Negativemissionen: Einführung in unseren neuen Themenschwerpunkt

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Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
19. Juni 2023

Uns verbleiben noch 22 Jahre um Klimaneutralität zu erreichen. Das Ziel der EU für das Jahr 2045 bedeutet, dass der Anteil von CO2 und anderen Treibhausgase in der Atmosphäre ab dann nicht mehr steigt. Das allein wird eine Herkulesaufgabe. Aber selbst wenn alle geplanten Reduktionsminderungen fristgerecht umgesetzt werden, wird das Ergebnis nicht Netto-Null sein. Denn einige Wirtschaftssektoren werden über die Mitte des Jahrhunderts hinaus das Klima belasten. In Europa, so wird geschätzt, wird allein die Landwirtschaft nach 2045 Methan in der Größenordnung von 275 Mio. Tonnen pro Jahr verursachen.

Um Klimaneutralität zu erreichen, führt nach Stand von heute, kein Weg daran vorbei, über Negativemissionen der Atmosphäre CO2 zu entziehen. Global werden wir 10 bis 20 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr der Atmosphäre wieder entnehmen müssen, um die Erwärmung unter zwei Grad zu halten, meint der Weltklimarat IPCC.

Negativemissionen: Mittel und Wege

Negativemissionen werden definiert als Verfahren, „CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen und dauerhaft in geologischen, terrestrischen oder ozeanischen Reservoirs oder in Produkten zu speichern“. Wikipedia nennt als heute zur Verfügung stehende Optionen:

  • Aufforstung und Wiederaufforstung
  • Gewinnung von Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (Bioenergy with Carbon Capture and Storage – BECCS) – oder Verwertung – (Carbon Capture, Utilization and Storage CCUS)
  • unterirdische Einlagerung von Holz
  • Herstellung von Biokohle
  • Ozeandüngung z. B. mittels Eisen
  • elektrochemische Prozesse, die CO2 dem Meerwasser entziehen
  • Pyrogene CO2-Abscheidung und -Speicherung (PyCCS)
  • modifizierte Verwitterungsverfahren (Enhanced Weathering)
  • Gewinnung von Kohlenstoff aus der Umgebungsluft, Abscheidung und Lagerung (Direct Air Capture and Storage – DACCS)
  • Nutzung von Holz und Karbonmaterialien bei der Errichtung von Bauten
  • CO2-Speicherung in Betongranulat für die Herstellung von Beton aus Sekundärrohstoffen

Alle Verfahren haben unterschiedliche Vor- und Nachteile. Bei der Wirtschaftlichkeit fällt ein Vergleich schwer. So belaufen sich die Kosten bei DAC pro Tonne CO2 aktuell zwischen 600 bis 1100€/ und könnten bei einer industriellen Größenordnung auf 100 bis 200€/t CO2 sinken.

Biologische wie geochemische Techniken wie die Anwendung von Pflanzenkohle und beschleunigte Verwitterung variieren zwischen 10 bis 345 €/t. Bei der beschleunigten Verwitterung in Böden oder Ozeanen werden unkalkulierbare Auswirkungen auf die Ökosysteme befürchtet. Im Rahmen unseres Schwerpunktes werden wir einzelne Verfahren vorstellen und Vor- sowie Nachteile im Detail erörtern.

Wie wird kann eine Industrie des Großreinemachen der Atmosphäre entstehen?

Allein Deutschland verursacht Kohlenstoffdioxid-Emissionen in Höhe von rund 675 Millionen Tonnen.

Während – auch die großflächige – Aufforstung und seine Wirkungen kaum noch Fragen mehr offen lässt, stehen andere Methoden noch ganz am Anfang . Es besteht hoher Forschungs- und Entwicklungsbedarf aus den Ideen sichere, bezahlbare und wirkungsvolle Projekte zu machen. Die EU unterstützt durch fast 40 Milliarden schweren Euro Innovation Fund auch den Bau von Pilotanlagen zur CO2-Entnahme. Gefördert werden auch länderübergreifende Infrastrukturprojekte und Netzwerke.

Beim bereits laufenden Verfahren der Schweizer Firma Climeworks saugen riesige Ventilatoren Luft an und filtern das Kohlendioxid aus heraus. Auf der Fläche eines Baumes könnten die sogenannten Direct Air Capture-Anlagen (DACCS) tausendmal mehr CO2 auffangen als ein Baum. Das Verfahren ist teuer: Eine Tonne CO2 aus der Luft zu filtern kostet etwa 600 US-Dollar. Christoph Gebald, Geschäftsführer bei Climeworks: „Um ein Prozent der globalen Emissionen rauszuholen bräuchten wir 250.000 Anlagen.“

Um die Vision einer klimaneutralen Wirtschaft voranzutreiben, hat sich cr.network gegründet. Dahinter verbirgt sich eine Kommunikationsplattform für Projektentwickler, emittierende Unternehmen, Investoren, Politik und Wissenschaft. Ziel der Initiative ist die Entwicklung eines Marktumfeldes, das die Standardisierung, Bezahlbarkeit und Einsetzbarkeit entsprechender Technologien begünstigt, Lerneffekte verstärkt, Investitionen mobilisiert, und die verschiedenen Lösungen für ihren großflächigen Einsatz vorbereitet.

Über welche CO2 Mengen reden wir?

Das globale CO2-Restbudget, das die Gesamtmenge der CO2-Emissionen angibt, welche maximal mit dem Klimaziel vereinbar ist, lässt sich aus dem im Klimaabkommen von Paris beschlossenen globalen Temperaturziel ableiten. Der Weltklimarat IPCC gibt das globale CO2-Restbudget in seinem 2018er Sonderbericht mit 420 Gigatonnen an, wenn das 1,5-Grad-Ziel (bezüglich der mittleren globalen Oberflächentemperatur) mit 66 % Wahrscheinlichkeit erreicht werden soll. Bei gleichbleibendem Ausstoß wäre dieses Budget in sieben Jahren aufgebraucht bis zum Jahre 2028.

Allein Deutschland verursacht Kohlenstoffdioxid-Emissionen in Höhe von rund 675 Millionen Tonnen. Weltweit reden wir über die 50-fache Menge – weiterhin mit steigender Tendenz (s. Grafik). Die Atmosphäre so wie bisher oder nur weiter zu belasten oder die CO2-Emissionen nur etwas herunter zu fahren, ist daher keine Option.

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