Die größte Klimakonferenz aller Zeiten – Eindrücke aus einer Welt voller Widersprüche

Julian Jäcker

Master Politics & Technology an der TU München

Ich bin Julian und studiere seit kurzem im Master Politics & Technology an der TU München. Ich interessiere mich besonders dafür, wie globale Kooperation zu den drängendsten Fragen des Klimawandels erreicht werden kann. Zudem fokussiere ich mich im Studium auf die Frage, welche Technologien die Energiewende beschleunigen können – hierbei sind sowohl technische wie auch politische und sozio-ökonomische Faktoren entscheidend. Ich bin überzeugt, dass die mutige Nutzung neuer Technologien einen entscheidenden Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten kann.

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05. Dezember 2023

Und auch grundsätzlich muss man sich die Frage stellen, inwiefern die stark gestiegene Dimension der Konferenz deren Produktivität zuträglich ist.

Julian Jäcker

Akkreditiert mit dem Status des ‚observer‘ darf ich für die TU München eine Woche auf der Weltklimakonferenz (englisch: Conference of the Parties, kurz: COP) in Dubai verbringen. Die COP in Dubai, meist COP28 genannt, ist keine COP wie jede andere. Sie ist die mit Abstand größte aller bisherigen Konferenzen: Über 97.000 Teilnehmer haben Badges – kombiniert mit ca. 3.000 „virtual-only“-Teilnehmern liegt die Gesamtzahl der Delegierten sogar bei über 100.000. Zum Vergleich: Auf den vergangenen beiden COPs waren mit rund 40.000 Teilnehmern nicht einmal halb so viele Delegierte vertreten. Selbstredend, dass die Konferenz in Dubai bereits als jene mit dem höchsten CO2-Ausstoß bezeichnet wird.

Die Größe der Konferenz macht sich definitiv bemerkbar. Insbesondere am zweiten und dritten Tag der Konferenz, den Tagen des mit Staats- und Regierungschefs gespickten ‚World Climate Action Summit‘, war das Konferenzgelände extrem voll und der Einlass am Morgen hat mich in etwa 45 Minuten gekostet. Zwar wirkt sich die große Anzahl an Teilnehmern nicht direkt auf die Verhandlungen aus, doch können sich gerade morgens Verspätungen durch die langen Schlangen ergeben. Und auch grundsätzlich muss man sich die Frage stellen, inwiefern die stark gestiegene Dimension der Konferenz deren Produktivität zuträglich ist. Auch mittags habe ich gestern noch einmal 45 Minuten benötigt, um eine (ziemlich teure) Pizza in einem der wenigen Restaurants des Konferenzgeländes zu ergattern. Generell muss man festhalten, dass die Organisation der Verpflegung auf dem Gelände ausbaufähig ist – nicht nur gibt es der Anzahl an Menschen entsprechend zu wenig Essensstände, das Essen ist meist wenig nachhaltig in Einwegverpackungen verpackt und dazu auch noch ziemlich teuer. Gerade der Preis des Essens stellt in meiner Wahrnehmung einen Widerspruch zur Ankündigung der COP-Präsidentschaft, die inklusivste COP aller Zeiten ausrichten zu wollen, dar.

Lange Schlangen auf dem Weg zur Konferenz.

Bild: Julian Jäcker

Generell fühlt man sich auf der COP28 wie in einer eigenen Welt, die nur so von Widersprüchen strotzt – und das betrifft nicht nur das Essen. Auf dem Weg zum Konferenzgelände passiert man zahlreiche Banner mit Sprüchen wie „Let’s fix climate finance“ oder „Let’s turn rhetoric into results“. Drinnen in den Verhandlungen zur Klimafinanzierung hört man dann, dass sich die Vertragsstaaten aufgrund unterschiedlicher Definitionen noch nicht einmal einig sind, ob das Ziel von 100 Milliarden US-Dollar an ‚climate finance‘ in den vergangenen Jahren erreicht wurde. Und auch die Präsidentschaft der Konferenz wirft Fragen auf – So tauchte etwa heute ein Bericht des Guardian auf, welcher den COP-Präsidenten Al-Jaber mit der Aussage zitiert, es gebe keine wissenschaftliche Grundlage für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Al-Jaber gilt als Verfechter der CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage), mit welcher er anscheinend den Weiterbetrieb fossiler Kraftwerke für klimaneutral machbar hält. Dass dies angesichts des Fortschritts der Technologie wenig realistisch ist, habe ich zahlreichen spannenden Panel-Diskussionen zu diesem Thema auf der COP entnommen. Auch Vertreter dieser Industrie sind sich mehrheitlich im Klaren, dass die CCS-Technologie prioritär in den sogenannten hard-to-abate Sektoren – also jenen, die nur schwer Emissionen reduzieren können (etwa Zement und Stahl), eingesetzt werden sollte.

Welcher Eindruck bleibt also von dieser COP und was kann sie trotz aller Widersprüche leisten?

Zunächst muss ich festhalten, dass man in jeder Veranstaltung – insbesondere in den zahlreichen Diskussionsformaten – spürt, welch große Lust die Menschen auf die grüne Transformation haben und wie viele talentierte Menschen an ihr mitarbeiten. Und auch auf politischer Ebene hat sich mit den ersten Finanzierungsversprechen für den Fonds für Klimaschäden (loss & damage) zumindest ein bisschen was getan. Gestern konnte ich zuhören, wie Deutschlands Entwicklungsministerin Svenja Schulze die Notwendigkeit von Klimafinanzierung trotz Deutschlands Haushaltskrise unterstrich.

Dass es bei den zahlreichen unterschiedlichen Interessen der anwesenden Vertragsstaaten und weiteren Akteuren schwierig ist, sich auf radikalen Fortschritt zu einigen, dürfte allen klar sein. Und so wird vermutlich auch der Ausstieg aus fossilen Energien keine Mehrheit auf der COP finden. Und dennoch zeigt mir die COP28, dass die meisten Akteure mit hohen Ambitionen aktiv am Klimaschutz arbeiten und diesen vorantreiben. Ob die COP hierfür die größte und klimaschädlichste aller Zeiten sein müsste, steht auf einem anderen Blatt.

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