Bei der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ und bei der Kernenergiekommission hat es funktioniert. Politisch wie gesellschaftlich umstrittene Themen wurden in beratende Kommissionen delegiert, in denen Fachleute, Verbände und Politik um einen Konsens rangen und diesen auch am Ende vortragen konnten. Wird das auch bei der Kohlekommission gelingen? Oder wird die Kommission für „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, wie die Kohlekommission amtlich heißt, mit ihrer Aufgabe überfordert? Gerade einmal ein halbes Jahr steht dem Gremium zur Verfügung, einen Vorschlag zu unterbreiten, wie a) der Kohleausstieg auf eine Zeitschiene zu setzen ist, b) der Strukturwandel in den betroffenen Kohlerevieren auf den Weg gebracht werden kann und c) Beschäftigung und Klimaschutz zusammenkommen können.
Jahrelange Blockaden in der Umwelt- und Klimapolitik

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Die immense Aufgabenfülle und der Zeitdruck, unter dem die Kommission zu arbeiten hat, sind das Ergebnis jahrelanger Untätigkeit der Politik. Und ebenso Ausdruck der Unfähigkeit der Großen Koalition, offensichtliche Zielkonflikte zu lösen. Spätestens als Deutschland Ende 2015 dem Pariser Klimaschutzabkommen beitrat, muss allen Beteiligten klar gewesen sein: Mit einer einfachen Fortschreibung des Status quo wird Deutschland seine internationalen Verpflichtungen nicht erfüllen können. Noch nicht einmal die Vorgaben der EU. Doch die verantwortlichen Akteure waren gelähmt durch die Konflikte in den eigenen Parteien und innerhalb der Großen Koalition. Diese Blockaden haben dafür gesorgt, dass nach dem erneuten Ausstiegsbeschluss aus der Kernenergie 2011 keine Bundesregierung energiepolitische Entscheidungen von größerer Bedeutung mehr auf den Weg gebracht hat.
Sobald mehr neben dem BMU noch ein anderes Ministerium mit einem Thema befasst war, gab es in der Umweltpolitik keinen Fortschritt. Weder bei den Nitraten im Grundwasser noch bei Stickoxiden und Feinstäuben.
Die Bedeutung der Kohlekommission kann nicht hoch genug eingeschätzt werden
Trotz Klimaschutzplan 2050 und Beitritt zum Pariser Klimaabkommen – energiepolitisch herrschte Stillstand. Die Zahlen sind entsprechend. Angesichts der Kosten, die die Verbraucher tragen müssen, ist das messbare Ergebnis beim Klimaschutzes ein Desaster. Und jetzt soll die Kohlekommission das muddling through mit einem Schlag beenden? Die Antwort ist so banal wie zwingend: Sie muss.
Schon die Zusammensetzung des 31 Köpfe umfassenden Gremiums wird dafür sorgen, dass bei den Tagungen der Kommission kein Argument unter den Tisch fallen wird.
Unter den ein 31 Mitgliedern sind Gegner eines klimafreundlichen Ausstiegs ebenso vertreten wie dessen Befürworter. Industrie, Wirtschaft und Gewerkschaften sitzen mit am Tisch. Dazu Vertreter der Braunkohle-Regionen und Umweltverbände sowie Klimawissenschaftler. Den Vorsitz teilen sich vier Personen. Drei der Kohle verpflichtete Männer, alles ausgewiesene Polit-Profis, stehen einer Professorin gegenüber, die als Umweltökonomin die einzige Person im Vorsitz mit einer ausgewiesenen Expertise im Klimaschutz ist. Diese eine Seite begünstigende Verteilung ist ein – wahrscheinlich politisch gewollter – Konstruktionsfehler der Kommission.
Trotzdem: Die Bedeutung der Kohlekommission kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Nach dem Versagen der Politik wird die Kommission für lange Zeit die letzte Chance sein, den energie- und klimapolitischen Stillstand zu überwinden. Schafft dieses Gremium es nicht, einen für alle Seiten tragfähigen Kompromiss zu erarbeiten, wird Deutschland wahrscheinlich nie wieder im internationalen Kontext eine Führungsrolle in der globalen Klimapolitik übernehmen können. Dieser Bedeutungsverlust wird nicht zu letzt in der Europäischen Gemeinschaft zu spüren sein.
Kein neues Brennholz, an dem sich die Gegner der Energiewende die Hände wärmen können
Man kann der Kohlekommission nur viel Erfolg bei ihrer schwierigen Arbeit wünschen.
Und noch eine weitere Aufgabe wird die Kommission so ganz nebenbei stemmen müssen: Den Glauben daran zu erhalten, dass die gewählten Vertreterinnen und Vertreter des Volkes in der Lage sind, komplexere Herausforderungen, deren Auswirkungen weit in die Zukunft reichen, im Interesse der ganzen Gesellschaft zu lösen. Und sei es wieder einmal mit Hilfe einer Kommission.
Das Sommertheater, das in Sachen Migration zur Aufführung kam, war nur ein Stück Brennholz mehr für das Feuer, an dem sich die Populisten und Gegner der Demokratie die Hände wärmen. Die Gegner der Energiewende, die Klimaskeptiker und Leugner der wissenschaftlichen Erkenntnis: Sie alle stehen schon in den Startlöchern. Sollte die Kohlekommission scheitern, werden sie ein rauschendes Fest feiern und Material die nächste Bundestagswahl sammeln. Schon deshalb wird jeder Kompromiss, den die Kohlekommission erreicht, besser sein als kein Ergebnis.
Und eines sei vorhergesagt: Weder die Ökologen noch die Bergleute werden in die Hände klatschen, wenn die Kommission Bericht erstattet. Herauskommen wird ein Kompromiss. Es wird schnelle Stilllegungen von Kraftwerken der Größenordnung einiger Gigawatt geben, großzügige Hilfen für den Strukturwandel in den Bergbauregionen, vielleicht konkrete Vorschläge dazu und hoffentlich Instrumente, die für eine sichere und marktnahe Emissionsminderung in den nächsten Jahren sorgen. Zudem wird die Kommission das Thema der Sektorkopplung und damit auch die Power-to-Gas-Technologie aufgreifen müssen.
Dank des Erfolges der Erneuerbaren: Der Einfluss der Kohlemänner ist begrenzt
In diesem Sinne kann man der Kohlekommission nur viel Erfolg bei ihrer schwierigen Arbeit wünschen. Und denen, die – wie der Autor selbst – auf eine drastische Minderung der CO2– Emissionen, einen schnellen Kohleausstieg und die deutsche Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens hoffen, sei gesagt: Das kann die Kommission in dieser Zusammensetzung genauso wenig leisten wie die Fortführung der Kohleverstromung bis zum St. Nimmerleinstag.
Bei aller Schmach, die Ökologen und Klimaschützer politisch erleiden müssen, finden wir Trost, wenn wir auf den Markt blicken. US-Präsident Trump hatte seinen Anhängern versprochen, wieder für Jobs in der Kohle zu sorgen. Er hat einiges dafür getan, doch sein Erfolg geht gegen Null. Die technischen Innovationen rund um die erneuerbaren Energien und die sinkenden Preise sorgen dafür, dass die USA trotz Trump über kurz oder lang aus der Kohle aussteigen werden. Die Sache mit dem geplanten Neubau von Atomkraftwerken hat der Markt schon länger entschieden. Ohne Ausstiegsbeschluss. Und auch in Deutschland geht in diesem Jahr die Verstromung der Kohle zurück. Trotz des Einflusses der Kohlemänner.
Update vom 12.07. um 16.15h
Andreas Wernsing
vor 7 JahrenGuter Artikel, welcher die Interessenverteilung innerhalb der Kommission recht gut darstellt, wobei es interessant wäre, noch mehr über die genaue Verankerung der drei Herren innerhalb der Kohleindustrie zu erfahren.
Die Frage, welche sich darüberhinaus stellt, ist, wie bestehende Interessen (welche regional an Monopole grenzen, z.B. in der Lausitz) berücksichtigt werden können, um den Übergang zu privat, d.h. zu Hause, erzeugter Energie auf den Weg zu bringen.
Klaus-Peter Romberg
vor 7 JahrenDas ist die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler. Parteien setzten ihr Programm um das vorher gewählt wurde
Johann Christl
vor 7 JahrenDie Quecksilberbelastung durch Kohlekraftwerke ist weltweit betrachtet, in Deutschland am größten.
Johann Christl
vor 7 Jahren89 Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Deutschland. Verträge werden ignoriert und gebrochen, wie beim Feinstaub, oder der Grundwasserverschmutzung durch Überdüngung. Umwelt- und Gesundheitsschutz sind in Deutschland schon lange gestrichen.
Johann Christl
vor 7 JahrenTrump sagt, ich steige aus dem Klimaschutz aus! Merkel ignoriert die Beschlüsse zum Klimaschutz und mache nichts! Wo liegt der Unterschied?
Mareike Roszinsky
vor 7 JahrenDazu passt unser Blog sehr gut: https://www.energie-klimaschutz.de/bedeutung-der-kohlekommission/. Neben den Ergebnissen, die die "Kohlekommission" erzielen muss, wird am Ende die Zusammensetzung des Erzeugungsparks über die Frage gelöst, ob die nötige Infrastruktur steht. Nur dann kann man auf die großen Kraftwerke verzichten und die Erneuerbaren können die Verantwortung übernehmen. Eine zentrale Rolle spielen die Verteilnetze dabei.