Die Bundesregierung fährt den Klimaschutz in Gebäuden an die Wand

Gastautor Portrait

Barbara Metz

Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH)

Barbara Metz ist seit dem 1. Januar 2017 Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH). 2007 hat Metz, Jahrgang 1981, Ihre Laufbahn bei der Umwelt- und Verbraucherschutz Organisation begonnen. Als Referentin des Bundesgeschäftsführers sowie in ihrer Funktion als stellvertretende Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung waren Themen wie CO2 Minderung im Straßenverkehr sowie Luftreinhaltung auf nationaler sowie auf europäischer Ebene Schwerpunkte. Einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt bildet die Energieeffizienz im Gebäudebereich. 2014 baute Metz den Projektbereich Energieeffizienz auf. Hier liegt der Fokus auf Nachhaltiger Sanierung. Energieeffizienz im Gebäude trägt maßgeblich zur Erreichung der Klimaschutzziele bei. Barbara Metz hat einen Hochschulabschluss der Universität Konstanz in Politologie und Soziologie.

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02. Dezember 2019

In Deutschland gibt es rund 21 Millionen Gebäude und rund 35 Prozent des Energieverbrauchs und 30 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen entfallen hierzulande auf den aktuellen Gebäudebestand. Zum Erreichen der Klimaziele muss der Gebäudesektor bis spätestens 2050 komplett treibhausgasneutral sein.

Der Fahrplan für klimaneutrale Gebäude – Effizienz UND Erneuerbare

Dieses Ziel kann nur mit einer Kombination aus Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und dem Umstieg auf erneuerbare Energien wie Biomasse, Solar- und Geothermie zur direkten Nutzung sowie elektrischen Wärmepumpen und aus Erneuerbaren Energien gespeisten Wärmenetzen gelingen.

Dem Prinzip „Efficiency First“ folgend, sollten zunächst Möglichkeiten zur Energieeinsparung geprüft werden. Jede eingesparte Kilowattstunde muss erst gar nicht produziert, transportiert, importiert werden. Effizienzsteigerungen begrenzen darüber hinaus auch den Mehrbedarf an erneuerbarem Strom, die mittels Sektorenkopplung (z.B. Wärmepumpe) für eine Dekarbonisierung des verbleibenden Wärmebedarfs benötigt werden.

Daraus leiten sich zwei wesentliche Handlungsstränge ab:

  1. Im Gebäudebestand muss die energetische Sanierungsrate von derzeit einem Prozent auf deutlich über zwei Prozent erhöht werden
  2. Neubauten müssen aufgrund langer Investitionszyklen bereits heute so errichtet werden, dass sie mit dem Klimaziel 2050 kompatibel sind

Beim Klimaschutz nicht auf Kurs

Bis spätestens 2050 ist ein vollständig klimaneutraler Gebäudebestand notwendig

Barbara Metz

Leider hat die Bundesregierung den Klimaschutz in Gebäuden jahrelang sträflich vernachlässigt und wird die meisten der selbstgesteckten Ziele nicht erreichen.

Der Wärmebedarf hat sich seit dem Jahr 2008 nur um 6,9 Prozent verringert (Stand 2017; Vgl. Zweiter Fortschrittsbericht der Bundesregierung für das Berichtsjahr 2017, BMWi). Das Ziel der Bundesregierung, eine Reduktion von 20 Prozent bis 2020 gegenüber dem Niveau von 2008, wird damit aller Voraussicht nach deutlich verfehlt.

Die Anteile Erneuerbare Energien im Wärmesektor stagnieren seit Jahren bei rund 14 Prozent. Noch immer werden rund 75 Prozent der Wärme unter Verwendung fossiler Brennstoffe in Öl- oder Gasheizungen erzeugt.

Die Bundesregierung hat sich mit dem jüngst verabschiedeten Klimaschutzgesetz und dem Klimaschutzprogramm 2030 dazu bekannt, das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 zu verfolgen. Demnach muss sie auch ihr Ziel eines „nahezu“ klimaneutralen Gebäudebestandes in 2050 revidieren. Bis spätestens 2050 ist ein vollständig klimaneutraler Gebäudebestand notwendig.

Das Klimapaket und das Gebäudeenergiegesetz: Unzureichend für Klimaziele 2030 und 2050

Das von der Bundesregierung vorgelegte Klimaschutzprogramm 2030 reicht nicht aus, um das Klimaziel 2030 im Gebäudesektor (-66 Prozent der THG-Emissionen), geschweige denn einen klimaneutralen Gebäudebestand in 2050 zu erreichen. Wir fordern daher weitreichende Nachbesserungen und haben dazu Vorschläge in unserem „Sofortprogramm Klimaschutz in Gebäuden“ gemacht. Im Folgenden möchte ich kurz auf die zentralen Punkte eingehen:

  1. Die vorgeschlagene CO2-Bepreisung von anfänglich 10 Euro pro Tonne Fixpreis (mit 5 Euro Steigerung pro Jahr, 2025: 35 Euro, ab 2026 ETS mit Maxpreis von 60 Euro) wird im Gebäudesektor keine Lenkungswirkung entfalten.
    Wir fordern eine CO2-Bepreisung über die Energiesteuern mit einem Einstieg von mind. 60 Euro/Tonne CO2 bereits ab 2020 und einer Steigung auf mind. 205 Euro in 2030 – entsprechend den für das Jahr 2030 berechneten Klimaschadenskosten des Umweltbundesamtes. Für eine sozialverträgliche Ausgestaltung muss die Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau abgesenkt werden und eine Rückverteilung der verbleibenden Einnahmen pro Kopf erfolgen.
  2. Die steuerliche Förderung energetischer Modernisierungsmaßnahmen ist eine der wenigen wirkungsmächtigen Maßnahmen im Klimapaket. Allerdings ist sie auch schon seit 2008 im Gespräch und bisher immer wieder an Bundesländern oder amtierenden Finanzministern gescheitert.Wir fordern die schnelle Einführung ab dem kommenden Jahr, unter der Voraussetzung das die Förderung an eine unabhängige Energieberatung geknüpft wird. Nur dann kann Sanierungsqualität und Sanierungstiefe sichergestellt und Klimaschutzpotenziale gehoben werden. Zudem darf es für fossile Heizsysteme keinerlei Subventionen mehr geben. Das gilt neben Ölheizungen auch für neue Gasheizungen.
  3. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) fasst die bisherige Energieeinsparverordnung, das Energieeinspargesetz und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz zusammen. Allerdings schreibt das GEG lediglich die energetischen Anforderungen nach EnEV 2016 fort. Erst im Jahr 2023 soll die nächste Überprüfung der geltenden energetischen Standards erfolgen.Damit ist jedes in den nächsten Jahren errichtetes Gebäude eine verpasste Chance für den Klimaschutz. Wir fordern daher die die unverzügliche Anhebung der Effizienzanforderungen für Neubauten auf mindestens KfW 40 Standard. Zudem muss auch die Sanierungstiefe im Bestand deutlich erhöht werden. Bei Vollsanierungen muss der Zielstandard KfW-Effizienzhaus 55 verbindlich festgelegt werden. Mit einem individuellen Sanierungsfahrplan kann dies auch schrittweise geschehen.
  4. Auch das Verbot für neue Ölheizungen ab 2026 ist gar keines: Es enthält zahlreiche Ausnahmen und Hybridlösungen sind auch nach 2026 in Neubau und Bestand möglich. Damit könnte dann eine neue Ölheizung in Kombination mit einer Solarthermie weiter eingebaut werden.Wir fordern ein Verbot neuer Ölheizungen ab 2020 sowie ein Verbot neuer Gasheizungen ab 2025. Aufgrund ihrer langen Lebensdauer ist ihr Einsatz mit dem Ziel eines treibhausgasneutralen Gebäudebestands deutlich vor 2050 nicht vereinbar. Die häufig diskutierte Substitution von fossilem Öl oder Gas durch synthetische Brennstoffe bedarf zu viel Strom auf Basis Erneuerbarer Energien, die effizienter direkt genutzt werden sollte.
Die acht Punkte des "Sofortprogramm Klimaschutz im Gebäudebereich" der Deutschen Umwelthilfe.

Grafik: DUH

Klimaschutz und Sozialverträglichkeit zusammen denken

[...] die Klimaziele können nur erreicht werden, wenn die Sozialverträglichkeit und damit die Akzeptanz von energetischen Modernisierungen erhöht werden kann

Barbara Metz

Neben gesteigerten Ambitionen für mehr Klimaschutz in Gebäuden muss auch die Frage des bezahlbaren Wohnens stärker in den Fokus gerückt werden. Denn die Klimaziele können nur erreicht werden, wenn die Sozialverträglichkeit und damit die Akzeptanz von energetischen Modernisierungen erhöht werden kann. Grundsätzlich kann und muss die energetische Gebäudemodernisierung einen Beitrag für bezahlbares Wohnen leisten. Dies gilt insbesondere für den Mietwohnungsbereich. Denn die Energiepreise steigen seit Jahren und werden es auch weiter tun. Darum sind energetisch un- und teilmodernisierte Gebäude besonders stark von Steigerungen der Wohnkostenbelastung betroffen. Energetisch modernisierte Gebäude haben langfristig den Vorteil, dass die Wohnnebenkosten insb. die Heizkosten stabil bleiben oder vergleichsweise gering steigen.

Allerdings ist der Status quo bei der Finanzierung der energetischen Modernisierung im Mietwohnungssektor problematisch: Mieter*innen finanzieren energetische Modernisierungsmaßnahmen nahezu allein über die Modernisierungsumlage. In der Praxis bedeutet dies eine Erhöhung der Kaltmieten. Eine Refinanzierung über eingesparte Heizkosten findet oft nicht statt. Das ist ungerecht, treibt die Mieten nach oben und senkt die Akzeptanz für energetische Modernisierung.

Deshalb müssen künftig Wege gefunden werden, die Kosten des Klimaschutzes gerecht auf Mieter*Innen, Vermieter*Innen und öffentliche Hand zu verteilen. Dazu müssen sowohl Förderpolitik als auch die mietrechtlichen Rahmenbedingungen verändert werden. Die Spielräume zur Mieterhöhung für Vermieter*Innen müssen deutlich gesenkt werden. Im Gegenzug müssen durch öffentliche Fördermittel und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten Anreize für  Vermiet*innen geschaffen werden, in energetische Modernisierungsmaßnahmen zu investieren. Werden diese nicht mitgedacht, besteht die Gefahr, dass die dringend notwendige Dynamik für energetische Gebäudemodernisierung im Mietwohnungsbestand ausgebremst wird.

Um die Klimaschutzziele im Gebäudesektor erreichen zu können und um mittel- und langfristig dafür zu sorgen, dass Wohnen auch bei steigenden Energiekosten bezahlbar bleibt, müssen zahlreiche vermietete Bestandsgebäude energetisch ertüchtigt werden. Im gemeinsamen Projekt „Mieterschutz trifft Klimaschutz“ (MietKlimaSchutz) möchten die Deutsche Umwelthilfe e.V. und der Deutsche Mieterbund e.V. aufzeigen, dass und unter welchen Voraussetzungen sozialverträgliche Gebäudemodernisierungen in der Breite umsetzbar sind.

Diskutieren Sie mit

Bei unserem nächsten Debatten-Abend mit dem Thema „Stiefkind der Energiewende: die Wärme“ ist Barbara Metz auch als Gast bei der Podiumsdiskussion dabei.

Die Debatte können Sie am Veranstaltungstag ab 19:00 Uhr per Livestream online verfolgen. Den Link dazu veröffentlichen wir wenige Tage vorab auf der Veranstaltungsseite.

Diskutieren Sie mit

  1. Stefan Luther

    vor 5 Monaten

    Woher soll das enorme Kapital kommen um diese gigantische Sanierung vorzunehmen ?
    Im Grunde müssen 81% der Gebäude saniert werden, der Umfang ist höchst unterschiedlich.
    Viele Eigentümer können das gar nicht bezahlen, auch nicht mit Fördergeldern.
    Bei vielen Objekten ist eine Sanierung auch nicht mehr wirtschaftlich, es rechnet sich schlichtweg nicht, aber das Wohnen ist günstig, vor allem wenn es sich um ältere Menschen handelt. Im Fall der Vererbung gibt es nichts mehr zu vererben. Die Erben müssten sogar das Erbe ausschlagen, ansonsten müssen sie sogar noch einen teuren Abriss zahlen.
    Dies in Zeiten von Wohnungsknappheit und einer immer älter werdenden Bevölkerung.
    Hinzu kommt, auch die Sanierung erzeugt gigantische CO2 Mengen, entweder durch Abriss oder die Baustoffe.
    Ich kenne zwei konkrete Fälle, wo man schnell die Gasetagenheizungen noch erneuert hat, denn eine damit verbundene Änderung des Heizsystem und der energetischen Sanierung hätten den Ruin der Eigentümer bedeutet. Davon gibt es viele Objekte. Eigentlich eine Enteignung, zumindest ein enormer Wertverlust.
    Selbst Experten aus dem Baubereich sehen den Zeitraum als viel zu eng, auch wenn er aus Sicht des Klimas begründet sein mag, faktisch ist dies aber nicht leistbar. Vor allem das Kapital fehlt Vielen, dazu der Handwerkermangel und sicher auch noch Materialengpässe der gigantische Kostensteigerungen.
    Eine Lösung ist so kaum in Sicht, zumal nach einer Sanierung auch die Mieten steigen, den nur große Wohnungsgesellschaften können die Refinanzierung über einen längeren Zeitraum planen.
    Ich selber sollte das Mehrfamilienhaus meiner Eltern übernehmen, mit 60 viel zu spät, bei postiver Betrachtung (ohne energetische Sanierung) wäre ich mit Anfang 80 schuldenfrei, bis dahin nur Kosten und das Mieterrisiko, ich habe das ablehen müssen. Der Fehler meiner Eltern war, sehr geringen Mieten zu verlangen, das führte aber dazu, dass im Alter das Geld für Sanierungen fehlte. Das Haus hat nie Gewinne gebracht, lediglich günstiges Wohnen war gegeben, dies ist aber nicht das Ziel einer Mietimmobilie.
    Wo soll die Lösung aussehen ? Bei besten positiven Gedanken, sehe ich dies nur bei langfristigen Umsetzung und gesonderten Abschreibung, damit es sich für Eigentümer überhaupt lohnt, sonst verzichtet man besser auf Mieteinnahmen und lässt das Haus langsam verkommen, was gerade auf dem Land deutlich zu beobachten ist,

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