War watt? Zur Sommerpause legt der Kolumnist ein Geständnis ab

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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30. Juli 2018
Illustration von Bergen, Wasser und Solaranlagen

Mitte der 80er Jahre schrieb ich meinen ersten Beitrag zum Thema Klimawandel. Gegenstand war eine Rezension eines Sammelbands zum Treibhauseffekt. Ich lobte das Buch und empfahl es den Leserinnen und Lesern. Doch schon damals war ich nicht unvoreingenommen. Wenn im Sommer die Sonne zu sehr brannte, kam ich mit dem Studium, wenn überhaupt, nur schleppend voran. Temperaturen über 25 Grad beeinträchtigen meinen Denkapparat und setzen ihn in eine Art Dämmerzustand. Ich bin dann unfähig, konzentriert zu arbeiten, kann mir nichts mehr merken, geschweige denn etwas zu Papier bringen. Es wird Zeit für ein Geständnis: Mein Einsatz für den Klimaschutz wird im hohen Maße von persönlichen Interessen geleitet.

Klimaschutz in eigener Sache

Nicht nur unser Kolumnist ist bei diesem Wetter am Ende, sondern auch die Farbskala der Meteorologen. In Südspanien gehen die Temperaturen dieser Tage Richtung 50°. Dunkelrot reicht nicht mehr. Jetzt wird es grau.

Seit damals habe ich hunderte von Beiträgen aller Art über den Klimawandel, Klimaschutz und eine zukunftsweisende Energiepolitik geschrieben. Ich habe auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Zusammenhänge und die offensichtlichen Folgen unseres Handelns und mögliche Alternativen hingewiesen. In Diskussionen, wenn meine Gesprächspartner die langfristigen Konsequenzen unserer Energiepolitik absolut nicht verstehen wollten und sich hinter kurzfristigen ökonomischen Argumenten verschanzten, bin ich dann auch mal emotional geworden. Die meisten haben mir das nachgesehen, weil sie dachten, ich würde mich uneigennützig für eine Sache einsetzen.

Ich habe viele Gesprächspartner, Leserinnen und Leser bei der Angabe meiner Motive getäuscht. So uneigennützig, wie es schien, ist mein Engagement nicht. Bei tropischen Temperaturen kann ich nur sehr schlecht schlafen. Und mittags laufe ich dann herum, als hätte ich zum Frühstück schon eine Flasche Wein getrunken. Ich kann bei der Hitze weder Sport treiben noch Leistung am Schreibtisch erbringen. Transpirieren – mehr als das bekomme ich bei Temperaturen jenseits von 30 Grad nicht hin. Der Kampf gegen den Treibhauseffekt ist auch mein ganz persönliches Ding.

Ich liebe den Mittelmeerraum. Schon während des Studiums habe ich mich mehrfach in Spanien rumgetrieben. Aber immer nur zwischen Oktober und April. Im Juli und August stiegen die Temperaturen in Sevilla auf  über 40 Grad – mich würde das in einen Zustand versetzen, der dem des Gehirntods nicht unähnlich wäre.

Solidarität und Bewunderung für alle Hitzeresistenten

Entschuldigen muss ich mich auch bei jenen Diskussionspartnern, mit denen ich über die Euro-Rettung und die Griechenland-Krise debattierte. Meine Argumente für den Erhalt der Eurozone und die Transfers waren, davon bin ich heute mehr denn je überzeugt, allesamt nicht falsch. Doch auch hier wird es Zeit für ein Geständnis: Erstens mag ich die Griechen. Und ich habe es immer bewundert, dass sie in der Gluthitze, die im Sommer in Athen herrscht, überhaupt noch dazu fähig sind, etwas fürs Bruttosozialprodukt und die Verwaltung des Landes zu tun.

Aus den gleichen Gründen habe ich die Lega Nord schon zum Zeitpunkt ihrer Gründung verabscheut. Für mich ist es mehr als nachvollziehbar, dass das Bruttosozialprodukt in Norditalien wesentlich höher ist als im Süden des Landes. Meine persönliche Solidarität galt immer den Bewohnern des Südens, die in dieser Hitze arbeiten und freundlich gegenüber den Touristen sein müssen.

Heiß begehrte Kilmawissenschaftler

Noch so ein Sommer wie dieser und ich packe meine Sachen

Unser Kolumnist

Der Sommer, wenn er so unbarmherzig zuschlägt wie in diesem Jahr, ist eine Periode, in der ich wenig von der Welt mitbekomme. Die einzigen längeren Texte, die ich bei Hitze lesen kann, sind Kriminalromane. Mir wurde zugetragen, dass in Berlin der Streit in der Koalition sehr emotional geführt wurde. Na endlich, dachte ich. Endlich wird mal über den Klimawandel mit vollem persönlichem Einsatz gestritten.

Meine Freude währte nur kurz. Der emotionale Streit hatte ein anderes Thema zum Gegenstand. Ich glaube, es ging um Flüchtlinge. Wahrscheinlich ist mein Verständnis für flüchtende Menschen auch nicht ganz frei von persönlichen Erfahrungen. Noch so ein Sommer wie dieser und ich packe meine Sachen. Ich habe noch einen Freund auf Grönland.

Rund um den Globus herrscht eine große Dürre. In Fernsehen und Radio, in den Printmedien, im Internet – überall gehören dieser Tage Klimawissenschaftler zu den begehrtesten Gesprächspartnern. Nur von der Regierung hört man in dieser Sache nix. Ob die Mitglieder des Kabinetts resistenter gegen die Hitze sind als ich?

Ab in die Sommerpause

Ich wünsche nicht nur dem Bundeskabinett, sondern auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einen erholsamen August. Wenn Sie wissen wollen, wie es mit dem Wetter weitergeht, lesen Sie die einschlägigen Aufsätze und Monographien aus den 1980ger und 1990ger Jahren über den Klimawandel. Das Wetter des Sommers 2018 wurde damals schon ziemlich gut beschrieben. Und auch über Fluchtursachen und Fluchtbewegungen, die uns noch bevorstehen, können Sie in den alten Schinken eine Menge erfahren. Wenn schon bei uns die Nahrungsmittelproduktion drastisch sinkt, braucht es nicht viel Fantasie für die Folgen, die der Klimawandel in Afrika anrichtet. (Entscheiden Sie bitte selbst, ob mein Argument zutrifft oder nur vorgeschoben ist, um meinen Interessen Nachdruck zu verleihen.)

Die Stiftung macht jetzt Pause. Wir melden uns mit neuen Veröffentlichungen am 3. September wieder. Als Themen haben wir uns im Herbst die Akzeptanz der Energiewende sowie die Weltklimakonferenz in Katowice vorgenommen. Wollen Sie selbst mal bei uns schreiben oder einen Autor oder eine Autorin vorschlagen? Schreiben Sie einfach eine Mail an kontakt@energie-klimaschutz.de. Wir freuen uns.

Kommen Sie gut durch den Sommer!

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  1. Windmüller

    vor 6 Jahren

    Herr Grass - man muss Dinge positiv sehen. Meine Solarthermieanlage auf dem Dach liefert seit Monaten genug Wärme, so dass Spülmaschine und Waschmaschine, welche am Warmwasser angeschlossen sind, weniger Strom benötigen. Die Photovoltaik wird dieses Jahr alle Rekorde brechen. Mein E Auto lade ich, wenn die Sonne scheint. Normalerweise fahre ich die 14 Kilometer zur Arbeit mit dem Rad. Ich gestehe aber, dass mir bei 37 Grad im Schatten das Verlangen nach sportlicher und klimafreundlicher Fortbewegung abhanden gekommen ist. Mein Brötchengeber ist auch nicht untätig, und investiert in Klimaschutz. Ein großes Blockheizkraftwerk in Verbindung mit einem 6000 Liter Speicher wird derzeit installiert. Alles in allem schöne Ferien bis zum September.

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