Erfahrungsbericht: Wie nachhaltig ist die COP28 in Dubai?

Stella Naima Guglielmi

Master Sustainable Resource Management an der TU München

Da der Klimawandel keine Grenzen kennt, dürfen auch Lösungsansätze für dessen Bekämpfung bzw. Anpassung keine aufweisen. Stattdessen bedarf es interdisziplinärer Herangehensweisen, die politische, wirtschaftliche, soziale und naturwissenschaftliche Aspekte ausgewogen berücksichtigen. Als Studentin des MSc Sustainable Resource Management an der TUM interessiere ich mich für und suche ich nach eben diesen transdisziplinären Antworten auf die Klimakrise. Dabei stütze ich mich auf meinen breit aufgestellten Ausbildungsweg: Mein Bachelorstudium in Wirtschafts- und Kulturwissenschaften mit Nebenfach Geographie und das jetzige Masterstudium an der TUM im Bereich der Nachhaltigkeit ergänzen sich sinnvoll und vermitteln mir ein interdisziplinäres und realitätsnahes Verständnis der globalen Herausforderungen, aber auch Chancen, die der Klimawandel heute und künftig birgt.

weiterlesen
06. Dezember 2023
Bild: cop28.com

Die Zeit ist gekommen: Die Conference of the Parties (COP) findet derzeit in Dubai statt. Die COP ist eine jährliche Versammlung im Rahmen der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), bei der Länder im Kampf gegen den Klimawandel und dessen Folgen zusammenarbeiten.

Die Vision von Nachhaltigkeit

Manche sehen dies als "sign of success", andere als eine gefährliche Ablenkung vom eigentlichen Ziel, nämlich dem Kampf gegen den Klimawandel

Stella Naima Guglielmi über die steigenden Teilnehmerzahlen bei der COP

In diesem Bericht gehe ich der Frage nach, wie nachhaltig die COP in Wirklichkeit ist, insbesondere die COP28, die laut eigenen Angaben darauf abzielt, ein „sustainable and carbon neutral event“ zu sein. Nachdem ich die Gelegenheit hatte, dieses Jahr persönlich teilzunehmen und mir einen Überblick zu verschaffen, stütze ich mich bei meiner Evaluierung auf subjektive Erfahrungen und Beobachtungen unter Einbezug eigener Internetrecherche und Inhalten der offiziellen COP-Seite. Laut der offiziellen COP28-Seite folgt die Konferenz verschiedenen Prinzipien sozialer, wirtschaftlicher und umweltrelevanter Natur. Das klingt zunächst vielversprechend. Doch welche Versprechen wurden beworben und letztlich wirklich eingehalten bzw. umgesetzt?

Ein wichtiger Begriff, der auf der Webseite unter der ´sustainability policy` häufig fällt, ist „carbon neutral“. Klimaneutralität bedeutet, dass der Ausstoß von Treibhausgasen, insbesondere Kohlendioxid (CO2), in einem Prozess oder einer Aktivität vollständig kompensiert wird. Einzuschätzen, inwiefern die Klimaneutralität auf der COP in Dubai wirklich gegeben ist, ist für mich in der Tiefe natürlich schwer zu erfassen. Zumindest scheint es ein ehrgeiziges und vielversprechendes Ziel zu sein, das die richtigen Signale sendet.

Tatsache ist jedoch, dass die COP28 mehr als 70.000 Menschen aus aller Welt versammelt, von denen der Großteil weite Anreisen mit dem Flugzeug unternommen hat. Im Falle zahlreicher Spitzenpolitiker sogar im Privatjet. Über die Jahre ist die Teilnehmerzahl der COP kontinuierlich und dieses Jahr sogar drastisch angestiegen. Die Meinungen diesbezüglich sind gespalten. Manche sehen dies als „sign of success“, andere als eine gefährliche Ablenkung vom eigentlichen Ziel, nämlich dem Kampf gegen den Klimawandel. Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass vergleichbare Menschenmassen auch für vergangene Großveranstaltungen mobilisiert wurden, wenn auch mit deutlich geringerer öffentlicher Empörung. Alleine für das WM-Finale letzten Jahres in Katar flogen zwischen 40 und 50.000 Menschen rund um den Globus. Nur geht es bei der COP28 um sehr viel mehr als Freizeitsport und Geschäfte, nämlich um die Zukunft der Menschheit, des Planeten und seiner Diversität. Nichtsdestotrotz scheint es absurd, dass die COP dieses Jahr gerade in Dubai stattfindet. Im Jahr 2018 wiesen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) die weltweit höchsten CO₂-Emissionen pro Kopf auf. Dubai, das bevölkerungsreichste Emirat mit über 3 Millionen Einwohnern, trug maßgeblich zu diesem hohen Wert bei. Ein gewisser Widerspruch lässt sich also kaum negieren. Doch auch hier wird argumentiert, dass sich die Abhaltung der Klimakonferenz in einem wohlhabenden Stadtstaat wie Dubai positiv auf die Bereitstellung von finanziellen Mitteln und Ressourcen auswirken könnte.

Umweltfreundliche Maßnahmen und ihre Wirksamkeit

Aus persönlichen Beobachtungen kann ich bestätigen, dass auf der COP28 in Dubai einige sichtbare Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit getroffen wurden. Dazu gehören zum Beispiel der Einsatz kleiner elektrobetriebener Wägen, mit denen zahlreiche Gäste auf dem großflächigen Expo-Gelände täglich von A nach B transportiert werden, sowie die Aushändigung einer kostenlosen Metro-Karte an alle Teilnehmer*innen für das gesamte U-Bahnnetz Dubais. Das Versprechen „a range of transport options that are affordable, accessible, convenient, comfortable, and sustainable for traveling to and from the COP28 site“ bereitzustellen, ist also soweit gut umgesetzt. Andererseits deuten die riesigen Bildschirme und zahlreichen schicken Lichtshows sowie -effekte auf dem Gelände, die ich die letzten Tage beobachten konnte, darauf hin, dass die COP sehr energieintensiv sein muss. Die wichtigste, aber für mich unbeantwortete Frage lautet hier wohl: Stammt die für die Klimakonferenz aufgewendete Energie von fossilen oder erneuerbaren Energieträgern?

Ein weiteres Ziel, das von der COP28 umworben wird, ist der effiziente Einsatz von Ressourcen und die Vermeidung bzw. Reduzierung von Abfällen, sowie die Einsparung von Wasser. Diesbezüglich wurde ich leider sehr negativ überrascht. Ja, es stimmt – allen Teilnehmern wurde zur Ankunft eine wiederverwendbare Wasserflasche ausgehändigt. Eine erfreuliche Initiative, die nur leider nicht ganz zu Ende gedacht wurde. Das Gelände, auf dem die COP28 stattfindet, ist sehr weitläufig. Die Distanzen sind groß und die Anzahl an Trinkwasserbrunnen zum Auffüllen der Flaschen im Vergleich sehr limitiert und teilweise nicht ganz funktionsfähig. Das verleitet viele dazu, im Stress zwischen Meetings doch schnell auf den Kauf herkömmlicher Plastik-Wasserflaschen zurückzugreifen. Generell musste ich leider auch feststellen, dass über die letzten Tage sehr viel Verpackungsmüll entstanden ist. Zwar sind viele Nahrungsmittel zum Großteil in Papier bzw. Karton statt Plastik verpackt, nichtsdestotrotz hätte sich ein derartiges Müllaufkommen beispielsweise durch ein Pfandsystem vermeiden lassen können. Immerhin gab es auf dem ganzen Gelände ein System zur Mülltrennung. Hoffen lässt sich nur, dass dieses auch in der darauffolgenden Müllentsorgung und -verarbeitung beibehalten wird. In unserem Hostel in Dubai war Mülltrennung zumindest ein Fremdwort und das schien es auch im Rest der Stadt zu sein.

Ernährung und soziale Inklusion

Indigene Bevölkerungsgruppen machen nur ca. 5 % der Gesamtbevölkerung aus, aber zusammengenommen sind sie als jahrhundertelange Hüter*innen natürlicher Ressourcen für den Schutz von rund 80% der globalen Biodiversität verantwortlich.

Stella Naima Guglielmi über die Bedeutung indigener Bevölkerungsgruppen

Eine weitere ´key environmental policy` ist zudem die Bereitstellung von „sustainable low carbon and diverse food options“. Einfach gesagt ein nahrhaftes Menü, das im Einklang mit dem 1.5 Grad Ziel steht. Auch die Einhaltung dieses Versprechens kann ich nur bedingt bestätigen. Es stimmt, dass es Food Truck Areas mit pflanzenbasierten Gerichten gibt. Jedoch habe ich mindestens genauso viele Restaurants gesehen, deren Menüs wenig mit Nachhaltigkeit zu tun haben. Hier gibt es Gerichte verschiedener Nationalitäten, großteils tierischer Herkunft, basierend auf Milchprodukten, Fleisch oder Fisch. Außerdem ist erwähnenswert, dass viele der Restaurants sehr teuer und damit nicht für alle in gleichem Maß zugänglich sind (der teuerste Cappuccino, den ich gesehen habe, lag bei 30 AED, was umgerechnet knapp 7.50 Euro sind). Glücklicherweise gab es aber auch einen Supermarkt mit einem einfachen, aber gesundem Buffet zu sehr fairen Preisen (wenn auch mit langer Wartezeit), wo wir Student*innen bezahlbares Essen finden konnten.

Zu guter Letzt will ich noch eines erwähnen. Unter den ´key social policies` der COP28 ist auch das Ziel “[to d]esign and produce a safe, inclusive event“ aufgeführt. Erfreulicherweise wirkt die COP28 auf mich in der Tat sehr divers. Eine Konferenz, die Menschen mit verschiedensten Kulturen, Sprachen, Bräuchen, Lebensweisen sowie (Leidens-)Geschichten und Problemen zusammenbringt und so gegenseitiges Verständnis und Austausch fördert. Unter ihnen viele indigene Bevölkerungsgruppen aus aller Welt. Den seit der COP27 in Ägypten eröffneten ´Indigenous Peoples’ Pavilion` gibt es auch dieses Jahr wieder, mit vielen interessanten Vorträgen und Diskussionen. Nachdem ich an zahlreichen Veranstaltungen aktiv teilgenommen habe, wird mir eines deutlich: Indigene Gruppen schätzen die COP als Plattform, auf der ihre Stimmen und klimarelevanten Probleme endlich internationale Aufmerksamkeit erhalten, machen aber auch deutlich, dass der Grad an Teilnahme und Mitsprache nach wie vor unzureichend ist. Indigene Bevölkerungsgruppen machen nur ca. 5 % der Gesamtbevölkerung aus, aber zusammengenommen sind sie als jahrhundertelange Hüter*innen natürlicher Ressourcen für den Schutz von rund 80% der globalen Biodiversität verantwortlich. Gleichzeitig sind sie mitunter am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen und, wie ich zu meiner Enttäuschung feststellen musste, auch von den negativen Folgen einiger Klimainitiaviten. Sie sollten unbedingt einen festen Platz am Verhandlungstisch der Entscheidungsträger erhalten. Zu Recht fordern sie Respekt und die Anerkennung ihres Wissens, ihrer Rechte sowie die Wertschätzung ihrer bedeutenden Beiträge zum Klimaschutz. Das Mitspracherecht indigener Gruppen hat sich über die Jahre zwar verbessert, trotzdem müssen für die soziale Inklusion und Gleichberechtigung auf COP Konferenzen mehr Anstrengungen unternommen werden.

Alles in allem kann ich meiner Erfahrung nach zusammenfassen: Man sieht, dass Anstrengungen unternommen wurden, die COP28 möglichst umweltfreundlich und nachhaltig zu gestalten (siehe die wiederverwendbaren Flaschen, die kostenlose Metro-Karte bzw. E-Mobility auf dem Gelände, sowie das teils vegane Essensangebot). Trotzdem handelt es sich bei der COP um die größte und wichtigste Klimakonferenz, weswegen sie eine absolute Vorreiterrolle einnehmen muss. Die Konferenz sollte als Vorbild für alle anderen Großveranstaltungen fungieren, ein Beispiel dafür sein, wie es anders (nämlich klimaneutral) geht. Insbesondere in Fragen des Ressourceneinsatzes, der Müllvermeidung und sozialen Inklusion ist auf der COP28 noch viel Luft nach oben. Mal sehen, was die COP29 im Jahr 2024 für uns bereithält. Ich bin gespannt und hoffe, erneut vor Ort sein zu dürfen, um aus erster Hand zu berichten.

Diskutieren Sie mit

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

Erfahrungsbericht: Wie nachhaltig ist die COP28 in Dubai?
5
2