Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Lieferketten

Gastautor Portrait

Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
15. Juni 2021

Leben funktioniert in Kreisläufen. Auch das Wirtschaften beruhte über Jahrtausende auf dem Prinzip des Kreislaufes. Die Abkehr davon begann langsam mit dem Aufkommen des Bergbaus und erreichte mit dem Beginn der industriellen Revolution eine Geschwindigkeit und ein Ausmaß, das uns heute vor substantielle Probleme stellt. Wir werden der Vermüllung nicht mehr Herr. Und die Preise der Rohstoffe steigen. Die Bedingungen, unter denen Rohstoffe abgebaut oder Produkte hergestellt werden, geraten in den Fokus des öffentlichen Interesses. Während das soeben verabschiedete Lieferkettengesetz die Unternehmen verpflichtet, für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrer Beschaffung verantwortlich zu sein, wollen NGOs mehr. Sie fordern eine umfassende Verantwortung der Wirtschaft in Sachsen Nachhaltigkeit. Daher seien beim Einkauf auch ökologischen Kriterien einzuhalten. Offenbar wächst das Bewusstsein, das wir die Prinzipien des Lebens einhalten müssen, um zu überleben. Auch die Wirtschaft öffnet sich für die Diskussion.

Begriffsklärung Kreislaufwirtschaft und Status quo

Stell dir vor, dass Kinder in 2050 in ihren Geschichtsbüchern das Wort Müll lesen und ihre Lehrerin fragen »Was bedeutet dieses Wort?«

https://crclr.org/de/ueber-uns/zirkulaere-wirtschaft

Ziel der Kreislaufwirtschaft (zirkuläre Ökonomie oder englisch Circular Economy) ist die Initiierung von Kreisläufen, bei denen – im besten Fall – kein Müll entsteht. Alles wird wieder verwendet und nach Aufarbeitung wieder in neu in den Kreislauf wieder eingebracht. So sollen die natürlichen Ressourcen geschont werden.

Kreislaufwirtschaft (und nicht der Verzicht auf Pestizide) war die Grundidee der ökologischen Landwirtschaft. Noch heute arbeitet sie nach diesem Prinzip. Dass die Betriebsmittel wie Maschinen, Diesel und Computer kein Teil des Kreislaufs sind, mag man kritisieren. Im Vergleich zur konventionellen Erzeugung oder gar zu Industrie und Gewerbe schneidet der Öko-Landbau in Sachen Betriebskreisläufe aber hervorragend ab.

Der Kreislaufgedanke ging in der Industrialisierung weitgehend verloren. Das zentrale Gesetz der Abfallwirtschaft in Deutschland heißt zwar Kreislaufwirtschaftsgesetz. Es konnte aber bisher wenig daran ändern, dass unsere Abfallmenge wächst. Zumal eine wie auch immer geartete Wiederverwendung (sog. „Downcycling“), dem Kreislaufgedanken widerspricht. Zirkuläre Wirtschaftsmodelle erfüllen den Anspruch von Nachhaltigkeit erst, wenn sie sich vorrangig am Prinzip der Vermeidung von Ressourcen orientieren. Erst dann folgen Wiederverwendung, Reparatur und Recycling.

Addiert man alle Fraktionen des Abfalls in Deutschland einschließlich dem aus Gewerbe und Industrie sowie den ungenutzten Abraum hinzu, ergibt das die unglaubliche Menge von 417.197.000.000 kg oder 5.214 kg pro Kopf. Sogenannte Siedlungsabfälle, die vom städtischen Entsorger eingesammelt werden, machen mit über 600kg/Person und Jahr nur einen Teil unserer Abfallmenge aus.  Folglich gilt: Die Vermüllung zu beenden und in die Kreislaufwirtschaft einzusteigen, ist ebenso nötig wie herausfordernd.

Kreislaufwirtschaft als Chance

In der Wegwerfgesellschaft werden die Klimaziele nicht zu erreichen sein. „Take, make waste“, wie es auf Englisch heißt, bedeutet auch eine Verschleuderung von Energie und Ressourcen, die wir in einer  klimaneutralen Wirtschaft hinter uns lassen müssen. Zarte Ansätze für die Kreislaufwirtschaft gibt es auch außerhalb der ökologischen Landbaus: Repaircafés, Kleidertauschbörsen oder andere Initiativen wurden wegen ihrer wirtschaftlich geringen Bedeutung von den Ökonomen meist eher belächelt. Zunehmend wächst aber die Zahl jener Unternehmen, die Kreisläufe als ressourcen- und kostenschonendes Prinzip in ihre Produktion  integrieren. Und jetzt merkt selbst die Großindustrie, dass einerseits die Wegwerfgesellschaft an ihr Ende kommt, weil die planetaren Ressourcen begrenzt sind. Und es sich andererseits wirtschaftlich lohnt, mit knappen Gütern schonend umzugehen. Im Megatrend Kreislaufwirtschaft finden Ökologie und Ökonomie zusammen. Darin liegt eine Chance, die es jetzt zu nutzen gilt.

Zirkuläre Geschäftsmodelle

Langlebige, reparierbare Produkte, deren Komponenten unter menschenwürdigen und ökologisch vertretbaren Bedingungen hergestellt wurden, sind ein hehres Ziel.

Gefördert vom Bundeswirtschaftministerium haben 130 Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und von NGOs eine Roadmap „Circular Economy Roadmap für Deutschland“ vorgelegt. In drei Schritten sollen in der nächsten Dekade die Voraussetzungen für eine Umstellung der deutschen Wirtschaft geschaffen werden. Wie können möglichst langlebige, reparierbare Produkte entwickelt, designt  und produziert werden? Finden diese Produkte einen (Welt-)Markt? Wie lässt sich eine Recyclingkultur und -infrastruktur etablieren? Die Studie geht diesen Fragen nach. Wir werden sie im Rahmen unseres Schwerpunktes vorstellen.

Langlebige, reparierbare Produkte, deren Komponenten unter menschenwürdigen und ökologisch vertretbaren Bedingungen hergestellt wurden, sind ein hehres Ziel. Die Umstellung wird zu einer Mammutaufgabe in einer Welt, die sich an das exakte Gegenteil gewöhnt hat. Ob Moden oder Trends: Ganze Industrien leben vom schnellen Wechsel, in der die Gebrauchsgegenstände von gestern schon morgen ausgemustert und bestenfalls weiter gereicht werden. Besonders schnell schlägt dieser Rhythmus bei digitalen Geräten, die – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – weder reparierbar sind noch sinnvoll recycled werden können. Andererseits: Auch bei den neu zu entwickelnden Prozessen beim Aufbau der Kreislaufwirtschaft wird die Digitalisierung eine zentrale Rolle spielen: Es gilt eine Unmenge an Daten zu erheben und auszuwerten. Auch Zirkularität will gemessen und verglichen werden.

Nachhaltige Lieferketten

Kein Staat, auch nicht die EU, wird es vermögen, die Kreislaufwirtschaft im Alleingang umzusetzen. In einer global agierenden Ökonomie bedarf es globaler Lösungen. Selbst ein relativ einfacher Mechanismus wie die Einführung eines Pfandsystems für Produkte scheitert, wenn sich zumindest die großen Industrienationen nicht einig sind. Ein Zwangspfand in Höhe von 10 Prozent des Verkaufspreises eines Handys würde die Recyclingquote bei diesem Produkt schlagartig erhöhen. Eine entsprechende Vorschrift würde aber umgehend als Handelshemmnis beklagt werden. Sowohl die Hersteller als auch globale Händler wie Amazon, Alibaba und Co. sähen die Freiheit des Marktes in Gefahr.

Wie ist es beispielsweise um die Nachhaltigkeit unseres Ketchups bestellt? Sind da Tomaten aus Spanien drin? Durch die Überbeanspruchung der lokalen Wasserreserven u.a. durch die Landwirtschaft drohen dort Naturschutzgebiete von europäischem Rang trocken zu fallen. Muss der Einkäufer der Tomaten diesen Zusammenhang kennen? Zudem soll es mit der Einhaltung der Menschenrechte auf den Plantagen in Andalusien auch nicht zum Besten stehen. Können wir schon von einer nachhaltigen Lieferkette ausgehen, wenn die Ingredienzien eines Produktes aus der EU kommen?

Die Effekte der Kreislaufwirtschaft

Bei Produkten des Alltags wie Kleidung, Haushaltsgeräten oder Möbeln ist offenkundig, dass eine Verdopplung der Lebenszeit und ein auf das Recycling optimiertes Design den Ressourcenverbrauch mit einem Schlag mehr als halbieren. Weitaus größere Effizienzgewinne wären in einer Branche wie der Bauwirtschaft zu holen. Die verarbeitet knappe Güter wie beispielsweise Sand in unvorstellbaren großen Mengen. Beton, nach wie vor der Baustoff Nummer 1, ist in der Herstellung äußerst energieaufwändig und lässt sich kaum recyclen.

Am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung PIK hat man jetzt untersucht, wie man Zement und Stahl des Betons durch Holz ersetzen könnte. Hier könnte ein neuer Wirtschaftszweig entstehen, bei dem Häuser die Funktion einer Kohlenstoffsenke übernehmen.

Ebenso von Bedeutung dürfte sein, dass möglichst viele Verbraucherinnen und Verbraucher sich der Endlichkeit der Ressourcen bewusst werden. Baumwolle oder Wolle, Bio-Shirt oder aus konventionellem Anbau, fair gehandelt? Welches T-Shirt erfüllt den Anspruch an Nachhaltigkeit am besten? Im Zweifelsfall ist es jenes Dutzend, welche schon im Schrank liegt.

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