Wir konnten Sabine Minnininger, Referentin für Klimapolitik bei Brot für die Welt, im Vorfeld der Welt-Klimakonferenz sprechen. Als erfahrene Beobachterin der globalen Klimadiplomatie waren ihre Erwartungen an den Klimagipfel überaus gedämpft. Gleich nach ihrer Rückreise aus dem Nahen Osten konnten wir sie nach ihrem Resümee des Treffens fragen. Die Reaktionen auf den Gipfel waren ja durchaus geteilt. Von einem Ausstiegssignal sprechen die einen, während andere auf die Unverbindlichkeit des Abschlusstextes verweisen.
Redaktion Energie & Klimaschutz: Willkommen zurück in Deutschland, Frau Minninger. Hat sich die weite Reise nach Dubai gelohnt? Sie waren im Vorfeld nicht optimistisch bezüglich der Ergebnisse, die auf der COP erzielt werden können.
Sabine Minninger: Es lief besser als erwartet. Erreicht wurde der Einstieg zum Ausstieg aus den fossilen Energien bis Mitte des Jahrhunderts. Das ist ein starkes Signal, auch an die Investoren der fossilen Wirtschaft. Damit war im Vorfeld nicht zu rechnen.
Dem Abschlusstext fehlen Fristen und konkrete Maßnahmen und dennoch ist er als Ausstiegssignal aus der fossilen Wirtschaft richtig und wichtig.
Redaktion Energie & Klimaschutz: Dass die Nutzung der fossilen Energien zu Ende gehen muss, ist doch seit langem bekannt. War das Ergebnis der COP28 nicht eher ein Erfolg der fossilen Industrien? Die Gas- und Öl-exportierenden Länder feiern auf ihrem Treffen die Ergebnisse von Dubai als einvernehmlich und positiv. Die Länder betonten nach der COP, „dass kontinuierliche Investitionen in Öl und Erdgas unerlässlich seien, um die zukünftige Nachfrage zu decken und die Stabilität des Weltmarktes zu gewährleisten.“
Sabine Minninger: Das Abschlusspapier lässt breite Spielräume für Interpretationen. Das liegt in der Natur der Sache bei einem Text, auf den sich 196 Staaten geeinigt haben. Um auf den Klimawandel zu reagieren, reichen die Ergebnisse von Dubai nicht aus. Dem Abschlusstext fehlen Fristen und konkrete Maßnahmen und dennoch ist er als Ausstiegssignal aus der fossilen Wirtschaft richtig und wichtig.
Ein zentrales Ergebnis der COP 28 ist: Die Weltgemeinschaft verabschiedet sich bis 2050 von den fossilen Energien. Dahinter gibt es kein Zurück mehr. Beschlossen wurde auch die Verdreifachung der Leistung erneuerbarer Energien bis 2030. Wir in Deutschland oder Europa müssen das jetzt stärker untersetzen und den Ausstieg beschleunigen, denn wir wissen, die Zeit drängt und andere Staaten werden langsamer sein.
Geschickte deutsche Klimadiplomatie
Redaktion Energie & Klimaschutz: Was hat Sie in Dubai besonders überrascht?
Sabine Minninger: Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate haben zum Auftakt der Konferenz eine Zuwendung von je 100 Millionen US-Dollar an den Loss and Damage Fonds gemacht. Für diese gemeinsame diplomatische Initiative bekam Deutschland viel Lob. Zum einen ist mit der Grundausstattung die Arbeitsfähigkeit des Fonds gegeben. Damit fällt das Argument weg, es lohne sich nicht in den Fonds einzuzahlen, er sei ja nicht arbeitsfähig. Dass die deutsche Diplomatie es zudem vermocht, die VAE zur Mitfinanzierung des Fonds zu bewegen, ist ein Schritt nach vorn. Bislang hatten die Ölstaaten allein die Industrieländer in der Pflicht gesehen, den Fonds finanziell auszustatten. Einige G20-Staaten hatten wiederum mit Hinweis auf die Finanzkraft und Verantwortung der OPEC-Staaten sowie von Schwellenländern wie China ihre Zahlungen verweigert. Deutschland hat diese Verweigerungshaltung geschickt durchbrochen.
Finanzielle Zusagen der USA bleiben weit hinter ihrer historischen Verantwortung zurück
Die USA waren über 100 Jahre der größte Emittent von Treibhausgasen. Ihre Verantwortung für den Klimawandel übersteigt das Maß aller anderen Nationen. Als nach wie vor führende Industrienation und einer der reichsten Staaten der Welt wären die USA in der Pflicht, mit gutem Beispiel voran zu gehen.
Redaktion Energie & Klimaschutz: Was hat Sie negativ überrascht?
Sabine Minniniger: Zum einen war es die Zusage einer Zahlung der USA in Höhe von 17,5 Mio. US-Dollar an den Loss and Damages Fonds. Das ist eine Verhöhnung für die Opfer der Klimakatastrophe. Die USA waren über 100 Jahre der größte Emittent von Treibhausgasen. Ihre Verantwortung für den Klimawandel übersteigt das Maß aller anderen Nationen. Als nach wie vor führende Industrienation und einer der reichsten Staaten der Welt wären die USA in der Pflicht, mit gutem Beispiel voran zu gehen. 17,5 Mio. US-Dollar sind weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Entsprechend enttäuschend sind die bisher vorliegenden verbindlichen Finanzierungszusagen von 700 Mio. US-Dollar. Die Kosten von Klimaschäden in Entwicklungsländern belaufen sich laut Berechnungen auf 425 Mrd. US-Dollar ab 2020 jährlich bis 671 Mrd. US-Dollar ab 2030 jährlich.
Die UNCTAD empfiehlt bis 2030 jährlich eine Einzahlung von 150 Mrd. US-Dollar, die Zivilgesellschaft von 400 Mrd. US-Dollar. Die bisherige Bereitstellung von 700 Millionen US-Dollar würde nur 0.2% des Bedarfs decken. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Dieser Beschluss stärkt die Klimabewegungen auf der ganzen Welt. Investor*innen-Gelder werden ab jetzt in die richtige Richtung gelenkt, und die einzelnen Länder müssen ihre Klimapolitik deutlich konsequenter umsetzen.
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