Negativemissionen: Was ist das und warum benötigen wir sie?

Gastautor Portrait

Simon Göß und Hendrik Schuldt

carboneer

Simon Göß arbeitet seit zehn Jahren zu Themen rund um Energie- und Kohlenstoffmärkten. Er ist zertifizierter Händler an der European Energy Exchange (EEX AG) und leitet Seminare und Workshops sowie Beratungsprojekte zu den Themen Energie- und Kohlenstoffmärkte, Energiewende, Klimalösungen und industrieller Dekarbonisierung. Als Geschäftsführer von carboneer berät Simon Göß Unternehmen strategisch zu CO2-Märkten, Carbon Removal und Net-Zero-Strategien. Er studierte nachhaltige Energietechnik (M. Sc. Honours) an der Delft University of Technology, Niederlande und Umwelt- und Ressourcenmanagement (B. Sc.) an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. Als Geschäftsführer von carboneer begleitet Hendrik Schuldt produzierende Unternehmen, Dienstleister & Verbände dabei, die vielseitigen Themen CO2-Markt-Verpflichtungen, Klimaneutralität, und Klimakompensation ganzheitlich in bestehende Prozesse zu integrieren. Er arbeitete für mehrere akademische Institutionen zu den Themen Finanzmärkte und Klimapolitik. Parallel dazu leitet er die NGO Compensators und unterstützte bereits mehr als 60 Unternehmen auf ihrem Weg zur Verbesserung ihres CO2-Fußabdrucks. Er hat Abschlüsse in Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftswissenschaften (M. Sc.) von der Humboldt-Universität zu Berlin und Umwelt- und Ressourcenmanagement (B. Sc.) von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus.

weiterlesen
12. Juli 2023

Netto-Null-Ziele rücken in den Mittelpunkt der Klimapolitik, und zwar sowohl auf politischer als auch unternehmerischer Seite. Negative Emissionen, also die physikalische Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre, werden entscheidend für das Erreichen der Ziele des Pariser Übereinkommens aber auch nationaler Klimaziele, etwa in Deutschland, sein. Ebenso geraten unternehmerische Klimastrategien und deren Umsetzung immer stärker in den kritischen Fokus. Hier können Lösungen zur Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal oder Carbon Removal) eine wichtige Rolle spielen. In diesem Beitrag geben Simon Göß und Hendrik Schuldt einen Überblick. Sie sind Geschäftsführer der auf CO2-Märkte, Klimaneutralität und Carbon Management spezialisierten Unternehmensberatung carboneer.

Terminologie für negative Emissionen

Ein Land oder eine Organisation erreicht Netto-Null-Emissionen oder Treibhausgasneutralität, wenn die Menge an entfernten Emissionen diejenige der Restemissionen erreicht. Wenn also bilanziell keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre gelangen.

Simon Göß und Hendrik Schuldt

Selbst nach starken Emissionsminderungen in allen Wirtschaftsbereichen durch Ausbau erneuerbarer Energien, Steigerung der Energieeffizienz und Reduktion des Energieverbrauchs werden unvermeidbare Restemissionen, beispielsweise aus industriellen Prozessen, verbleiben. Aus der Atmosphäre müssen dann aktiv Treibhausgase entfernt werden, um die Emissionen bilanziell zu eliminieren.

Ein Land oder eine Organisation erreicht Netto-Null-Emissionen oder Treibhausgasneutralität, wenn die Menge an entfernten Emissionen diejenige der Restemissionen erreicht. Wenn also bilanziell keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre gelangen. Die aus der Atmosphäre entnommenen Mengen werden auch als negative Emissionen bezeichnet. Allerdings muss zwischen Kohlenstoffentnahme (Carbon Dioxide Removal) aus der Atmosphäre, Kohlenstoffabscheidung und -speicherung aus fossilen Quellen (Carbon Capture and Storage – CCS) sowie Kohlenstoffabscheidung und -nutzung (Carbon Capture and Use oder Utilisation – CCU) unterschieden werden.

Die Nutzung von CCS bei Verbrennung fossiler Brennstoffe verhindert, dass Emissionen überhaupt erst in die Atmosphäre gelangen, entnimmt aber keine Emissionen aus der Atmosphäre. Es handelt also nicht um eine negative Emissionstechnologie. CCU bezieht sich auf die Verwendung von abgeschiedenem CO2 bei der Herstellung von Kraftstoffen oder anderen Produkten. Ob ein bestimmtes CCU-Verfahren oder -Produkt tatsächlich zu negativen Emissionen führt oder nicht, hängt davon ab, woher das abgeschiedene CO2 stammt und wie lange die Lebensdauer des betreffenden Produkts ist. Abbildung 1 verbildlicht diese Unterschiede.

Abbildung 1: Unterschiede zwischen Carbon Removal, CCU und fossilem CCS

Quelle: carboneer

Wie viele Negativemissionen benötigen wir?

Basierend auf mehreren globalen Klimaszenarien, wird deutlich, dass Kohlenstoffentnahmen ab den 2030er Jahren auf den Gigatonnen-Maßstab skaliert sein müssen. Aber auch das deutsche Klimaziel, Klimaneutralität bis 2045, ist ohne Negativemissionen nicht erreichbar. Abbildung 2 zeigt den erheblichen Bedarf an negativen Emissionen in Deutschland im Jahr 2045: nämlich im Durchschnitt 74 Megatonnen CO2-äq oder etwa zehn Prozent der heutigen Gesamtemissionen. Dies bedeutet, dass Lösungen schon jetzt entwickelt und angewandt werden müssen.

Abbildung 2: Erforderliche jährliche negative Emissionen nach Szenario (grüne Balken) und im Durchschnitt (orangenfarbene Linie) in MtCO2-äq im Jahr 2045 in Deutschland

Quelle: carboneer

Welche Technologien für negative Emissionen gibt es?

Grob wird zwischen naturbasierten und technologischen Lösungen zur Kohlenstoffentnahme unterschieden. Die vorherrschende naturbasierte Lösung ist (Wieder-)aufforstung, aber auch die Renaturierung von Mooren, die verstärkte Bindung von Kohlenstoff in Böden durch veränderte landwirtschaftliche Praktiken oder auch der Anbau von Seetang im Meer fallen in diese Kategorie. Auf der technologischen Seite erfolgt Abscheidung und Speicherung von CO2 aus der Luft mithilfe von Direct Air Capture and Carbon Storage (DACCS). Hybridlösungen existieren ebenfalls, wie Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (BECCS) oder die Herstellung von Biokohle aus Biomasse. Abbildung 3 zeigt eine Auswahl gängiger Negativemissionstechnologien.

Abbildung 3: Ausgewählte Negativemissionstechnologien

Quelle: carboneer

Integration von Negativemissionen in Klimaziele

Da Negativemissionen für die Klimaziele von Staaten und Unternehmen eine wichtige Rolle spielen, ist Messbarkeit und Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Lösungen unabdingbar. Besonders im Zuge von Klima-Claims, Offsetting (Stichwort: EU Green Claims Directive) und Klimazielen nach international anerkannten Standards, etwa der Science Based Targets Intiative (SBTi), sind Carbon Removal Lösungen von großer Bedeutung. Um echten Nutzen für das Klima zu erzielen, dürfen jedoch nur qualitativ hochwertige Zertifikate für Minderungen und Kohlenstoffentnahme in privatwirtschaftlichen und freiwilligen als auch staatlichen Initiativen berücksichtigt werden. Die Qualitätsstandards und Maßnahmen bei vielen Unternehmen können und müssen hier noch deutlich verbessert werden.

Einen Rechtsrahmen zum Thema entwickelt derzeit die EU-Kommission. Der EU-Zertifizierungsrahmen für Kohlenstoffentnahmen oder Carbon Removal Certification Framework (CRCF) soll durch die Einführung von Standards und Zertifizierungsverfahren Vertrauen aufbauen und damit Lösungen für die Kohlenstoffentnahme fördern, Konzepte für eine klimaeffiziente Landwirtschaft (carbon farming) unterstützen, und Greenwashing verhindern. Ebenso sollen Finanzierungsmöglichkeiten aus öffentlichen und privaten Quellen angereizt werden.

Zögern Sie nicht uns für weiterführende Diskussionen und Fragen zum Thema Negativemissionen und Kohlenstoffentnahme zu kontaktieren. Das Team von carboneer steht Ihnen gerne zur Verfügung.

Über die Autoren

Simon Göß

Geschäftsführer von carboneer

Simon Göß arbeitet seit zehn Jahren zu Themen rund um Energie- und Kohlenstoffmärkten. Er ist zertifizierter Händler an der European Energy Exchange (EEX AG) und leitet Seminare und Workshops sowie Beratungsprojekte zu den Themen Energie- und Kohlenstoffmärkte, Energiewende, Klimalösungen und industrieller Dekarbonisierung. Als Geschäftsführer von carboneer berät Simon Göß Unternehmen strategisch zu CO2-Märkten, Carbon Removal und Net-Zero-Strategien. Er studierte nachhaltige Energietechnik (M. Sc. Honours) an der Delft University of Technology, Niederlande und Umwelt- und Ressourcenmanagement (B. Sc.) an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus.

Hendrik Schuldt

Geschäftsführer von carboneer

Als Geschäftsführer von carboneer begleitet Hendrik Schuldt produzierende Unternehmen, Dienstleister & Verbände dabei, die vielseitigen Themen CO2-Markt-Verpflichtungen, Klimaneutralität, und Klimakompensation ganzheitlich in bestehende Prozesse zu integrieren. Er arbeitete für mehrere akademische Institutionen zu den Themen Finanzmärkte und Klimapolitik. Parallel dazu leitet er die NGO Compensators und unterstützte bereits mehr als 60 Unternehmen auf ihrem Weg zur Verbesserung ihres CO2-Fußabdrucks. Er hat Abschlüsse in Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftswissenschaften (M. Sc.) von der Humboldt-Universität zu Berlin und Umwelt- und Ressourcenmanagement (B. Sc.) von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus.

Diskutieren Sie mit

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

Negativemissionen: Was ist das und warum benötigen wir sie?
0
0