Rohstoffstrategien: Weniger Autos!

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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05. April 2023

Deutschland ein Land der Waldarbeiter.

Hubertus Grass über den hohen Bestand SUV

Acht Milliarden Menschen auf der Welt verfügen „nur“ über 1,3 Milliarden Pkw. In Deutschland ist die Fahrzeugdichte fast vierfach so hoch. 48,8 Millionen Pkw stehen 81 Millionen Einwohnerinnen zur Verfügung. Deutschland ist Autoland. Die deutsche Automobilindustrie gehört zu den Schlüsselindustrien. Mögen die Deutschen weiterhin viele Autos kaufen und die ganze Welt auch nach der Umstellung auf Elektromotoren möglichst Luxusschlitten „Made in Germany“ nachfragen: Darauf hoffen Politik und Wirtschaft. Im Schwerpunkt „Rohstoffe – neue Partner, alte Abhängigkeiten“ wurden viele Aspekte der Rohstoffpolitik erörtert. Eine Abnahme des Verbrauchs gehörte nicht dazu. Wäre der Punkt „Weniger Autos“ kein sinnvoller Teil  einer Rohstrategie?

Weniger Autos!

Der globale Fahrzeugbestand wächst rasant. Die deutsche Fahrzeugdichte wird bei anhaltendem Wachstum in 40 Jahren erreicht.

Weniger Autos!

Wer heute weniger Autos fordert, läuft Gefahr politischen Suizid zu begehen.

Hubertus Grass

Weniger Autos! Das hat schon mal ein Ministerpräsident gefordert.Seither ist es still um diesen Wunsch geworden, obgleich die Forderung angesichts der Herausforderungen aktueller wäre denn je. Die politische Stimmung in Deutschland ist aufgeheizt. Klimaschutz spielte sich bisher mehr in der Welt der Kraftwerke ab. Jetzt kommt der Klimaschutz zwangsweise ins Haus und in die Wohnung. Es geht ums Geld. Die zusätzlichen Belastungen in Folge des Angriffskrieges auf die Ukraine machen diese Diskussion auch nicht einfacher.

Wer heute weniger Autos fordert, läuft Gefahr politischen Suizid zu begehen. Seit dem Kretschmannschen Diktum sind 13 Jahre vergangen. Und mit jedem Jahr seither wurde die Forderung richtiger. Nicht nur bei der Anzahl haben die Pkws enorm zugelegt, auch bei ihrer Größe und ihrem Gewicht. Mehr Kilos auf die Waage brachten die Pkws zunächst wegen zusätzliche Technik (über ca. 40 Elektromotoren verfügt ein modernes Auto.), mehr Bequemlichkeit (bessere Sitze), mehr Platz und mehr Leistung. Mehr Gewicht ist gleich bedeutend mit einem höheren und auch komplexeren Rohstoffverbrauch.

Zunahme von Gewicht und Rohstoffverbrauch

Adipositas, die übermäßige und krank machende Gewichtszunahme beim Menschen, befiel auch unsere Pkws. Dass aus dem Pkw ein Geländewagen wurde, hatte für die Industrie gleich mehrere Vorteile. Die Platzprobleme beim Einbau von teuerer Sonderausstattung fielen weg. Mit den SUV stiegen die Preise und – das ist der zentrale Grund für die Ausbreitung der SUV – die Margen der Hersteller überproportional. Autos, die früher nur Förster fuhren, haben jetzt einen Anteil von fast 50 Prozent an der Produktion deutscher Hersteller.  Deutschland ein Land der Waldarbeiter.

Der erste Golf kam mit einem Leerewicht von 700 kg aus. Heute ist das durchschnittliche (!) Neufahrzeug drei Mal so schwerund verbraucht eine entsprechend große Menge an Rohstoffen in der Produktion.

E-Mobility hat viele Vorteile. Der Rohstoffverbrauch gehört nur bedingt dazu. Die mehrere hundert Kilo schweren Batterien erhöhen Materialverbrauch und Gewicht der Fahrzeugflotten zusätzlich. Und mit der Elektromobilität beschleunigte sich die Digitalisierung der Pkws. Die vielen tausend Liter Sprit, die ein Verbrenner im Laufe des Autolebens braucht, fallen beim Elektroauto weg. Das ist ein unschätzbarer Vorteil auch im Hinblick auf den Rohstoffverbrauch.

Der Ressourcenbedarf der Automobilproduktion

Eisen, Aluminium, Kupfer, Zink und weitere Metalle werden in großen Mengen in deutschen Autos verarbeitet. Mehr als ein Viertel des in Deutschland verarbeitenden Stahl geht in die Automobilindustrie. Beim Zink liegt der Anteil bei fast 50%.

Und Autos brauchen Beton in Gestalt von Straßen, Parkplätzen, Garagen, Parkhäusern. Jeden Tag (!) steigt der Bedarf an Verkehrsflächen, die in Deutschland hauptsächlich dem Auto vorbehalten sind, um 8 Hektar. Dabei haben wir schon Straßen im Überfluss. Mit über 830.000 Kilometern Länge besitzt Deutschland eines der dichtesten Straßennetze weltweit.

Eine Debatte mit blindem Fleck

An anderer Stelle zu sparen, wäre ein naheliegender Gedanke.  Politik und Wirtschaft sind sich einig, diesen Gedanken nicht zu denken.

Hubertus Grass

Es ist nicht die Absicht, den Streit über den motorisierten Individualverkehr an dieser Stelle fortzuführen. Die Fronten sind verhärtet. Als Ministerpräsident Kretschmann 2011 weniger Autos forderte, ging es um Verkehrs- und Umweltpolitik. Hier und heute sind die knapper werdenden Rohstoffe das Thema. Mit Verwunderung ist festzustellen, dass auch an dieser Stelle die Frage nach einer möglichen Verbrauchsreduzierung keinerlei Rolle spielt. Stattdessen, meint nicht nur der BDI,  sollten wir noch unerschlossene Rohstoffquellen in der Tiefsee erschließen.

 

Die zentralen Punkte der Rohstoffstrategien von Wirtschaft und Politik drehen sich um die Diversifikation der Quellen und damit der Reduzierung der Abhängigkeit von China, die Erhöhung der Eigenversorgung durch Bergbau in der EU und den – nun endlich ernsthaften? – Einstieg in die Recyclingwirtschaft. Jeder dieser Punkte ist eine Megabaustelle. Nicht heute, nicht morgen und auch nicht in wenigen Jahren zu lösen. Dazu kommen die politischen Forderungen eines Bergbaus, der grüner, einem Handel, der gerechter werden und Außenwirtschaftsbeziehungen, in denen die Menschenrechte an Bedeutung zulegen sollten. Und auch die entwicklungspolitische Forderung, Schluss zu machen mit der Ausbeutung der Bodenschätze im kolonialen Stil, hat ja ihre Berechtigung. Warum keine Autoproduktion in Afrika?

Die Strategien sind von dem Bemühen gekennzeichnet, dass irgendwie alles so weitergeht wie bisher. Zusätzlich brauchen wir für die Transformation mehr Rohstoffe. Mehr braucht auch der Wohnungsbau. Und die Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr wird unsere Nachfrage nach kritischen und knappen Rohstoffen noch einmal erhöhen. An anderer Stelle zu sparen, wäre ein naheliegender Gedanke.  Politik und Wirtschaft sind sich einig, diesen Gedanken nicht zu denken.

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