Negative Emissionen durch Humusaufbau in Böden – wie viel ist möglich?

Gastautor Portrait

Prof. Dr. Axel Don und Sophie Drexler

Thünen Institut für Agrarklimaschutz

Prof. Dr. Axel Don ist Geoökologe und Bodenwissenschaftler. Er forscht zum Thema klimafreundliche Landwirtschaft und Humus und ist stellvertretender Institutsleiter am Thünen Institut für Agrarklimaschutz. An der Technische Universität Braunschweig hat er einen Lehrauftrag und leitet internationale und nationale Forschungsprojekte zum Thema Humusmanagement, CO2-Senken und Humusfunktionen. Sophie Drexler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Thünen-Institut für Agrarklimaschutz und hat Bodenwissenschaften an der Universität und FH Osnabrück und der HU Berlin studiert. Sie forscht zur Rolle von Hecken als Klimaschutzmaßnahme in der Landwirtschaft und ist Teil des Teams der nationalen Emissionsberichterstattung für den Bereich Landnutzung für Deutschland.

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17. Juli 2023

Wer Humus aufbaut, kann der Atmosphäre damit Kohlenstoffdioxid entziehen und macht seinen Boden gleichzeitig bereit für die Klimawandelbedingungen. Welche Potentiale Humusaufbau für den Klimaschutz in Deutschland hat stellen Axel Don und Sophie Drexler vor.

Negative Emissionen als Geschäftsmodell

In der Landwirtschaft bietet sich die besondere Möglichkeit, Treibhausgase aus der Atmosphäre wieder einzufangen und rückgängig zu machen als sogenannte »negative Emissionen«. Indem die Kohlenstoffvorräte der Landökosysteme, wie Baumbiomasse in Wäldern oder Humusvorräte in Böden, erhöht werden, kann CO₂ aus der Atmosphäre klimaunschädlich gebunden werden. Vor diesen Hintergrund sind Carbon Farming Initiativen entstanden. Ein Geschäftsmodell, bei dem Landwirtinnen und Landwirte für Klimaschutzmaßnahmen honoriert werden.

Humuszertifikate werden von Firmen oder Initiativen erstellt, damit Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen als klimafreundlich bewerben können und gleichzeitig ein Beitrag zum Klimaschutz erreicht wird.

Grafik: Thünen Institut, M. Zech

Ist Carbon Farming wirklich Klimaschutz?

Das klingt nach einem guten Modell für alle Beteiligten: Maßnahmen für Klimaschutz und Humusaufbau werden für Landwirtinnen und Landwirte auch finanziell attraktiver. Für Zertifizierer entsteht ein neues Geschäftsfeld und für Unternehmen bieten sich lokale Möglichkeiten zur Kompensation ihrer Treibhausgasemissionen. Und nicht zuletzt entsteht vor allem für die Gesellschaft ein Mehrwert durch resilientere Böden und mehr Klimaschutz.

Doch für die Anerkennung von CO2-Kompensationsprojekten gelten klare Qualitätskriterien – nur wenn diese Kriterien erfüllt werden, kann Carbon Farming wirklich zum Klimaschutz beitragen:

  • Nachweis: Die erreichte Reduzierung von Treibhausgasemissionen oder CO2-Bindung in Böden und Biomasse müssen nachgewiesen werden.
  • Verlagerungseffekte: Die Verlagerung von Treibhausgasemissionen durch das Projekt auf andere Flächen oder Produkte muss vermieden oder von der erzielten Emissionsminderung abgezogen werden.
  • Dauerhaftigkeit: Die Emissionseinsparung oder Bindung von CO2-Kohlenstoff müssen dauerhaft sein.
  • Zusätzlichkeit: Die Vermeidung oder Kompensation von Emissionen muss zusätzlich und ohne die finanzielle Förderung durch das CO2-Zertifikat nicht zu erzielen sein.

Wie kann Carbon Farming funktionieren?

Die Erfüllung dieser Kriterien durch Carbon Farming in der Landwirtschaft ist jedoch nicht einfach. Der Nachweis des Humusaufbaus muss z.B. über aufwendige Bodenuntersuchungen erbracht werden. Dies ist arbeits- und kostenintensiv und zudem methodisch anspruchsvoll. Zudem verändern sich Humusgehalte sehr langsam. Veränderungen auf der Feldskala sind deshalb erst nach circa zehn Jahren im nachweisbaren Bereich. Das zweite Kriterium – zu vermeidende Verlagerungseffekte – spielt insbesondere bei Humusaufbau durch organische Düngung eine Rolle. Humusaufbau durch erhöhte organische Düngung ist relativ einfach realisierbar und kann schnell Humus aufbauen. Doch während auf den CO2-zertifizierten Flächen der Humusvorrat steigt, steht der organische Dünger und der darin enthaltene Kohlenstoff auf anderen Flächen nicht mehr zur Verfügung. Auf den anderen Flächen geht dadurch Humus verloren. Es findet also nur eine Umverteilung von Humus statt. Netto kommt es zu keinem Humusaufbau und damit zu keinem Klimaschutz.

Humuszertifikate können zu einer Umverteilung und Konzentration von organischen Düngern auf den Flächen führen, die Teil des Zertifikatehandels sind. Netto ergibt sich über alle Flächen hinweg kein Humusaufbau und kein Klimaschutz - es kommt also lediglich zu Verlagerungseffekten.

Grafik: Thünen Institut, M. Zech

Aber auch andere Verlagerungseffekte, etwa wenn die Klimaschutzmaßnahme dazu führt, dass andere Treibhausgase wie Lachgas zusätzlich entstehen, müssen ausgeschlossen oder einberechnet werden. Schwierig zu erfüllen ist auch das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Wenn eine humusaufbauende Maßnahme beendet wird, geht der aufgebaute Humus und damit auch der gespeicherte Kohlenstoff wieder verloren. Die Maßnahme müsste also theoretisch für immer fortgesetzt oder der Verlust einberechnet werden. Zudem wird Humusaufbau durch die Klimaerwärmung selbst erschwert. Denn mit steigenden Temperaturen wird das Bodenleben aktiver und Humus schneller abgebaut.

Welche potentiellen CO₂-Senken gibt es in der Landwirtschaft?

Über die freiwillige CO2-Kompensation können unterschiedlichste Klimaschutzprojekte gefördert werden, wie z.B. Aufforstungen, Moorrenaturierung, aber auch die Etablierung emissionsarmer Technologien. Konzentriert man sich auf Maßnahmen zum Humusaufbau auf mineralischen Böden ist es entscheidend, welche Mengen an Biomasse, wie Wurzeln, Stoppen, Stroh und Wirtschaftsdünger in den Boden eingebracht werden. Vielversprechende humusaufbauende Maßnahmen, sind u. a. der vermehrte Anbau von Zwischenfrüchten, der Anbau wurzelstarker Sorten, die Vermeidung von Brachzeiten sowie zusätzliche mehrjährige Kulturen wie Kleegras oder Luzerne. Neben der CO2-Bindung durch Humusaufbau lässt sich mit neuen Hecken, Feldgehölzen oder anderen Agroforstsystemen CO2 in Form von Humus und auch in Biomasse auf vergleichsweise wenig Fläche binden.

Das gesamte realistisch erreichbare CO2-Senkenpotential für die Landwirtschaft in Deutschland liegt bei jährlich etwa drei bis sechs Millionen Tonnen zusätzliches CO2, das über einen begrenzten Zeitraum von einigen Jahrzehnten in Böden und Biomasse gebunden werden könnte. Nicht berücksichtigt dabei ist die Option Biomasse als Pflanzenkohle zu stabilisieren. Der Großteil des CO2-Senkenpotential geht auf zusätzlichen Zwischenfruchtanbau zurück. Demgegenüber stehen die Treibhausgasemissionen der deutschen Landwirtschaft. Im Jahr 2021 war die deutsche Landwirtschaft inklusive der Landnutzung für Emission von rund 100 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten verantwortlich. Sie werden vor allem durch Wiederkäuer, die organischen und mineralischen Düngung und die Entwässerung von Moorböden für die landwirtschaftliche Nutzung verursacht

Fazit: Bewusstsein schaffen und Chancen nutzen

Insgesamt sollte Carbon Farming breit gedacht werden und auch die Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft einschließen. Denn nur mit deutlicher Reduzierung der Emissionen und zusätzlichen CO2-Senken lassen sich die Klimaschutzziele erreichen.

Prof. Dr. Axel Don und Sophie Drexler

Diese Gegenüberstellung der potentiellen CO2-Senke durch Humusaufbau mit der Treibhausgasemission der Landwirtschaft in Deutschland zeigt, dass die gegenwärtigen Emissionen die potentielle CO2-Senke um das zwanzigfache übersteigen und deshalb unsere jetzige Landwirtschaft nicht klimaneutral machen können. Humusaufbau und CO2-Senken in Agrargehölzen können aber einen Beitrag leisten, um unsere landwirtschaftliche Produktion klimafreundlicher zu machen. Dazu müssen aber die Qualitätskriterien für CO2-Kompensation berücksichtigt werden. Klimaschutz muss global gedacht werden und eine lokale Humusanreicherung ist dadurch nicht automatisch gleich Klimaschutz. Carbon Farming bietet aber die Chance ein Bewusstsein für die verschiedenen Quellen und potentiellen Senken von landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen zu schaffen. Initiativen können Anreize setzen, um entsprechende Maßnahmen auf den landwirtschaftlichen Betrieben in die Umsetzung zu bringen. Insgesamt sollte Carbon Farming breit gedacht werden und auch die Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft einschließen. Denn nur mit deutlicher Reduzierung der Emissionen und zusätzlichen CO2-Senken lassen sich die Klimaschutzziele erreichen. Humusaufbau ist in jedem Fall sinnvoll, weil Humus ein zentraler Faktor für die Bodenfruchtbarkeit ist. Humusreiche Böden sind besser auf die Herausforderungen durch die Klimaveränderungen vorbereitet.

Über die Autor:innen

Prof. Dr. Axel Don

Stellvertretender Institutsleiter, Thünen Institut für Agrarklimaschutz

Prof. Dr. Axel Don ist Geoökologe und Bodenwissenschaftler. Er forscht zum Thema klimafreundliche Landwirtschaft und Humus und ist stellvertretender Institutsleiter am Thünen Institut für Agrarklimaschutz. An der Technische Universität Braunschweig hat er einen Lehrauftrag und leitet internationale und nationale Forschungsprojekte zum Thema Humusmanagement, CO2-Senken und Humusfunktionen.

Sophie Drexler

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Thünen-Institut für Agrarklimaschutz

Sophie Drexler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Thünen-Institut für Agrarklimaschutz und hat Bodenwissenschaften an der Universität und FH Osnabrück und der HU Berlin studiert. Sie forscht zur Rolle von Hecken als Klimaschutzmaßnahme in der Landwirtschaft und ist Teil des Teams der nationalen Emissionsberichterstattung für den Bereich Landnutzung für Deutschland.

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  1. Dr. Andreas Becker

    vor 10 Monaten

    Sehr geehrter Prof. Dr. Don,
    welche objektivierbaren Methoden sehen Sie in der Schweinemast, um zertifizierbare CO2-Senken zu erzielen. Stichwort: Kreislaufwirtschaft zur Verwertung von Lebensmitteln in der Schweinemast, Precision Livestock Farming durch digitale Prozesskontrolle, Messung von Effizienzsteigerung, um Ertrag/Mastplatz zu verbessern

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