Wie kann die EU das Pariser Klimaziel einhalten? Vor einer Woche erschien eine Studie, die diese Frage zu beantworten suchte. Die Autoren von Climate Analytics errechneten, alle Kohlekraftwerke in der EU müssen bis 2030 abgeschaltet werden. Nicht so genau hinsehen, wollte das EU-Parlament bei der Reform des CO2-Zertifikatehandels. Kein Klimaziel, sondern die Befürchtungen der Industrie vor einer zu hohen Belastung gaben am Ende den Ausschlag für eine zaghafte Reform. Fritz Brickwedde, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, kommentierte bitter: „Die Beschlüsse des Europäischen Parlaments zementieren den Europäischen Emissionshandel auf absehbare Zeit als wirkungsloses Klimaschutzinstrument.“ Rutscht der Klimaschutz in der EU auf der politischen Agenda nun ganz nach unten?
Bis zum Jahr 2030 will die EU-Kommission den CO2-Ausstoß auf 40 % gemessen am Jahr 1990 senken. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung soll dann 27 % betragen. Auch wenn diese Ziele wenig ambitioniert sind und die EU-Kommission, um den Widerstand zu minimieren, vornehmlich auf die Energieeinsparung setzt: die Zahlen sind kaum mehr als bloße Luftnummern. Es fehlt an nationalen Vorgaben und der EU an Instrumenten. Man verleibt im unverbindlichen. In diesen Tagen will niemand den Populisten und EU-Skeptikern neue Argumente zu liefern. Der Titel des im November vorgelegten Maßnahmenpakets klingt gut: „Saubere Energie für alle Europäer“. Dahinter steckt der Wunsch, die nationalen Energiemärkte zu europäisieren, die Energieeffizienz zu stärken und beim Ausbau der Erneuerbaren Energien wieder vorne mit zu spielen. Doch die 1.000 Seiten des Dokuments gehen am Ziel vorbei.
Dem Klimaschutz in der EU fehlt das Geld
Klimaschutz war in der EU schon immer ein Thema für wenige. Andere machten mit, wenn es nichts kostete. So sind die bisherigen Beschlüsse der EU entstanden. Bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens muss diese Zeit der Unverbindlichkeit enden. 6,5 Milliarden t CO2. So hoch ist das Budget, das den EU-Ländern noch an Emissionen zur Verfügung steht. Da mag man in der EU hoch und runter rechnen. Auch mit einer drastischen Steigerung der Energieeffizienz wird dieses Budget schnell verbraucht, wenn die Stromproduktion aus Kohle in der EU weiterhin eine so maßgebliche Rolle wie bisher einnimmt.
Wie aber sollen Länder wie Polen, Tschechien oder die Slowakei davon überzeugt werden, schon mittelfristig aus der Kohle auszusteigen? Anreize gibt es keine. Und Überzeugung allein wird nicht reichen. Man wird auch investieren müssen. Dänemark und Deutschland sind bei der Umstellung auf die erneuerbaren Energien weiter als andere. Dafür zahlen die Verbraucher in diesen Ländern einen hohen Preis. In Deutschland bringen die Kunden laut BDEW jährlich 24 Milliarden € für die Energiewende. Das können sich weder die genannten noch die südeuropäischen Länder leisten. Da fehlt nicht nur der Wille, sondern schlichtweg auch das Geld. Und wer über Geld nicht reden will, sollte beim Klimaschutz schweigen. Laut Energiekommissar Maros Sefcovic wurden zwischen 2013 und 2015 fast zwei Drittel aller Investitionen in erneuerbare Energien in Deutschland und Großbritannien getätigt. Die Briten sind bald raus. Findet die europäische Energiewende dann nur noch exklusiv in Deutschland, Dänemark und wenigen anderen Ländern statt?
Eine Pause für den Klimaschutz in der EU?
Wäre es vielleicht an der Zeit, Europa eine klima- und energiepolitische politische Pause zu gönnen? Nach dem Brexit, vor den wichtigen Wahlen in Frankreich und den Niederlanden, den anhaltenden Problemen bei der Aufnahme der Flüchtlinge und wenige Wochen nach dem Amtsantritt des neuen US Präsidenten stehen andere Politikfelder im Mittelpunkt. Schon heute treffen sich in Bonn unter deutschem Vorsitz die Außenminister der G 20-Staaten. Da sitzen die größten Verschmutzer des globalen Klimas zusammen am Tisch. Und in Bonn geht es weiter. Dort findet im November die Weltklimakonferenz statt. Der Klimaschutz kennt keine Pause.
Auch wenn die EU derzeit in einem eher erbarmungswürdigen Zustand ist, kann sie dieses Politikfeld nicht aufgeben. In multilateralen Verhandlungen sind die Themen Klimaschutz, Energiepolitik und erneuerbare Energien wichtiger denn je geworden. Und mehr denn je wird die europäische Stimme auf internationaler Ebene gebraucht. Doch derzeit ist niemand in Sicht, der den Karren zieht. Frankreich und Deutschland wählen in diesem Jahr. Und Wahlen sind immer Phasen der politischen Nabelschau. Da tut es gut zu sehen, wie Emmanuel Macron als Präsidentschaftskandidat in Frankreich für das Projekt Europa wirbt und gleichzeitig sein Ansehen in der Wählerschaft steigt. Auch auf den Straßen Rumäniens geht es um Europa. So lange die europäische Idee noch so attraktiv ist, sollten wir den Klimaschutz in der EU nicht aufgeben. Allen Rückschlägen zum Trotz.
Windmüller
vor 8 JahrenWarum so pessimistisch Herr Grass ? EnBW baut für 1,8 Mrd € einen Park in der Nordsee, und die Kupferhütte Aurubis in Hamburg will demnächst Abwärme für Fernwärme nutzen. Die Nutzung erneuerbarer Energien oder auch Energieeffizienz ist ein Selbstläufer geworden. Da kann ein US Präsident noch so trumpeln.