Von Sonntag, den 6. November 2022, an blickte die Welt gespannt nach Sharm El-Sheikh, zur 27. UN-Klimakonferenz. Die „Conference of the Parties“ rang um eine internationale Einigung über den Umgang mit dem Klimawandel. Neben Zehntausenden von Verhandlungsführenden, Regierungsvertretenden, Unternehmen und Bürger*innen waren auch führende Politiker*innen nach Ägypten gekommen, um zu verhandeln. Unsere Energie-Reporterin Sara Grambs von der NGO Young European Leadership, einer gemeinnützigen und überparteilichen Non-Profit Organisation, war in Sharm El-Sheikh und berichtet auf unserem Blog von Ihren Eindrücken, Hoffnungen und Wünschen für die Konferenz.
Am 20. November 2022 endete die COP27 nach zwei Wochen intensiver Verhandlungen mit mehr als 190 Ländern und präsentiert der Welt das zugehörige Entscheidungsdokument, den sogenannten „Sharm el-Sheikh Implementation Plan“.
Viele Beteiligte sind froh, dass dieses Ergebnis erzielt wurde, da die multilateralen Verhandlungen in diesem Jahr durch geopolitische Ereignisse erschwert wurden.
Für diplomatischen Herausforderungen auf der diesjährigen Konferenz sorgten, unter Anderem, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die zunehmenden Spannungen zwischen China und Taiwan bis hin zu den Massenprotesten von Frauen* im Iran und viele weitere politische Hintergründe. Auch die fatale Menschenrechtslage in Ägypten, der lebensbedrohliche Hungerstreik des politisch inhaftierten Menschenrechts- und Demokratieaktivisten Alaa Abdel-Fattah, die unrechtmäßige Inhaftierung von dutzenden Umweltaktivist*innen durch das ägyptische Regime und das strenge Demonstrationsverbot heizten die Stimmung vor Ort auf.
Zudem bedrückte viele Teilnehmende der COP27 ein unsicheres Gefühl der Beobachtung. Tatsächlich stellte sich nach den ersten Tagen der Konferenz heraus, dass die von der ägyptischen Regierung bereitgestellte COP27-Informations-App gefährliche Spyware beinhaltete (1). Obwohl die ägyptische Regierung dies dementiert, hätten so die privaten Nachrichten und Mails von zehntausenden Delegierten ausspioniert werden können (1).
Zum einen werden tiefgreifende strukturelle Veränderungen in globaler Wirtschaft und Gesellschaft gefordert, zum anderen bleibt es schwierig, sich international auf etwas Anderes als immer nur den kleinsten Nenner zu einigen.
In vielen Phasen schien eine Einigung zwischen den Parteien unmöglich. In den letzten Stunden vor der Ergebnisverkündigung rangen die Länder noch um einzelne Worte, stritten sich über das Temperaturziel von 1,5 °C, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und die Rechte indigener Völker (2). Auf der Agenda stand auch der Schutz der Natur und die Gestaltung einer „just transition“( gerechter Übergang) zu bezahlbarer grüner Energie für die Zivilbevölkerung und denjenigen, die wirtschaftlich von fossilen Brennstoffen abhängig sind (2).
Und obwohl sich das alles so anhört, als würde man ein Rezept für eine diplomatische Katastrophe schreiben, kam es trotzdem noch zu einer Einigung auf das ratifizierte Endprodukt der Klimaverhandlungen.
Doch was genau steht denn nun in diesem „Sharm el-Sheikh Implementation Plan“? Und wird er dem Motto der COP27 „Together for just and ambitious implementation now!“ (Gemeinsam für eine gerechte und ambitionierte Umsetzung jetzt!) gerecht?
Die Reaktionen auf den „Sharm el-Sheikh Implementation Plan“ fallen ganz unterschiedlich aus.
Auf der einen Seite gibt es Stimmen, die die COP27 als „große Enttäuschung“ (3) betiteln, auf der anderen Seite wird von „historischen Durchbrüchen“ berichtet (4). Von Anderen wird sogar daran gezweifelt, ob der langwierige Prozess der Klimakonferenzen überhaupt noch sinnvoll und der Situation angemessen ist (5). Gleichzeitig starten schon jetzt die eifrigen Vorbereitungen für die COP28, die in 2023 in Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate, stattfinden wird.
Insgesamt spiegeln die Ergebnisse der COP die turbulenten und widersprüchlichen Zeiten wieder, in denen wir heute leben. Zum einen werden tiefgreifende strukturelle Veränderungen in globaler Wirtschaft und Gesellschaft gefordert, zum anderen bleibt es schwierig, sich international auf etwas Anderes als immer nur den kleinsten Nenner zu einigen. Dazu kommt das hohe Tempo, mit dem sich Klimakatastrophen ausbreiten und die wachsende Not, endlich gemeinsame Lösungen zu finden.
Der „Sharm el-Sheikh Implementation Plan“ ist in der Tat nichts anderes als ein großer Kompromiss der Forderungen von allen beteiligten Parteien. Einen großen historischen Durchbruch mit der neuen Regelung zu „Loss and Damage“ konnten insbesondere die Länder und Gesellschaften verzeichnen, die besonders stark von Klimakatastrophen getroffen werden. Gleichzeitig wird die Grundursache des Klimawandels, die Emissionen die den Treibhauseffekt anheizen, unzureichend bekämpft. Die beschlossenen Maßnahmen, die Emissionen reduzieren sollen sind eindeutig zu niedrig und können nicht garantieren, dass der Klimawandel nicht weiterhin beschleunigt wird.
„Loss and Damage“
Hier geht es nicht darum, Almosen anzunehmen […] Dies ist eine Abschlagszahlung auf eine Investition in unsere Zukunft und in Klimagerechtigkeit.
Bei der Bewältigung der durch die Auswirkungen der Klimakrise verursachten „Loss and Damage“ (Verluste und Schäden) wurden mehr Fortschritte erzielt, als es viele für möglich hielten. So wurde bis zur nächsten COP im Jahr 2023 die Implementierung einer finanziellen Unterstützungsstruktur für die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen zugesagt. Es wird geschätzt, dass die Kosten für Reparaturen nach extremen Wetterereignisse auf über 200 Milliarden Dollar jährlich ansteigen werden.
Dieses Ergebnis ist ein historischer Durchbruch, da eine finanzielle Regelung for „Loss and Damage“ schon seit 1992 insbesondere von einkommensschwachen Ländern und Entwicklungsländern gefordert wurde. Zuvor hatten die USA und die EU diese Entscheidung jahrelang mit dem Argument blockiert, dass es besser wäre, bestehende Klima- und Entwicklungsfonds für diese Entschädigungsfinanzierung zu nutzen. Am Ende der COP27 stimmten sie dem Kompromiss jedoch endlich zu – unter der Bedingung, dass einkommensstarke Länder wie China, Saudi-Arabien und andere Golfstaaten zu den Zahlern und nicht die Empfängern der finanziellen Wiedergutmachung zählen werden.
Bis zur nächsten COP28 werden die technischen Details für diese finanzielle Unterstützung ausgearbeitet und es wird diskutiert, wer genau in diesen „Loss and Damage“-Finanzierungsfonds einzahlen muss und wer im Falle von Klimakatastrophen Geld daraus erhält. UN-Generalsekretär Antonio Guterres lobt diesen Erfolg und merkt an, dass es ein „wichtiger Schritt in Richtung Gerechtigkeit“ für arme Länder sei, die kaum zum Klimawandel beigetragen haben, aber unter den schlimmsten Auswirkungen leiden (2).
Die Klimawandelministerin Pakistans, Sherry Rehman, begrüßt die Vereinbarung und merkt an: „Hier geht es nicht darum, Almosen anzunehmen […] Dies ist eine Abschlagszahlung auf eine Investition in unsere Zukunft und in Klimagerechtigkeit.“ (2). Erst vor einigen Monaten wurde Pakistan zum neuen Sinnbild von den Verlusten, Schäden und Zerstörungen, die die Klimakatastrophe in Entwicklungsländern verursachen kann. Und auch ein Sinnbild davon, wie notwendig es ist, schnellstmöglich finanzielle Unterstützung zum Wiederaufbau der betroffenen Gebiete und zur Entschädigung der Verluste von Gemeinden und Familien zu bekommen.
Es ist daher längst überfällig und für die Zukunft unabdingbar, dass die stärker klimagefährdeten Nationen nicht auf den guten Willen der reichen Staaten angewiesen sind. Ein verpflichtender „Loss and Damage“-Fonds ist in der Lage, nach jeder Katastrophe finanzielle Hilfe zu leisten und so den Betroffenen der Krise effektiver und schneller helfen zu können.
Öl, Gas und das 1,5°C-Ziel
Wir sind enttäuscht, dass wir nicht [mehr] erreicht haben […] Wir sind alle zu kurz gekommen.
In Sharm el-Sheikh wurde viel über die Effekte des Klimawandels diskutiert, jedoch weniger darüber, wie man die zugrunde liegenden Ursachen bekämpft: die Nutzung von fossilen Energieträgern. Das Ergebnisdokument fordert so beispielsweise nur einen „Phasedown“ (schrittweises Herunterfahren) der Nutzung von Kohleenergie, fordert dies jedoch nicht explizit von der Öl- und Gasnutzung. Das 1,5°C-Ziel wurde im Klimadeal angesprochen, jedoch nur im Zusammenhang mit der Zielsetzung der Erreichung des Pariser Abkommens. Dieses Paradox führt zu Unsicherheit und Vertrauensverlust in der Bevölkerung. Um das 1,5°C-Ziel überhaupt noch erreichen zu können, müssen sich die Länderregierungen so schnell wie möglich von der fossilen Energieindustrie verabschieden und die erneuerbaren Energien fördern. Als eine der Ursachen für dieses Versagen wurde die Anwesenheit von über 630 Vertreter*innen der Lobby der fossilen Brennstoffe kritisiert, darunter die Chefs von den Mega-Konzernen BP, Total und Shell. Solange jedoch fossile Brennstoffe nicht aus dem Energiemix entfernt werden, gibt es keinen Beweis dafür, dass die globalen Temperaturen zukünftig nicht noch weiter steigen werden. Frans Timmermans, der Vizepräsident der Europäischen Kommission, ist frustriert über die zu schwachen Ergebnisse: „Wir sind enttäuscht, dass wir nicht [mehr] erreicht haben […] Wir sind alle zu kurz gekommen“.
Im Bezug auf die erneuerbaren Energien konnte die COP kleine Erfolge verzeichnen: Die Anzahl an Deals über „grüne“ Energien konnten die der umweltschädlichen Energien dieses Jahr übertrumpfen. Heutzutage sind erneuerbare Energien bereits in zwei Dritteln der Welt günstiger als fossile Energien, unter anderem in vielen Ländern mit wachsender Wirtschaft, wie Brasilien, Südafrika, Kenya und Vietnam.
Beteiligung der Jugend auf der COP27
Die COP27 brachte mehr als 45.000 Teilnehmer*innen verschiedener Hintergründe zusammen, um Ideen und Lösungen auszutauschen und Partnerschaften und Koalitionen im Kampf gegen die Klimakrise aufzubauen. Eine bedeutende Rolle spielten indigene Völker und lokale Gemeinschaften, die Zivilgesellschaft und Städte.
Insbesondere Jugendliche und Kinder hatten dieses Jahr eine stärke Stimme und höhere Beteiligung als jemals zuvor. So forderte der UN-Klimasekretär Simon Stiell die Länderregierungen auf, dass man nicht nur den von jungen Menschen vorgeschlagenen Lösungen zuhören müsse, sondern diese auch in die Entscheidungsfindung und Politikgestaltung einbeziehen sollte (4).
Quellen
- Thomas Reuters Foundation (2022): I Spy? COP27 delegates wary of Egyptian surveillance app. Online verfügbar unter https://www.reuters.com/business/cop/i-spy-cop27-delegates-wary-egyptian-surveillance-app-2022-11-17/.
- Harvey, Fiona et al. (2022): Cop27 agrees historic ‘loss and damage’ fund for climate impact in developing countries. Online verfügbar unter https://www.theguardian.com/environment/2022/nov/20/cop27-agrees-to-historic-loss-and-damage-fund-to-compensate-developing-countries-for-climate-impacts.
- AlJazeera (2022): ‘Not enough for people and planet’: Critics denounce COP27 deal. Online verfügbar unter: https://www.aljazeera.com/news/2022/11/20/not-enough-for-people-and-planet-critics-denounce-cop27-deal.
- UN Climate Press Release (2022): COP27 Reaches Breakthrough Agreement on New “Loss and Damage” Fund for Vulnerable Countries. Online verfügbar unter https://unfccc.int/news/cop27-reaches-breakthrough-agreement-on-new-loss-and-damage-fund-for-vulnerable-countries.
- McGuire, Bill (2022): The big takeaway from Cop27? These climate conferences just aren’t working. Online verfügbar unter https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/nov/20/big-takeaway-cop27-climate-conferences-arent-working.
- King, Ed (2022): COP27: Final Analysis, Quotes and Contacts. Newsletter auf Anfrage verfügbar über: https://gsccnetwork.org/index.html.
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