Ich schlage vor, Klimaschutz zum Unwort des Jahres 2020 zu wählen. Sie denken, ich wäre verrückt geworden? Mitnichten. Es gibt gute Argumente für meinen Vorschlag. Dazu müssen wir nur einmal die gewohnten Pfade des Denkens (und der Berichterstattung) verlassen.
Düstere Aussichten für den Patienten
Der langjährige Raucher schleppt sich mühsam die wenigen Treppenstufen bis zur Praxis des Arztes hoch. Er ringt nach Luft, beim Atmen rasselt die Brust.
Die Diagnose des Arztes ist eindeutig. Der Zigarettenkonsum hat die Bronchien und die Lunge des Mannes schwer geschädigt. Auch die Durchblutung funktioniert nicht mehr richtig. Zu wenig Sauerstoff. Die Herzkranzgefäße sind angegriffen. Der Arzt weist den Patienten auf die jetzt drohenden Gefahren hin: Herzinfarkt, Raucherbeine und Lungenkrebs.
Und dann empfiehlt er seine Therapie: „In Rücksicht auf Ihre starke Sucht und die möglichen Entzugserscheinungen sollten sie von nun an jedes Jahr ihren Zigarettenkonsum etwas reduzieren.“
Klimaschutz? Ein Euphemismus!
So einen Arzt gibt es nicht? Das Rauchen nur etwas zu reduzieren? Das sei doch, meinen Sie, keine geeignete Therapie. Zur schnellen Einstellung des Rauchens gebe es keine Alternative? Aus therapeutischer Sicht wohl richtig. Aber wenn wir von Klimaschutz sprechen, verfahren wir genau so, wie es dieser Arzt vorschlägt. Wir schützen nicht das Klima, sondern reduzieren (in Deutschland) ganz langsam den Ausstoß von Treibhausgasen. Wir schützen das Klima nicht, sondern schädigen es etwas weniger. Die Abhängigkeit des Mannes von der Sucht: Das ist beim Klimaschutz das Wirtschaftswachstum.
Klimaschutz ist ein Euphemismus, der mehr verschleiert als er aussagt. Wir sollten uns langsam ehrlich machen. Als ersten Schritt schlage ich deshalb vor, Klimaschutz zum Unwort des Jahres 2020 zu machen.
Schauen wir doch mal genau hin, was wir unter dem sogenannten Klimaschutz verstehen. Seit Mitte der 80er Jahre gibt es in der Wissenschaft einen Konsens über die Wirkung des Treibhauseffektes und die langfristigen Folgen unserer Emissionen. 1987 nahm die erste Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zum Schutz der Erdatmosphäre ihre Arbeit auf. Als die jetzige Kanzlerin Anfang der 90er Jahre Umweltministerin wurde, führte sie für Deutschland die internationalen Verhandlungen über das Kyoto-Protokoll. Ganz ähnlich wie die Diagnose beim Raucher sind sowohl die Ursachen der Beschwerden als auch die kommenden Bedrohungen bekannt. Wir können sogar die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Folgen berechnen. Was beim Rauchen der Lungenkrebs und die Raucherbeine sind beim Klimawandel die Tipping-Points. Was beim Rauchen der Lungenkrebs und die Raucherbeine sind beim Klimawandel die #Tippingpoints. Dann wird es unheilbar.
Die Empfehlungen der Wissenschaft wurden ignoriert
Die zentralen Fakten liegen seit Jahrzehnten auf dem Tisch.
Gespräch und Verhandlungen zum Klimaschutz haben viele stattgefunden. Erfolge gab es keine. Weder national, noch europäisch und schon gar nicht global.
Die zentralen Fakten liegen seit Jahrzehnten auf dem Tisch. Wenn wir mit den CO2 und den anderen Treibhausgasemissionen so weitermachen wie bisher, dann wird das bisherige Klimasystem, wie es die Gattung homo sapiens seit 300.000 Jahren kennt, aus dem Gleichgewicht kommen. Sich selbst verstärkende Prozesse (die sog. Tipping-Points) werden einsetzen, Extremwetterlagen nehmen zu, der Meeresspiegel steigt, fruchtbare Böden gehen durch Verwüstung verloren, das Meerwasser versauert und die Erde selbst wird ein schlechterer Ort. Nicht nur für uns Menschen.
Aus Sicht der Wissenschaft ist evident, dass Klimaschutz, der diesen Namen verdient hat, sich in einer drastischen Reduzierung der anthropogenen Treibhausgase manifestieren muss.
Mein Vorschlag: Klimaschutz zum Unwort des Jahres 2020 zu wählen
Klimaschutz zum Unwort des Jahres 2020 zu wählen, macht schon deshalb Sinn, weil Deutschland als eine der führenden Industrienationen die Mittel und die Möglichkeiten gehabt hätte, mit gutem Beispiel voran zu gehen.
Heute, wo der Klimawandel in den Bränden der Urwälder, beim Auftauen des Permafrostes beim Schmelzen des Eises in Arktis und Antarktis und nicht zuletzt beim nun massiv einsetzenden Waldsterben allgegenwärtig ist, müssen wir einsehen: wir haben es verpennt.
Ich vermute aber, genau wie der Raucher an seinen Zigaretten bleibt die Politik an der Nadel des Wirtschaftswachstums hängen.
Seit Jahren streiten wir über eine Therapie zum Klimawandel, nennen es Klimaschutz und wissen, dass das für den kranken Planet weniger ist als ein Trostpflaster.
Es ist an der Zeit Farbe zu bekennen. Klimaschutz zum Unwort des Jahres 2020 zu machen wäre ein erster Schritt. Oder sollten wir damit beginnen, das Abkommen von Paris aus dem Jahre 2015 ernst zu nehmen?
Ich vermute aber, genau wie der Raucher an seinen Zigaretten bleibt die Politik an der Nadel des Wirtschaftswachstums hängen. Wie der Teufel das Weihwasser fürchtet die Regierung ökonomische Krisen. Obwohl die immer nur temporär sind, steuert sie uns lieber sehenden Auges in die – dauerhafte – ökologische Katastrophe. Und vielleicht ist es ja eh schon zu spät. Dann können wir noch ein wenig auf dem Vulkan tanzen.
Vorschläge zum Unwort des Jahres 2020 können noch bis zum 31. Dezember 2020 eingereicht werden. Beteiligen Sie sich. Klimaschutz wäre mein Favorit.
Diskutieren Sie mit