Wärmewende im Gebäudesektor – Eckpfeiler im Klimaschutz, aber noch nicht in der Gesellschaft angekommen

Gastautor Portrait

Alexander Weihe

Leiter Produktmanagement bei Vonovia
13. Dezember 2019
Fassade eines Wohngebäudes
Foto: Vonovia

Wir müssen Wärme klimafreundlicher erzeugen und vor allem effizienter nutzen

Alexander Weihe, Vonovia

Die Wärmewende wird in der öffentlichen Diskussion zum Klimaschutz viel zu stiefmütterlich behandelt – was aufgrund ihrer Bedeutung für die Klimaschutzziele 2050 fatal ist. Wärme macht in Deutschland etwa 50 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs aus. Der Großteil wird in Gebäuden verbraucht und knapp die Hälfte des Endenergieverbrauchs für Wärmezwecke entfällt auf private Haushalte – damit ist der Immobiliensektor Spitzenreiter. Durch diese hohen Werte nimmt der Gebäudebereich bei der Erreichung der Klimaschutzziele eine Schlüsselrolle ein. Darum gilt: Wir müssen Wärme klimafreundlicher erzeugen und vor allem effizienter nutzen.

Als größter Immobilienbestandshalter in Deutschland haben wir eine große ökologische Verantwortung und dieser stellen wir uns durch zahlreiche Maßnahmen. Um das Ziel eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestands in Deutschland bis 2050 zu erreichen, muss allerdings mehr getan werden, auch von Seiten der Politik.

Energie klimafreundlich erzeugen – und nutzen

In Deutschland gibt es etwa 21 Millionen Gebäude, von denen lediglich ein Bruchteil einer energieeffizienten Immobilie entspricht. Vorschriften erzwingen einen enorm reduzierten Wärmeverbrauch bei Neubauten, allerdings ist der Hauptbestand an Gebäuden stark sanierungsbedürftig. So wurden 80 Prozent der Wohnhäuser, die den Großteil aller Immobilien ausmachen, vor 1995 errichtet, bevor die dritte Wärmeschutzverordnung eingeführt wurde. Zwei Drittel stammen sogar aus der Zeit vor 1977 und wurden somit vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung erbaut. Damit sind heute etwa 70 Prozent der Anlagetechnik hierzulande veraltet und 65 Prozent der Fassaden sind gänzlich ungedämmt. Dabei ist ein klimaneutraler Gebäudebestand teilweise mit bereits heute verfügbaren Technologien und Dienstleistungen technisch umsetzbar. Durch Gebäudesanierung kann etwa die Heizenergie älterer Häuser um 80 Prozent reduziert werden, was sich nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich auszahlt. Jedoch müsste die aktuelle Sanierungsquote von einem Prozent mindestens verdoppelt, wenn nicht sogar verdreifacht werden, um die Ziele zu erreichen. Und wir müssen weiter an neuen Technologien forschen, um den Gebäudebestand vollständig sanieren und langfristig CO2-neutral gestalten zu können – und dabei für die Mieter bezahlbar bleiben.

Keine Wärmewende ohne gesellschaftliche Akzeptanz

Wir können nicht auf der einen Seite mehr Klimaschutz fordern und auf der anderen Seite jede Form der Gebäudesanierung ablehnen.

Alexander Weihe, Vonovia

Aktuell stehen wir jedoch vor zwei grundlegenden Problemen, die eine erfolgreiche Wärmewende verhindern und einen engagierteren Einsatz der Politik erfordern. Zum einen besteht der Wohnungsmarkt aus sehr vielen unterschiedlichen Anbietern, die unterschiedliche Möglichkeiten haben. Die Sanierung des Eigenheims ist für Privatleute ein enorm umfangreiches Projekt, das einen hohen finanziellen Aufwand erfordert und viel Zeit in Anspruch nimmt. Es gibt Förderprogramme, die Anreize bieten. Allerdings sind die Ausgaben zunächst enorm und es fehlt die Transparenz der Amortisierung dieser Kosten. Professionelle Anbieter und große Wohnungsunternehmen machen nur einen kleinen Teil der Gesamtheit am Markt aus. Sie haben zwar die größte Investitionskraft, aber eben auch nur einen begrenzten Spielraum.

Zum anderen ist die gesellschaftliche Akzeptanz für Modernisierungsmaßnahmen großer Vermieter wie der Vonovia stark gesunken. Die derzeit größte Herausforderung für uns besteht darin, die für den Klimaschutz notwendigen Maßnahmen durchzuführen, zeitgleich aber daraus resultierende finanzielle Zusatzbelastungen für unsere Mieter so gering wie möglich zu halten. Derzeit scheint es schwierig, in der Bevölkerung die nötige Akzeptanz für energetische Sanierungen zu schaffen. Doch eines ist auch klar: Wir können nicht auf der einen Seite mehr Klimaschutz fordern und auf der anderen Seite jede Form der Gebäudesanierung ablehnen. Ohne einen entsprechenden politischen Willen geht es nicht.

Fernab dieser Problematiken gibt es einen weiteren Hebel, der quasi im „toten Winkel“ dieser Entwicklung ist: Bei Gebäudesanierung geht es eben nicht nur um Wohngebäude. Auch Büros, öffentliche Einrichtungen und Gewerbe müssen mitgedacht werden, wenn wir über energetische Ertüchtigung von Städten reden.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Zahl der zu beachtenden Regularien und Verordnungen immer weiter zunimmt, während die Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen stagniert und dadurch zur Unsicherheit und fehlenden Planbarkeit beiträgt. Auch hier ist die Politik gefragt, wenn es darum geht, die Prozesse durch den Abbau von Bürokratie und den Aufbau von Stellen in den zuständigen Behörden zu beschleunigen.

Was wir leisten und erreichen

Nichtsdestotrotz stellen wir uns der Verantwortung für die Gesellschaft und die Umwelt. 2017 haben wir uns das Ziel gesetzt, jährlich drei Prozent unserer Immobilien zu sanieren. Trotz der aktuell sinkenden Akzeptanz und vor dem Hintergrund, dass wir aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen energetische Sanierungen begrenzen, um finanzielle Mehrbelastungen für unsere Mieter zu vermeiden, halten wir an diesem Ziel fest. Schwerpunkt der Maßnahmen sind die Dämmung von Fassaden, Keller- und Dachgeschossdecken sowie die Erneuerung von Heizkesseln. Im vergangenen Jahr konnten wir unsere Ziele erneut übertreffen und eine Sanierungsquote von fünf Prozent verzeichnen. Es wurden rund 18.000 Wohnungen teil- oder vollmodernisiert und Heizungen ausgetauscht, die rund 13.000 Haushalte mit Wärme versorgen. Durch diese Maßnahmen ist es uns gelungen, 2018 rund 27.300 Tonnen CO2-Emmissionen einzusparen . In vielen Städten spielen wir damit eine Vorreiterrolle.

Unsere große Herausforderung: Dreiklang der Nachhaltigkeit

Klimaschutz ist eine Notwendigkeit und darf nicht zu einer Abwägung werden

Alexander Weihe, Vonovia

Als Unternehmen besteht die große Herausforderung für uns darin, die verschiedenen Facetten der Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Vonovia ist ein DAX-30-Unternehmen, Arbeitgeber von mehr als 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Vermieter für rund eine Million Menschen. Für uns gilt es, ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit zu koordinieren.

Als Vermieter kommt es für uns darauf an, Klimaschutz und faire Mieten gleichermaßen zu fördern. Klimaschutz ist eine Notwendigkeit und darf nicht zu einer Abwägung werden. Daher ist es unsere Pflicht, auch der ökonomischen Nachhaltigkeit den nötigen Stellenwert einzuräumen. Denn für die großen Herausforderungen in Deutschland ist es ebenso wichtig, dass diese von starken Schultern getragen werden.

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