Wärmewende: Die Königsdisziplin der Energiewende

Gastautor Portrait

Andreas Klingemann

Leiter "Wärme", Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)

Andreas Klingemann leitet seit 2022 die neu geschaffene Abteilung „Wärme“ im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Er studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte in Freiburg und arbeitete danach als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag. Seit 2013 ist er beim BDEW beschäftigt, vor der aktuellen Stelle war er Fachgebietsleiter Stromerzeugung und Energie-netze im Bereich Strategie und Politik.

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11. Januar 2024
Bild: Krasula/Shutterstock.com

In der Vergangenheit wurde der Gebäude- und Wärmesektor gerne als „schlafender Riese“ bezeichnet, der seinen Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasen mehr schlecht als recht nachkam. Der Wärmebereich war neben dem Verkehr das klimapolitische Sorgenkind. Mit einem Anteil der Wärme am Energieverbrauch von rund 60 Prozent ist eine erfolgreiche Wärmewende die Königsdisziplin der Energiewende und für den Klimaschutz.

Die Herausforderungen für die Wärmewende sind riesig

Jede dritte Heizung ist älter als 20 Jahre und damit äußerst ineffizient. Bei Öl-Heizungen ist sogar rund jedes zweite Gerät so alt.

Andreas Klingemann

Wie groß die Herausforderungen im Wärmemarkt sind, zeigt der Statusreport Wärme des BDEW. Gemeinsam mit der BDEW-Studie „Wie heizt Deutschland“ beschreibt er den Status Quo der Wärmewende in Deutschland. Heute heizen drei von vier Haushalten noch im Gas oder Öl und müssen in den kommenden rund 20 Jahren auf erneuerbare Energieträger umgestellt werden. Gleichzeitig müssen wir daran arbeiten, Fernwärme und Strom grün zu machen, sodass sie ihrem Ruf als klimafreundliche Alternativen gerecht werden. Fernwärme hat heute einen Erneuerbaren-Anteil von 19 Prozent, beim Strom sind es knapp 50 Prozent.

Den hohen Modernisierungsbedarf in Deutschlands Heizungskellern zeigt auch das Alter der Heizungen: Jede dritte Heizung ist älter als 20 Jahre und damit äußerst ineffizient. Bei Öl-Heizungen ist sogar rund jedes zweite Gerät so alt. Hier ist mehr Dynamik erforderlich – was eine große Kraftanstrengung für alle Beteiligten bedeutet.

In der Wärmewende gibt es keine Lösung von der Stange

Der Wärmesektor und die Beheizungsstrukturen in Deutschland sind jedoch äußerst divers. Gebäude stellen aus energetischer Sicht eine Einheit von Wärmeversorgung und Gebäudehülle dar. Hinzu kommen Gebäudealter, Größe, Sanierungsgrad sowie die Nutzungsarten, die individuelle Lebenssituation der Bewohner, die lokalen und regionalen Gegebenheiten etc.

Zwar ist der Wärmemarkt schon in Bewegung, aber um diese Herausforderung zu bewältigen, muss die Veränderung am Wärmemarkt noch deutlich an Dynamik gewinnen. Hierzu braucht es eine Wärmewende aus einem Guss. Das heißt: Die Wärmewende braucht ein Gesamtkonzept aus Energieträgern, Infrastrukturen, Gebäude- und Heizungstechnik – und das individuell abgestimmt und für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger auch wirtschaftlich leistbar.

Die Wärmewende gewinnt an Fahrt

Im abgelaufenen Jahr 2023 hat die Politik drei wichtige Weichen für die Wärmewende gestellt:

  • Die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) stellt eine Zäsur dar. Neben der Gebäudeeffizienz stehen seit dem 1. Januar 2024 die Anforderungen an die zur Wärmeerzeugung der eingesetzten Energieträger im Mittelpunkt. Mit dem 1. Januar 2024 wird ein Anteil von 65 Prozent Erneuerbarer Energien (oder unvermeidbarer Abwärme) für die mit einer neuen Heizungsanlage bereitgestellten Wärme verpflichtend. Zwar besteht hier eine breite Technologieoffenheit und die verpflichteten Hauseigentümer haben eine Wahlfreiheit zwischen etlichen Erfüllungsoptionen. Gleichwohl werden Wärmepumpen und Fernwärme im Fokus der Wärmewende stehen. Insbesondere im Bestand können unter bestimmten Bedingungen aber auch künftig Gasheizungen, betrieben mit Wasserstoff und Biomethan, eine sinnvolle Option sein. Das gilt insbesondere dort, wo die lokalen oder baulichen Gegebenheiten eine andere Lösung sehr schwierig machen. Deshalb ist es wichtig, keine Option von vorneherein auszuschließen.
  • Neben dem GEG trat zum Jahresanfang auch das Wärmeplanungsgesetz (WPG) in Kraft. Gerade mit Blick auf die teils großen regionalen Unterschiede ist es richtig, dass die Umsetzung der Wärmewende vor Ort den Kommunen überlassen wird. Sie können in Anbetracht der regionalen Gegebenheiten, der vorhandenen Leitungsinfrastruktur sowie Zustand und Alter der Häuser am besten entscheiden, wie sich die Wärmeversorgung vor Ort schnell und effizient dekarbonisieren lässt. Bei der Frage, wie es mit der Heizung und der Wärmeversorgung in Zukunft weitergeht, werden die kommunalen Wärmepläne den Hauseigentümern eine zentrale Hilfestellung bieten. Aus energiewirtschaftlicher Sicht ist es auch richtig, dass flächendeckend in allen Kommunen Deutschlands Wärmepläne erstellt werden. Die Pläne beschreiben, wie die Klimaziele im Wärmebereich in den kommenden zwei Jahrzehnten am effizientesten erreicht werden können. Daher ist auf lokaler und regionaler Ebene eine integrierte Betrachtung der maßgeblichen Energieinfrastrukturen und die Erschließung klimaneutraler Wärmequelle nur unter engem Einbezug der Energiewirtschaft wichtig.
  • Und schließlich wurde der Förderrahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) neu gefasst. Damit haben die privaten und gewerblichen Hauseigentümer die Möglichkeit, notwendige Maßnahmen zu erhöhtem Klimaschutz auch mit Hilfe von öffentlichen Mitteln zu finanzieren. Neu ist zudem die Ausrichtung eines Anteils der Förderung auf das Einkommen. Zukunftsfähige Alternativen müssen auch für Einkommensschwächere erschwinglich und attraktiv sein.

Was steht nun an?

In Zukunft muss die Botschaft lauten: Die Wärmewende kommt. Planvoll, effektiv, effizient und bezahlbar.

Andreas Klingemann

Die größte Aufgabe der kommenden Jahre ist der Aus- und Umbau der Infrastruktur sowie die Dekarbonisierung der Energieträger. Seien es Gas, Strom oder Fernwärme. Die Infrastrukturen und die über sie gelieferten Energieträger bilden die Basis für die Wärmewende.

Wichtig ist, dass Planung und Umsetzung dabei Hand in Hand gehen, denn Zeit ist in der Wärmewende kostbar. In diesem Kontext ist auch Planungssicherheit elementar. Infrastrukturprojekte sind teuer und langfristig ausgelegt. Deshalb brauchen alle Beteiligten von Anfang an Planungssicherheit. Über dem eingeschlagenen Weg der kommunalen Wärmeplanung und den damit verbundenen Investitionsentscheidungen darf nicht das Damoklesschwert einer unsteten Politik schweben.

Gleichzeitig muss die Wärmewende finanziell abgesichert werden. Dieses Thema ist insbesondere mit Blick auf die derzeitigen Haushaltsverhandlungen von großer Bedeutung. Das Jahr 2024 wird davon geprägt sein, den Ordnungsrahmen für die Wärmewende weiter den notwendigen Transformationsnotwendigkeiten und den daraus entstehenden Investitionsbedarfen anzupassen. Für die Wärmewende stehen wir vor einem gewaltigen Investitionsbedarf für den Ausbau der Infrastruktur. Dafür braucht es von der Bundesregierung einen angepassten und angemessenen Förderrahmen sowie einen Investitionsrahmen, der den Netzbetreibern und Energieversorgern die notwendigen Investitionen ermöglicht.
Mit dem Beginn des Jahres 2024 stehen wir am Anfang der entscheidenden Phase der Wärmewende. Sie ist mit GEG und WPG noch lange nicht erledigt. Ganz im Gegenteil: Jetzt geht es erst richtig los.

Damit die Wärmewende zum Erfolg wird, muss sie aber auch wieder einen besseren Ruf bekommen. Die Wärmewende ist die Königsdisziplin der Energiewende: Denn kein anderer Bereich der Energiewende rückt so nah an die Menschen heran. Wenn die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer nicht mitziehen, wird es nicht gehen.

In Zukunft muss die Botschaft lauten: Die Wärmewende kommt. Planvoll, effektiv, effizient und bezahlbar.

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