Wärme hat einen großen Anteil am Energieverbrauch in Deutschland – bislang vor allem mit den fossilen Energieträgern Gas und Öl. Von diesen müssen wir uns bis spätestens 2045 verabschieden, um das Ziel einer klimaneutralen Energieversorgung zu erreichen. Eine Maßnahme von vielen, die dazu beitragen, dieses Ziel zu schaffen, ist der Ausbau der Wärmenetze. Welche Wärmequellen stehen für die Wärmenetze zur Verfügung?
Warum wir neue Wärmequellen brauchen
Bis 2028 müssen rund 11.000 Kommunen in Deutschland kommunale Wärmepläne erstellen und dabei die Möglichkeiten zum Aufbau eines lokalen Wärmenetzes prüfen. Diese Wärmenetze sollen nach Angaben der Bundesregierung eine tragende Rolle in der klimaneutralen Wärmeversorgung der Zukunft spielen.
Vorhandene Netze liefern Wärme mit einem Anteil von 30 Prozent Erneuerbare Energien und Abwärme, so der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V. (AGFW). Allerdings stammen rund 40 Prozent dieser Wärme aus der thermischen Verwertung von Abfall. Damit bestehende und neue Netze in Zukunft klimaneutrale Wärme liefern, müssen einige neue Wärmequellen erschlossen werden.
Fahrplan zur Dekarbonisierung der Wärmenetze
Ein wichtiger Bestandteil des Gesetzes für die kommunale Wärmeplanung ist die Dekarbonisierung der Wärmenetze. Seine Regelungen geben Netzbetreibern einen Fahrplan für die zunehmende Einspeisung von Wärme aus erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme an die Hand.
Diese Anteile in allen Wärmenetzen müssen ab
- 01.01.2030 mindestens 30 Prozent betragen und ab
- 01.01.2040 mindestens 80 Prozent erreichen.
Ab 01.03.2025 gilt für neue Wärmenetze ein Anteil der erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme von mindestens 65 Prozent.
Bis spätestens zum 31.12.2044 müssen Wärmenetze vollständig mit Wärme aus erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme gespeist werden. Wärme aus Biomasse darf in Netzen mit einer Länge von mehr als 50 km maximal 15 Prozent betragen.
Alle Betreiber eines Wärmenetzes müssen bis 31.12.2026 einen Fahrplan für Ausbau und Dekarbonisierung ihres Wärmenetzes erstellen und den zuständigen Behörden vorlegen. Diese Pläne müssen den Anforderungen nach Anlage 3 des Gesetzes entsprechen. Netzbetreiber müssen der Öffentlichkeit auf ihren Webseiten ihren Fahrplan zur Dekarbonisierung zur Verfügung stellen. Spätestens nach fünf Jahren müssen sie den eigenen Fahrplan überprüfen und bei Bedarf überarbeiten.
Neue klimaneutrale Wärmequellen
Für eine vollständige Dekarbonisierung der Wärmenetze müssen auch neue, bisher nicht oder nur wenig genutzte Technologien zum Einsatz kommen.
Das Gesetz definiert in § 3 Absatz 1 Punkt 15 eine Reihe von Technologien, die als Wärme aus erneuerbaren Energien gelten. Dazu gehören u. a. Umweltwärme, Erdwärme, Abwasser, Solarthermie, Biomasse, Biomethan, Wärmepumpen, Strom und aus grünem Wasserstoff.
Bereits heute ist in Wärmenetzen die Nutzung der Solarthermie und Bioenergie sowie der Geothermie bekannt. Diese Technologien haben sicher noch ein großes Potenzial für den weiteren Ausbau.
Für eine vollständige Dekarbonisierung der Wärmenetze müssen auch neue, bisher nicht oder nur wenig genutzte Technologien zum Einsatz kommen. Dazu gehören Abwasser und Gewässer als Wärmequelle für Wärmepumpen, Wärme aus Strom im Rahmen der Sektorenkopplung und die Nutzung der Abwärme aus Industrieprozessen und Rechenzentren.
Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung stehen die Kommunen vor der Aufgabe, die jeweiligen lokalen Potenziale dieser Wärmequellen zu untersuchen und geeignete Quellen für ihr Wärmenetz einzusetzen.
Strom zu Wärme
Zunächst klingt es ungewohnt, Strom für die Wärmeversorgung zu nutzen. Doch bei der Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien wird es in Zukunft immer häufiger zu Stromüberschüssen kommen, die sinnvoll genutzt werden sollten.
Mit einem Elektrodenheizkessel können Betreiber der Wärmenetze die elektrische Energie nahezu ohne Verluste in Wärmeenergie umwandeln. Die Funktion ist vergleichbar mit einem Tauchsieder oder Wasserkocher, also keine neue Technologie. Man spricht hier von Power-to-Heat.
Durch den Einsatz von Wärmespeichern, zum Beispiel in großen, gedämmten Wasserbecken, ist es möglich, Wärmeerzeugung und Stromerzeugung zeitlich zu entkoppeln.
Das Potenzial dieser Technologie ist abhängig vom Ausbau der Netze und dem verfügbaren Anteil der Wind- und Solarenergie. Letztlich werden aber die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen entscheidend für den wirtschaftlichen Einsatz sein.
Abwasser
Das Wasser in den Abwasserleitungen und in der Kanalisation hat im Laufe der Heizperiode eine Temperatur zwischen zehn und 15 Grad Celsius. Damit eignet es sich als Wärmequelle für eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe mit hohem Wirkungsgrad. Voraussetzung ist der Einbau eines geeigneten Wärmetauschers im Abwasserkanal, der die Wärme des Abwassers für die Wärmepumpe aufnimmt.
Eine Untersuchung mit Auswertung diverser Potenzialanalysen durch das ifeu-Institut ergibt ein technisches und ökonomisch nutzbares Potenzial zwischen 21 und 33 TWh Wärme. Dies entspräche 3,2 bis 4,9 Prozent der gesamten Nutzwärme in Deutschland.
Unvermeidbare Abwärme vieler Industrieanlagen, die nicht verringert oder im Produktionsprozess genutzt werden kann, wird bislang ungenutzt in die Luft oder in Gewässer abgeleitet.
Gewässer
Vergleichbar mit dem Abwasser kann auch die in See- und Flusswasser enthaltene Wärme als Wärmequelle genutzt werden. Bei einer Temperatur von mindestens drei bis acht Celsius und einem ausreichenden Wasservolumen für den Wärmetauscher können große Wärmepumpen diese Wärme nutzbar machen.
Laut einer Publikation der Agora Energiewende haben See- und Flusswasser ein Potenzial für 86 TWh Wärme, das entspricht rund acht Prozent des Bedarfs an Wärme bis zu einer Temperatur von 200 Grad Celsius in Deutschland.
Abwärme aus Industrieprozessen
Unvermeidbare Abwärme vieler Industrieanlagen, die nicht verringert oder im Produktionsprozess genutzt werden kann, wird bislang ungenutzt in die Luft oder in Gewässer abgeleitet. Wärme aus der Müllverbrennung, der sogenannten thermischen Abfallbehandlung, gilt als unvermeidbare Abwärme.
Im Zuge eines effizienten Energieeinsatzes müssen Industriebetriebe mit einem Endenergieverbrauch von mehr als 2,5 GWh pro Jahr ihre Abwärme möglichst minimieren oder im Unternehmen nutzen, soweit es wirtschaftlich, sicherheitstechnisch oder aus sonstigen produktionstechnischen Gründen mit vertretbarem Aufwand möglich ist.
Daten zu potenziellen Abwassermengen und -temperaturen müssen sie laut Energieeffizienzgesetz Wärmenetzbetreibern und Versorgern auf einer öffentlichen Plattform zur Verfügung stellen.
Nach der o. g. Publikation der Agora Energiewende kommt industrielle Abwärme auf ein Potenzial von 52 TWh für die Wärmenutzung. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI kam 2020 in einer Untersuchung auf ein Potenzial der industriellen Abwärme von 29 Petajoule (8,06 TWh).
Abwärme aus Rechenzentren
Die zunehmende Digitalisierung in allen Lebensbereichen erfordert einen hohen Stromverbrauch für Rechenzentren. 2022 lag deren Strombedarf in Deutschland bei 18 Milliarden Kilowattstunden (kWh), zehn Jahre vorher betrug er noch 11 Milliarden Kilowattstunden.
Die dort entstehende Abwärme wird bisher an die Umgebung abgegeben. Aus diesem Grund sieht das Energieeffizienzgesetz eine verpflichtende Nutzung eines gewissen Anteils dieser Abwärme vor.
Alleine in Frankfurt am Main, der Stadt mit den meisten Rechenzentren in Deutschland, könnten sie theoretisch 642 GWh Abwärme im Jahr liefern.
Fazit
Neue Wärmequellen ohne klimaschädliche Emissionen haben ein großes Potenzial für die Wärmeversorgung in Deutschland. Sie stehen noch ganz am Anfang, bislang haben Energieversorger nur wenig Erfahrungen mit klimafreundlichen Quellen sammeln können. Doch es wird Zeit, mit einer Energiewende im Wärmesektor anzufangen. Die kommunale Wärmeplanung wird die Grundlage für viele weitere Wärmenetze legen, die alle mit diesen neuen und den bekannten Wärmequellen Solar- und Bioenergie sowie Erdwärme arbeiten werden.
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