Wärmenetze für die Wärmewende unverzichtbar

Gastautor Portrait

Dr. Jens Clausen

Senior Researcher, Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit gemeinnützige GmbH

Dr. rer. pol. Jens Clausen ist Mitgründer des Borderstep Instituts. Der Diplomingenieur für Maschinenbau leitet als Senior Researcher das Borderstep Büro Hannover. Im Jahre 2004 promovierte er am Institut für Institutionelle und Sozial-Ökonomie der Universität Bremen und seit 2019 koordiniert er die Regionalgruppe der Scientists4Future in der Region Hannover. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit Gründungs-, Innovations- und Transformationsforschung. Sein besonderes wissenschaftliches Interesse gilt den Themen Wärme, Elektromobilität und Digitalisierung. Foto: Tom Deutschmann

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15. Januar 2024
Bild: LegART/Shutterstock.com

In vielen Szenarien der zukünftigen Wärmeversorgung finden wir zwei Technologien, die die Wärmeversorgung spätestens in den 2040er Jahren dominieren werden. Das ist zum einen die Wärmepumpe, die ungefähr jede zweite Wohnung wärmen wird, und es sind Wärmenetze, die jede vierte Wohnung mit Wärme versorgen werden. Die Wärmeversorgung durch Holz oder Biogas wird dagegen keine wesentlich größere Rolle spielen als heute, denn die Ressourcen sind begrenzt. Und eine aktuelle Studie der Boston Consulting Group lässt Wasserstoffpreise erwarten, die seinen Einsatz als Heizgas in der Gastherme immer deutlicher als Lobbyistentraum erscheinen lassen. Selbst große Gasversorger sehen den Einsatz von grünen Gasen, also Wasserstoff und Biogas, fast nur noch für Spitzenlastwärmeerzeuger in Fernwärmenetzen als wahrscheinlich an und nicht in einzelnen Wohnungen oder Betrieben.

Insgesamt werden Wärmenetze wichtiger. Bei genauem Hinschauen fällt dabei auf, dass es eine ganze Reihe grundverschiedener Typen von Wärmenetzen gibt. Sie alle haben für die Wärmewende Bedeutung und steuern schon heute insgesamt ungefähr ein Siebtel der Heizwärme bei.

Die großen Fernwärmenetze

Zwar wird auch in Zukunft noch einiges an Müll und Klärschlamm verbrannt werden, aber im Großen und Ganzen bedeutet der Ausstieg aus den Fossilen auch eine drastisch sinkende Bedeutung der Verbrennung als Wärmequelle.

Dr. Jens Clausen

Viele große Städte verfügen über Fernwärmenetze, in denen Heizwasser mit hohen Temperaturen von bis zu 130 °C in die Häuser transportiert wird. Sie entstanden aus der Erkenntnis heraus, dass sich mit der Abwärme fossiler Kraftwerke trefflich heizen lässt. Die Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung etablierte sich als fossile Effizienztechnologie und steuert auch heute in den großen Netzen noch 70 % der Wärmemenge bei. Die großen Wärmenetze stehen vor zwei Herausforderungen: Sie müssen weg von den Fossilen Energien und es müssen 70 % ihrer Wärmemenge auf andere Wärmequellen verlagert werden. Zwar wird auch in Zukunft noch einiges an Müll und Klärschlamm verbrannt werden, aber im Großen und Ganzen bedeutet der Ausstieg aus den Fossilen auch eine drastisch sinkende Bedeutung der Verbrennung als Wärmequelle.

Stattdessen könnte die Wärmepumpe auch in Wärmenetzen ihre Stärken ausspielen, aus dem Abwasser der Klärwerke oder auch der Abwärme von Rechenzentren nutzbare Wärme zu gewinnen. Besondere Bedeutung haben die Flüsse als Wärmequelle. Die TU Braunschweig errechnet ein bundesweites Potenzial an Flusswasserwärme von ca. 500 TWh, mehr als die Hälfte des gesamten Wärmebedarfs. Dies kann erschlossen werden, wenn man Flusswasser durch Wärmepumpen um 2 Kelvin abkühlt. Und man muss wissen, dass die Flüsse aufgrund des Klimawandels heute 2 bis 3 Kelvin wärmer sind, als vor 100 Jahren. Die Stadtwerke Hannover enercity AG planen zwei Projekte an der Leine (30 MW) und am Klärwerk (30 MW). Hamburg Energy plant 230 MW Flusswasser-Wärmepumpen an Elbe und Bille. Auch geothermische Wärme, Abwärme aus der Industrie und in geringem Ausmaß die Verbrennung von Holz und Biomasse aus regionalen Überschüssen werden anteilig Wärme beitragen. Holzimporte sollten genauso wie Mülltourismus vermieden werden.

Die winterliche Spitzenlast können auf Wasserstoff umgestellte Gaskraftwerke beisteuern, die auch in Situationen der Strommangellage angeworfen werden und dann Strom erzeugen. Da aber auch die Abwärme genutzt wird, können vielleicht einige Großwärmepumpen abgeschaltet werden. Durch Ausnutzung der Sektorkopplung würde so selbst aus Abwärme quasi bilanziell noch Strom. Beispiel Hamburg: 200 MW Strom Spitzenlast würde bedeuten, dass 300 MW Abwärme ins Netz eingespeist werden. Damit könnte dann die in einigen Jahren laufendes Flusswasserwärmepumpe an der Elbe abgeschaltet werden, was weitere 80 MW Entlastung des Stromnetzes ergeben würde.

Wärmnetze rund um Blockheizkraftwerke

Seit den 1970er Jahren gilt das Blockheizkraftwerk als Effizienzwunder. Leider beruht es auf dem Verbrennungsprinzip und Blockheizkraftwerke nutzen größtenteils fossiles Erdgas, teilweise auch Biogas. Auch hier entsteht Abwärme bei hohen Temperaturen, so dass auch energetisch schlechte Gebäude problemlos beheizt werden können. Fällt in Zukunft die Möglichkeit, preiswerte Brennstoffe kaufen zu können, weg, ist die Zeit der Blockheizkraftwerke vorbei. Ein Nachfolger wird noch gesucht. Vielleicht könnte man Grund- und Mittellast durch eine Wärmepumpe erzeugen und dadurch den in Zukunft extrem teuren Brennstoffbedarf auf ein Minimum zur Deckung der Spitzenlast reduzieren.

Wärmenetze mit abgesenkter Temperatur und „Kalte Wärmenetze“

Auch die energetische Sanierung oder der Einbau einer intelligenten Heizungssteuerung hilft, die Gebäude für die Versorgung mit „kälterer Wärme“ fit zu machen.

Dr. Jens Clausen

Die zweite Möglichkeit, die es natürlich auch bei den großen Fernwärmenetzen gibt, ist die deutliche Absenkung der an die Kunden gelieferten Vorlauftemperatur des Heizwassers. Senkt man diese von 100 °C oder 130 °C auch im Winter auf z.B. 65 °C ab, dann kann eine Großwärmepumpe ganzjährig die Versorgung übernehmen. Das hat allerdings Folgen für die angeschlossenen Gebäude. Diese müssen ihre Energieeffizienz nun steigern und ihre Wärmeverteilung umbauen, so dass sie auch mit der reduzierten Vorlauftemperatur gemütlich warm werden. Auch die energetische Sanierung oder der Einbau einer intelligenten Heizungssteuerung hilft, die Gebäude für die Versorgung mit „kälterer Wärme“ fit zu machen.

Ganz kalte Wärmenetze verteilen auch schon mal Wärme bei einer Vorlauftemperatur von nur 10 °C. Hier muss jeder angeschlossene Haushalt über eine eigene Wärmepumpe verfügen, die einen Teil der Wärmepotenzials des kalten Netzes zur Erzeugung eigener Heizwärme nutzt.

Wärmenetze und Wärmeplanung

Wo aber gibt es Wärmenetze und noch schwieriger: wo sollte es welche geben? Der öffentliche Pan European Thermal Atlas lässt dies zumindest grob erkennen. Überall, wo die Wärmebedarfskarte violett oder rot zeigt, sollte die Machbarkeit eines Wärmenetzes durch die Kommune oder den lokalen Energieversorger geprüft werden. Dies sind oft Gebiete verdichteter Bebauung, in denen es u. U. schwer ist, Platz für eine Erdsondenbohrung oder einen Luftwärmetauscher zu finden. Gerade Mehrfamilienhausbesitzende finden es oft hilfreich zu erkennen, dass sie in einigen Jahren ihren Gaskessel zugunsten eines Fernwärmeanschlusses abschalten können. Das erspart ihnen die komplexe Planung einer anderen Heiztechnik.

Wichtig ist also, dass die Lage von bestehenden und zukünftigen Fern- und Nahwärmenetzen rasch bekannt gemacht wird. Denn nur dann kennen die Bürgerinnen und Bürger ihre zukünftigen Optionen und können sich überlegen, wie sie ihre Gebäude für die Klimaneutralität fit machen.

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  1. Serina Hirschmann

    vor 3 Monaten

    Eine gute treffende Zusammenfassung, die klar sagt, dass Wasserstoff für die Wärmewende in den Privathaushalten keine große Rolle spielen wird. Leider scheinen immer noch viele zu denken, dass das die Lösung sei, wenn man jüngst im Staatsanzeiger liest, das eine erhebliche Anzahl der - man muss vermutlich sagen hopplahopp erstellten Wärmepläne - für Städte und Kommunen Wasserstoff als Ressource für Heizwärme als Option in ihren Wärmewendestrategien propagieren.

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