Klimaschutz und wirtschaftliche Transformation – neue Umfrage, neuer Schwerpunkt

Gastautor Portrait

Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
23. September 2019

Transformationen gehören zur Marktwirtschaft wie die Räder zum Auto. Wir kennen sie aus der Geschichte und haben sie, je nach eigenem Alter, mehrfach selbst erlebt. Auslöser sind mangelnde Wettbewerbsfähigkeit oder technische Innovationen. Ganze Branchen können Transformationen durchlaufen. So unterlag die Musikindustrie – von der CD bis zu den Streaming-Diensten – gleich mehrfach einem Anpassungsdruck. Auch ganze Regionen durchlebten Transformationen, als die vorherrschende Industrie (Saarland, Ruhrgebiet, Küste) ihre internationale Konkurrenzfähigkeit verlor.

Transformation: Gestalten oder gestaltet werden

Exogene Einflüsse und die regionalen Anpassungsinstrumente: Infrastruktur, Innovation und Institutionen.

Darstellung nach: Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI)

Transformationsprozesse können langsam und abgefedert verlaufen (Beispiel: Einstellung des Steinkohlebergbaus an der Ruhr und der Saar) oder äußerst schnell und – für die betroffenen Arbeitskräfte – dann brutal in ihren Auswirkungen. Disruptive Prozesse haben wir bei den Mobilfunkgeräten (Übergang zum Smartphone) und bei den Kameras (von analog zu digital) erlebt. Auch der Niedergang der Solarindustrie in Deutschland verlief disruptiv.

Ein Großteil der Beschäftigten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR empfand die Transformation von der sozialistischen Staats- zur Marktwirtschaft als einen entwürdigenden Prozess. In bestimmten Alters- und Berufsgruppen hatten die Menschen keine Chance, sich durch Umschulung, Weiterbildung oder gar Umzug auf die Veränderungen einzustellen. Die Transformation von der Staats- zur sozialen Marktwirtschaft drängte Millionen aus dem aktiven Arbeitsleben.

Erstmalig: Umweltschutz treibt eine Transformation an

Mit der Energiewende erleben wir erstmals eine Transformation, die weder durch die Wettbewerbsfähigkeit noch durch Innovation, sondern durch den Umweltschutz angetrieben wird. Bisher sind die Auswirkungen dieser Transformation auf den Strommarkt begrenzt. In einer langjährig anhaltenden Konjunktur waren die großen Unternehmen der Energiewirtschaft stärker von den Auswirkungen betroffen als die Beschäftigen, die in der Mehrzahl auf andere Branchen ausweichen konnten.

Aber: Der Umbau der Stromversorgung von den fossilen auf die erneuerbaren Energieträger ist nur der Anfang der gegenwärtigen Transformation. Mit dem Klimaschutz haben wir bisher nur zaghaft begonnen. Im gesamten Verkehrssektor, in der energieintensiven Industrie, in Wirtschaft und Gewerbe, beim Wohnen, in der Landwirtschaft und nicht zuletzt im privaten Konsum steht uns die Transformation noch bevor. Und, man braucht nur auf die aktuelle Entwicklung beim Klimawandel zu schauen – der Veränderungsprozess wird enorm an Tempo zulegen. Ja, zulegen müssen! Auch das sog. Klimapaket verfehlt weit die Anforderungen, die das Pariser Klimaabkommen an uns stellt.

Nach Jahren der relativen Untätigkeit braucht es jetzt mehr Tempo denn je

Der Kompromiss der so genannten Kohle-Kommission war nicht mehr als der Versuch, einen Teil der Transformation sozial und strukturell zu gestalten. Vor allem ist es der Versuch, solche gesellschaftliche Erosionsprozesse zu verhindern, die heute im Osten der Republik immer noch messbar sind.  Weil die Zeit mehr und mehr drängt, wächst mit jedem Tag des Abwartens die Gefahr, dass es zu einer chaotischen Transformation kommt:

  • Beispiel Automobilindustrie: Im Glauben, die eigentliche Transformation in Richtung einer nachhaltigen Mobilität mit alter Technik und neuer Software verzögern zu können, stehen die Hersteller jetzt vor umso größerem Veränderungsdruck.
  • Beispiel Forst- und Landwirtschaft: Seit Jahrzehnten reden wir über den Waldumbau und eine Landwirtschaft, die wieder mehr mit der Natur im Einklang steht. Erst jetzt, wo wir das Wetter erleben, das die Klimawissenschaft seit 30 Jahren prognostiziert, scheinen Regierung und Verbände langsam den Ernst der Lage zu begreifen.

Die Wucht des Wandels wird überall spürbar sein

Es braucht keine prophetischen Gaben für die Vorhersage, dass die Wucht des wirtschaftlichen Wandels, der durch den Klimawandel erzwungen wird, von bisher unbekannter Stärke sein wird. Dafür sprechen einerseits der erwähnte Zeitdruck und andererseits die Vielzahl der zu bearbeitenden Baustellen. Denn es werden nicht nur alle Sektoren des wirtschaftlichen Lebens, sondern auch unsere kulturellen Gewohnheiten durch die Transformation betroffen sein. Ob die Produktion von Stahl und Beton, unsere nächste Urlaubsreise oder das Fleisch für die Grillparty: Die Wirkungen der Veränderungen werden wir überall spüren können.

Gestaltungsanspruch funktioniert nur über die EU

Nur als EU haben wir die Option, die globale Transformation mit zu gestalten

Die wirtschaftlichen Folgen hängen im entscheidenden Maße davon ab, mit welcher Kraft und Intensität wir den Prozess beeinflussen wollen. Mehr denn je wird es darauf ankommen, dass Europa als einheitlicher Akteur im globalen Wettbewerb auftritt. Weil Klimaschutz und Digitalisierung als Transformationskräfte parallel auftreten, wären die europäischen Nationalstaaten allein als Konkurrenz zu den USA und China machtloser denn je.

Nur als EU haben wir die Option, die globale Transformation mit zu gestalten. Es gibt heute keinen europäischen Internetkonzern von Weltrang. In China gehen derzeit pro Jahr mehr Anlagen der Erneuerbaren Energien ans Netz, als wir in den vergangenen 20 Jahren insgesamt gebaut haben. Wenn wir morgen noch über die Produktion von Automobilen und Windkraftanlagen verfügen wollen, müssen wir uns heute sputen, als Europäer den Wandel zu gestalten. Bevor das andere für uns erledigen.

Umfrage als Einstieg

In unserem neuen Schwerpunkt werden sich unsere Gastautorinnen und -autoren mit den verschiedenen, sektoralen, regionalen, technischen und politischen Facetten der Transformation beschäftigen. Wir wünschen wir uns eine rege Diskussion hier auf unserer Plattform und in den sozialen Medien. Wie immer beginnen wir mit einer Umfrage:

Klimaschutz und wirtschaftliche Transformation: Wie schätzen Sie die Chance ein, dass wir den Wandel jetzt noch gestalten können?

Für Anmerkungen zur Umfrage bitte die Kommentarfunktion benutzen.

Diskutieren Sie mit

  1. Gerhard Dörhöfer

    vor 4 Jahren

    Wenn China und Indien nicht voran gehen können wir nichts bewirken.Es kostet nur Geld und viele Arbeitplätze bei uns in Deutschland.

  2. Bernhard Klauscher

    vor 4 Jahren

    Kompletter Unsinn den sie verfassen. Nur Wohlstnd bringt Frieden und Entwicklung.Das Bevölkerungswachstum ist nur durch Wohlstand in den Griff zu bekommen! Europa ist dazu das beste Beispiel. Umwelt ist nur dann was Wert wenn ich in Wohlstand leben kann. Zurück zur Scholle ist der verkehrte Ansatz!

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

Klimaschutz und wirtschaftliche Transformation – neue Umfrage, neuer Schwerpunkt
5
5