderen Tagen muss für sehr hohe Preise Strom importiert werden. In dieser Situation klingt es geradezu verwegen, auch noch den Strombedarf von 10 Millionen zusätzlichen batteriebetriebenen Elektroautos mit dem Stromnetz abdecken zu wollen.
Die Vorteile der Arbeitsteilung
Wenn man die Realität nüchtern betrachtet, so importiert Deutschland schon heute einen sehr großen Anteil seines Energiebedarfs – nicht unbedingt als Strom, aber beispielsweise als Öl. Doch auch Strom kann an anderen Orten sehr viel günstiger produziert werden. So gibt es beispielsweise in Portugal Photovoltaikanlagen, die teilweise günstiger als 1,5 Cent pro Kilowattstunde produzieren. Doch ein physikalischer Transport über Stromnetze würde hier sicherlich an seine Grenzen stoßen. Anders wäre es mit einem chemischen Speicher wie Wasserstoff: Die Elektrolyse ist inzwischen verlustfrei mit Salzwasser möglich, somit wäre etwa die portugiesischen Atlantikküste ein möglicher Standort für die großindustrielle Produktion von Wasserstoff. Doch in jedem Windpark ließe sich ein Elektrolyseur unterbringen, um Überschussstrom nutzbar zu machen.
Kritiker wenden nun ein, dass ja bei der Herstellung von Wasserstoff Effizienzverluste entstünden. Das stimmt natürlich einerseits. Andererseits wäre selbst bei einem Effizienzverlust von 80% durch die Elektrolyse und den Transport der in Portugal mit Stromgestehungskosten von 1,5 Cent hergestellte Wasserstoff mit einem Gaskraftwerk voll konkurrenzfähig. In der deutschen Debatte wird oft eine nationalistisch geprägte, rein deutsche Perspektive eingenommen. Dabei vergisst man nur allzu leicht, dass Herstellungskosten für Strom weltweit so massiv unterschiedlich sind, dass es sich beispielsweise finanziell lohnt, Bauxit aus Australien an das entgegengesetzte Ende der Welt nach Island zu verschiffen, um es dort zu Aluminium zu verarbeiten.
Vielseitig einsetzbar
Wasserstoff eignet sich dabei nicht nur für den Einsatz als Energiespeicher zur Verstromung. Er ermöglicht auch die klimaschonende Herstellung von Benzin, Diesel oder Kerosin, sogenannten E-Fuels, bei deren Herstellung die gleiche Menge CO2 gebunden wird, wie hinterher bei der Verbrennung freigesetzt wird. Damit könnte man unter Umstände den weltweiten Fahrzeugbestand weit schneller klimaneutral machen, als dies mit einer schleppenden Umstellung auf Batterieautos der Fall wäre. Natürlich lässt sich der Wasserstoff auch unmittelbar im Auto, LKW oder in der Bahn als Energiespeicher einsetzen, so gibt es erste serienreife Brennstoffzellen-Fahrzeuge. Diese haben gegenüber Batterieautos einige praktische Vorteile, so etwa die weit schnellere Betankung und die höhere Reichweite.
Regulatorische Hemmnisse
Wenn wir hier wirklich etwas bewegen wollen, sollten wir das Thema auf europäischer Ebene regeln.
Bevor es so weit ist, müsste jedoch der Staat einige regulatorische Hemmnisse aus dem Weg räumen. Etwa zwingt die Ausgestaltung der CO2-Flottengrenzwerte die Automobilhersteller bisher dazu, auf batteriegetriebene Elektromobilität zu setzen. Die Anerkennung synthetischer Kraftstoffe sowie eine Beimischungsquote könnten jedoch den Markthochlauf für Wasserstofftechnologien stärken und zugleich zahlreiche Arbeitsplätze v. a. in der mittelständischen Zuliefererindustrie erhalten.
Auch die Betreiber der Erdgasnetze haben die Chancen des Wasserstoffs erkannt. Sie legten einen Plan vor, wie sie ihre Rohre für ein deutschlandweites Wasserstoffnetz nutzen könnten. Doch auch hierzu gibt es keine rechtliche Möglichkeit.
Es existiert noch nicht einmal ein europäisches Zertifizierungssystem dafür, welcher Wasserstoff und welcher synthetische Kraftstoff klimaschonend hergestellt wurden.
Anstelle solcher Hemmnisse könnten über die Europäische Investitionsbank und die KfW Wasserstoffprojekte in Südeuropa und im nördlichen Afrika gefördert werden. Am Ende brauchen die Unternehmen, die das dann Umsetzen sollen, jedoch eine Sicherheit: dass der Staat sie auch machen lässt.
Ich gehe sogar noch weiter: Wenn wir hier wirklich etwas bewegen wollen, sollten wir das Thema auf europäischer Ebene regeln. Deshalb habe ich schon vor Monaten im Bundestag eine Europäische Wasserstoffunion gefordert. Spätestens nachdem EU-Kommissar Timmermans die Bundesregierung für ihre Untätigkeit in diesem Feld kritisiert hat, sollte sie den Ball aufnehmen und sich an die Spitze der Bewegung setzen!
Peter Munstermann
vor 4 JahrenEin sinnvoller Artikel und ich frage mich auch wo die grünen sind - denn grüner als Wasserstoff geht es nicht !! (Jedenfalls zu Zeit)
Martin Köpp
vor 4 JahrenWer an der Energiewende wirklich interressiert ist kommt an Wasserstoff nicht vorbei. Energie aus grünem Wasserstoff, das ist die Zukunft, und nichts anderes!