Sie bringt langjährige Gipfelerfahrung mit. Sabine Minninger, Referentin für Klimapolitik bei Brot für die Welt, verfolgt seit 2008 die internationale Klima-Konferenzdiplomatie. Welche Folgen hat der Klimawandel auf die ärmsten Menschen und Regionen dieser Welt? Wie können die Länder des Südens, die der Klimawandel ungleich härter trifft als die Industrieländer, sich vor den schlimmsten Folgen der Klimakrise schützen? Welche finanziellen Mittel sind für die Anpassung und für den Ausgleich von Verlusten von Ernten und die Beschädigung von Infrastruktur nötig? Gemeinsam mit Partnerorganisationen aus Afrika, Asien und Lateinamerika streiten die Mitarbeiterinnen von Brot für die Welt für mehr Klimagerechtigkeit.
Wir konnten mit Sabine Minninger vor ihrer Abreise nach Dakar sprechen.
Nötig sind sehr konkrete Vereinbarungen über den Ausstieg aus den fossilen Energien – auch als eindeutiges Signal an die Investoren, dass das fossile Zeitalter jetzt endet.
Redaktion Energie & Klimaschutz: Welche Faktoren sind für Sie ausschlaggebend, um zu beurteilen, ob die COP28 ein Erfolg wird?
Sabine Minninger: In Mittelpunkt der Verhandlungen und der zu treffenden Vereinbarungen sollte eine angemessene Reaktion auf die sich verschärfende Klimakrise stehen. Was wir bisher meist bei den COPs erlebt haben, sind Versuche einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu erzielen. Das hat uns bisher wenig weitergebracht und wäre im Jahr 2023 unangebrachter denn je. Nötig sind sehr konkrete Vereinbarungen über den Ausstieg aus den fossilen Energien – auch als eindeutiges Signal an die Investoren, dass das fossile Zeitalter jetzt endet. Notwendig wären ferner Ziele für den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie verpflichtende Finanzierungszusagen an die ärmeren Länder. Sie brauchen Klimafinanzierung zur Bewältigung von Klimaschäden über den neu einzurichtenden Loss and Damage Fonds. Ferner ist wesentlich mehr finanzielle Unterstützung nötig als bisher bereitgestellt für Klimaschutzmaßnahmen, für die Anpassung an den Klimawandel und den Ausgleich der Schäden.
Redaktion Energie & Klimaschutz: Rechnen Sie damit, dass die COP28 eine in diesem Sinne angemessene Reaktion zeigen wird?
Sabine Minninger: Nein, bedarfsorientierte Entscheidungen zu erwarten, die sich an den Herausforderungen zur Eindämmung der Klimakrise ableiten, das wäre nicht realistisch. Dem steht unter anderem auch die Präsidentschaft der COP28 im Wege. Die Konferenz wird von Sultan Al Jaber geleitet. Er ist u.a. auch Chef des nationalen Ölkonzerns Adnoc. Sein Interesse und das der VAE ist, das Geschäft mit Öl und Gas möglichst lange weiter zu betreiben. Aufgabe von uns als NGOs und all der Länder, die ernsthaften Klimaschutz wollen, wird sein, unseriöse Vorschläge mit der Realität und den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu konfrontieren.
Sultan Al Jaber setzt bekanntermaßen auf die CCS-Technologie. Nur leider ist derzeit kein Verfahren bekannt, dass CO2 aus der Atmosphäre in den Mengen herausholen könnte, um die Klimakrise zu bremsen. Uns läuft die Zeit davon. Wir bewegen uns immer schneller auf mehrere tipping points im Erdsystem zu, die eine irreversible Entwicklung einleiten werden. Die CCS-Technologie käme da viel zu teuer und ist in dem Maße gar nicht vorhanden. Eine mögliche negative Einflussnahme der Präsidentschaft auf den Verlauf der Konferenz zu entlarven, wird ebenfalls zu unseren Aufgaben gehören.
Klimagipfel brauchen einen Konsens, damit es zu einer Vereinbarung kommt. Die Präsidentschaft verdient am fossilen Pfad und wird nicht auf die Emissionsreduktion durch den Ausstieg aus den Fossilen drängen.
Redaktion Energie & Klimaschutz: Die Geschichte der Klimagipfel ist eine Geschichte der gebrochenen Versprechen. Weder bei der Senkung der Treibhausgase noch bei der Bereitstellung von Klimafinanzierung an die Staaten des Südens haben die Industrieländer ihre Zusagen eingehalten. Wird die COP28 die bisherige Entwicklung fortschreiben?
Sabine Minninger: Wir liegen in keinem Themenfeld beim globalen Klimaschutz auf Kurs. Daran, dass die CO2-Reduzierung gemäß des Pariser Klimaziele nicht eingehalten wird, wird voraussichtlich auch diese COP nichts ändern. Stark machen wird sich die Präsidentschaft für die Zahlung der Industriestaaten an die Entwicklungsländer. Die Ölstaaten und auch China, obwohl alle sehr wohlhabend, sind nicht zahlungspflichtig. Und so lange die Industriestaaten mit ihren Überweisungen an die Entwicklungsländer im Rückstand sind, werden sie diese Staatengruppen nicht dazu bewegen können, finanziell dazu beizutragen, die Resilienz des Südens gegenüber der Klimakrise zu stärken. Der jüngste Bericht der UNEP beziffert den Investitionsbedarf allein für die Klimaanpassung auf 366 Mrd. US-Dollar jährlich. Dazu kämen noch die Mittel zum Ausgleich der Schäden durch den Klimawandel sowie die Transformation selbst.
Redaktion Energie & Klimaschutz: Was wäre in einer solchen Lage ein realistisches und gleichsam wünschenswertes Ergebnis des Weltklimagipfels?
Sabine Minninger: Klimagipfel brauchen einen Konsens, damit es zu einer Vereinbarung kommt. Die Präsidentschaft verdient am fossilen Pfad und wird nicht auf die Emissionsreduktion durch den Ausstieg aus den Fossilen drängen. Deshalb braucht die COP28 eine starke Allianz für den Klimaschutz. Sie kann sich vor Ort nur entwickeln. wenn die Industrieländer zu ihrer historischen Verantwortung für den Klimawandel stehen, ihre bestehenden finanziellen Verpflichtungen bekräftigen und zusätzliche Mittel bereitstellen. Nur auf dieser Basis könnten sie die Golf-Staaten sowie China und andere Schwellenländer mit ins Boot holen. Deutschland und die EU spielen bei den Verhandlungsprozessen eine wichtige Rolle. Im letzten Jahr bei der UN-Klimakonferenz in Scharm asch-Schaich ist ein Durchbruch zum Ausstieg aus den Fossilien leider nicht gelungen. In diesem Jahr muss mehr passieren, denn uns läuft die Zeit davon.
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