Kaum ein Gesetz hat so viel Unruhe erzeugt, wie das GEG, das Gebäudeenergiegesetz. Dabei ist jedem klar, dass Wärmewende und Energiewende nur zusammen gelingen können.
Doch aktuell stehen wir vor großen Herausforderungen.
- Wie geht es auf dem Heizungsmarkt weiter, um die Wärmewende zu realisieren?
- Welche Rolle spielt dabei die Netzinfrastruktur bei der Wärmewende?
- Welche Bedeutung übernehmen Fernwärmenetze und wie muss der regulatorische Rahmen aussehen?
Diese und andere Fragen standen als Markierung für den Debatten-Abend am 7. März 2024 in Stuttgart zum Thema „Wärmewende“ im Raum.
Wie bei jedem ersten Debatten-Abend im Jahr, standen aber zunächst die Gewinner des Energie-Campus im Fokus. Geehrt wurden Jan Bednarz, Mario Schönfeldt und Monja Schilling. Sie wurden im November von einer wissenschaftlichen Jury unter Leitung von Professor Knebel für ihre Doktorand*innen-Arbeiten zum Thema „Meine Welt von morgen“ ausgezeichnet.
Professor Knebel unterstrich, dass alle eingereichten Arbeiten sehr interessant waren und dass es der Jury nicht leichtfiel, drei auszuwählen. Knebel hob die Bedeutung der Grundlagenforschung hervor, aber dass man „kribbelig“ würde, wenn Themen mit einem Praxisbezug vorgelegt werden, bei denen die wirtschaftliche Hochskalierung im Fokus stünde.
Die Umsetzung von der Theorie in die Praxis bildete eine gute Überleitung zur Podiumsdiskussion mit den Gästen.
Bilder der Veranstaltung
Stiefkind Wärmewende
Wärmewende braucht Vorausschau und Verlässlichkeit. Baden-Württemberg ist dabei Vorreiter, nirgendwo ist die Wärmeplanung weiter. Sie zeigt Bürgerinnen und Bürgern, welche Optionen sie beim Heizungstausch haben werden.
Die Moderatorin Sandra Berndt nannte die Wärmewende die Königsdisziplin der Energiewende und dass ihr Gelingen schon deshalb wichtig ist, um die Unabhängigkeit von Russland zu gewährleisten. Das GEG wäre die Grundlage. Doch wie geht es weiter?
Die Podiumsgäste ordneten den aktuellen Stand bei der Wärmewende auf einer Skala zwischen „es ist noch nichts passiert“ mit einer Null und „wir sind gut dabei“ mit einer 10 ein.
Ministerin Thekla Walker sieht den Status Quo „in der Mitte“ und verweist auf die Maßnahmen, die in Baden-Württemberg bereits veranlasst wurden. Sie sagt, dass es jetzt darum geht, dass alle, bis in die kleinste Gemeinde, sich mit dem Thema Wärmewende beschäftigen. Sie lobt die Forschung und sagt, dass es gute Lösungen gibt. In Baden-Württemberg ist das Glas halbvoll.
Andreas Jung, MdB, Sprecher für Klimaschutz & Energie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hebt hervor, dass bereits viel früher mehr gemacht hätte werden müssen. Er hält die Kommunale Wärmeplanung für die Startrampe der Wärmewende. Erst 14% der Haushalte bekommen Fernwärme. Es soll eine Verdreifachung passieren. Man müsse jetzt pragmatisch rangehen. Und es ginge darum, die Kommunen zu unterstützen, um die Wärmewende umzusetzen. Er ergänzt, bei der Wärmewende dürfe es keine Überregulierung, keine Deckelung geben.
Dr.-Ing. Christine Kühnel, Geschäftsführerin Reiner Lemoine Institut Berlin meint, dass es vor allem um die Hülle ginge. Auf der einen Seite sei das Potenzial bei der Hülle sehr groß und auf der anderen Seite „sind wir da sehr weit hinten dran“.
Steffen Ringwald, Geschäftsführer Netze BW GmbH, sieht das Gute darin, dass wir „alle für das Thema sensibilisiert worden sind“. Er sieht viel Potenzial darin, wenn der „Club der Willigen“ zusammenarbeitet.
Kommunale Wärmeplanung – Bremse oder Push-Faktor für die Wärmewende?
Die Wärmewende erfordert das Zusammenspiel vieler Akteure. Eine einheitliche Datengrundlage sowie der offene Zugang zu diesen Daten - unter Wahrung des Datenschutzes - sind dafür eine wichtige Grundlage.
Die Podiumsgäste sind sich einig, dass die Kommunale Wärmeplanung ein guter Plan sei. Ringwald sieht, dass es erste Früchte zu pflücken gibt und dass die Wärmewende im ländlichen Bereich die Herausforderung bleibe, um einen Pull-Effekt zu erzielen.
Doch laut Kühnel war die Kommunale Wärmeplanung auch eine Bremse für den Wärmepumpenmarkt. Das größte Problem bestehe darin, dass es keine verlässlichen Daten gibt. Die Bürger können sich zwar informieren, ob ein Fernwärmegebiet oder Wasserstoffgebiet geplant sei, aber in einer Kommunalen Wärmeplanung sind die Netzbetreiber nicht immer einbezogen. Die aber benötigen die Daten, wieviel Strom für die neuen Wärmepumpen bereitstehen müsse.
Die Empfehlung von Thekla Walker ist, die Wärmeplanung im Konvoi durchzuführen und umzusetzen, z. B. indem sich kleinere Kommunen mit einem Stadtwerk zusammenschließen und die erforderlichen Maßnahmen umsetzen. In Baden-Württemberg gibt es neben den 70 großen Kommunen weitere 240 Wärmeplanungen von kleinen Orten, die im Konvoi erstellt wurden.
Wärmewende: Wie kommen wir von der Verunsicherung zur Begeisterung?
Die Diskussion um das GEG hat viel Verunsicherung gebracht, aber wir brauchen Verlässlichkeit, sagt Andreas Jung. Zudem benötigen wir Fachpersonal, das die anstehenden Aufgaben übernimmt. Die Ministerin merkt an, dass die Diskussion um die Wärmepumpe „schräg gelaufen ist“ und sie plädiert für eine Versachlichung der Debatte.
Auch Steffen Ringwald bestätigt, dass die Wärmepumpe schlecht geredet wurde. „Für die, die investieren, muss es sich rentieren.“ Um das zu gewährleisten, braucht die Wärmewende ein Erwartungsmanagement.
Wir brauchen eine Neuausrichtung der Wärmewende. Die tragenden Säulen dabei müssen eine schrittweise CO2-Bepreisung mit Sozialausgleich und eine verlässliche, technologieoffene Förderung für Öko-Heizungen sein.
Die Frage ist: Wie bringen wir die Kunden dazu, begeistert zu sein?
Es geht darum, die Bürger einzubeziehen. Wenn ein Spirit durch den Ort geht, dann passiert auch etwas. Ist der Bürgermeister dagegen unsicher, dann überträgt sich das auf die Bürger.
Herr Jung unterstreicht, dass die Kommunale Wärmeplanung im Fluss ist, dass sich Dinge verändern. Eine Planung beruht auf Prognosen. Für Investitionen braucht es aber Verlässlichkeit.
Alle stimmen Steffen Ringwald zu: Es geht darum, die Akteure an einen Tisch zu bringen, Kommunen, Betreiber und Bürger. Die Kommune muss das Lead übernehmen und die notwendigen Maßnahmen orchestrieren.
Aber auch die Heizungsbranche ist in der Verantwortung. Frau Kühnel merkt an: „Wenn der Heizungsmechaniker sagt, dass die Wärmepumpe Mist ist, dann werden die Menschen weiter verunsichert.“
Auch sind sich alle Podiumsgäste einig, dass es mehrere Wege gibt und die Wärmepumpe nicht die einzige Lösung ist. Die Ministerin bestätigt: „Wir müssen alle Wärmequellen nutzen: Abwärme, Flüsse, Betriebe.“ Sie sagt, dass die Menschen miteinander ins Gespräch kommen müssen, die vorher nicht miteinander geredet haben.
Entscheidend für die Wärmewende ist die Machbarkeit wirtschaftlich attraktiver Modelle für Kommunen, Kunden und Anbieter. Ein Marathon in Richtung Zukunft, nicht nur ein Plan, sondern ein Weg voller Chancen…
Wärmewende und das Netz
Durch eine Frage aus dem Podium kam die Sprache noch auf die Netze. Die Netze spielen bei der Wärmewende eine wichtige Rolle. Verteilnetzbetreiber müssen im Voraus planen. Wo muss welcher Ausbau erfolgen? Das können die Kommunen nicht übernehmen. Die Netzplanung muss eine übergeordnete Planung sein. Wenn man den Beschluss für ein Wasserstoffnetz fasst, muss das mit der Bundesnetzagentur abgesprochen werden.
Fakt ist, dass das bestehende Stromnetz für die neuen Aufgaben nicht gerüstet ist. Es braucht eine Flexibilisierung und Digitalisierung. Die Investitionen in das Stromnetz werden sich laut Ringwald in den nächsten Jahren verzweifachen oder verdreifachen.
In Baden-Württemberg gibt es 300 Umspannwerke. Davon müssen 280 angepackt werden, um die Kapazitäten für Wallboxen und andere Stromabnehmer zu schaffen. Das muss perspektivisch erfolgen. Dieses sehr hohe Investment zu gewährleisten, erfordert Mut, Risikobereitschaft und Geld.
Wann wird die Wärmewende zum Erfolg?
Die Podiumsgäste werden aufgefordert, den folgenden Satz zu vervollständigen:
Die Wärmewende wird dann zum Erfolg, wenn…
Herr Jung meint, wenn es Rahmenbedingungen gibt, die pragmatisch umsetzbar sind. Frau Kühnel antwortet auf die Frage, „wenn nicht jede einzelne Person entscheiden muss, sondern wenn den Bürgern einige Entscheidungen abgenommen werden”. Her Ringwald glaubt, dass die Wärmewende dann zum Erfolg wird, „wenn alle so richtig Lust darauf haben.“
Frau Walker verweist in diesem Zusammenhang auf Dänemark. In Dänemark einigten sich die jeweiligen Regierungen mit der Opposition auf Eckpunkte, die alle mittrugen und 10 Jahre Gültigkeit haben. Nur so sind eine langfristige Strategie und Investitionssicherheit für die Transformation gewährleistet.
Die Diskussion um die Wärmewende können Sie auch gern in unserer Aufzeichnung nachträglich anschauen.
HÖRTIPP: Unser Podcast zum Thema „GEG- Welche Heizung im Bestandsgebäude?“ mit Dipl.-Ing. Kerstin Nell und Vorständin Katharina Klein
Lesetipp: Gastartikel unser Podiumsgäste
Thekla Walker: Wärmewende in Baden-Württemberg: Wie die klimaneutrale Wärmeversorgung gelingen kann
Steffen Ringwald: Wärmewende ja – aber bitte attraktiv gestalten
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