Negative Emission Technology PyCCS

Gastautor Portrait

Torsten Becker

Gründer und Geschäftsführer der carbonauten GmbH

Torsten Becker ist Diplom-Produktdesigner mit Abschluss an der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd mit jahrelanger Erfahrung in den Bereichen Materialentwicklung, Anwendungsentwicklung und Prozessentwicklung. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Christoph Hiemer gründete er 2017 die carbonauten. Zuvor war er 25 Jahre als Unternehmensinhaber der Werbeagentur Becker tätig. Außerdem ist er Vater von 5 Kinder, welche sein zentraler Antrieb im Kampf gegen die Klimaeskalation sind.

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10. Juli 2023

Um das IPCC-Szenario, bei welchem die Menschheit die Erderwärmung auf unter 2,0 Grad beschränkt,Wirklichkeit werden zu lassen benötigt es, neben einer fundamentalen Änderung unseres Konsumverhaltens, den umfangreichen Einsatz von sogenannten NETs (Negative Emission Technologies).

Führende Klimawissenschaftler gehen davon aus, dass zur Einhaltung des 2,0 Grad-Ziels ab 2030 unter anderem alle Gebäudekonstruktionen mindestens CO2-neutral sein müssen, besser noch CO2-negativ. Eine schnell anwendbare und an vielen Standorten dezentral umsetzbare Technologie ist die pyrogene CO2-Abscheidung und -Speicherung (PyCCS). Hier werden durch pyrolytische Karbonisierung von Biomasse Negativemissionen erreicht.

Wie funktioniert das?

Pflanzen sind seit Millionen von Jahren die effizientesten CO2-Speichermaschinen. Sie binden Kohlenstoff aus dem CO2 in der Luft und nutzen ihn zum Aufbau ihrer Biomasse. Ein Baum besteht aus etwa 50% Kohlenstoff. Am Lebensende wird er von Mikroorganismen verstoffwechselt. Dabei werden die Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas freigesetzt.

Dieser Verstoffwechslungsprozess kann durch die pyrolytische Karbonisierung gestoppt werden. Der zuvor durch die Pflanze mittels Photosynthese gebundene Kohlenstoff bleibt so als Feststoff erhalten und wird nicht wieder in die Atmosphäre freigesetzt. Es entstehen physikalisch stabile, sogenannte technische Biokohlenstoffe, die nicht mehr verrotten und damit dauerhaft die Entstehung von CO2 verhindern. Eine Tonne Biokohlenstoff speichert hierbei dauerhaft bis zu 3,3 Tonnen CO2.

fuck CO2

Das ost-württembergische Unternehmen „carbonauten – the minus CO2 factory“ hat sich zum Ziel gesetzt, mit dieser Methode weltweit Treibhausgase im Gigatonnenbereich zu reduzieren. Die carbonauten erzeugen ihren Biokohlenstoff ausschließlich aus Biomasseresten, also Abfällen aus der Land- und Forstwirtschaft und der Industrie.

Die carbonauten spezifizieren den Biokohlenstoff für verschiedene Anwendungen in der Industrie. Unter anderem wird er für die Kunststoffindustrie in die Polymermatrix eingemischt. So entstehen CO2-negative Kunststoffgranulate. Weitere, mit technischem Biokohlenstoff gefüllte, carbonauten NET Materials® sind beispielsweise Bauschäume, Beton, Asphalt und Dämmung. Dadurch werden zusätzlich konventionelle Ressourcen geschont und es entsteht ein doppelter minus CO2-Effekt mit großer Hebelwirkung.

Neben technischem Biokohlenstoff erzeugt die Technologie aus den Biomasseresten noch andere biogene Produkte:

  • Hochwertige Biodestillate als Plattformchemikalien.
  • Ein Synthesegas. Dieses kann zur Gewinnung erneuerbarer, thermischer oder elektrischer, Energie verbrannt werden. Die Technologie der carbonauten gewinnt aus den Biomasseresten deutlich mehr Energie, als für deren Karbonisierung benötigt wird. Ein Teil des Gases, und damit 5% der Energie wird dem System wieder zugeführt, um die darauffolgende Retorte zu entzünden. Die überschüssige Energie
    kann Unternehmen, Städten und Kommunen zur Verfügung gestellt werden.
  • Große Mengen an Pyrolyseöl. Als Ersatz für fossiles Öl, zur Gewinnung von Biokraftstoff oder als nachhaltige Heizkomponente birgt Pyrolyseöl großes Potenzial, um die menschliche Abhängigkeit von fossilem Öl zu durchbrechen.

Aktuelle Projekte

Der Unternehmenszweig carbonauten agriculture, der auf Kohlenstoffspeicherung in landwirtschaftlichen Böden spezialisiert ist, stellt aus den Pyrolyseprodukten zwei Produkte für die biologische Landwirtschaft her.

Aus dem Pyrolyseöl wird mittels eines speziellen Extraktions- und Trennverfahrens ein Biostimulanz gewonnen. Dieses regt das Zellwachstum an und dient als Katalysator für das Wachstum verschiedener Enzyme und Mikroorganismen, welche die Photosynthese und die Nährstoffaufnahme unterstützen. Überdies gilt pyrolysierte Biomasse aufgrund ihrer vielfältigen positiven Auswirkungen auf Boden und wachsende Pflanzen seit Jahrtausenden als effektives Bodenhilfsmittel. Insbesondere für die Entstehung der schwarzen Indianererde Terra preta ist sie von zentraler Bedeutung

Aus Biostimulanz und Biokohlenstoff wird von carbonauten agriculture ein Bodenhilfsstoff hergestellt. Durch die gemeinsame Applikation von Biostimulanz und Bodenhilfsstoff wird das gesamte Ökosystem der Pflanze stimuliert.
In Feldstudien wurden die Produkte bereits mit sehr guten Ergebnissen getestet.

Weitere Informationen unter: https://carbonauten.com/ersatz-fuer-kunstduenger-und-agrargifte/

Der Unternehmenszweig carbonauten polymers, welcher auf die Produktion von mit technischemBiokohlenstoff gefüllten Kunststoff-Composites spezialisiert ist, hat bereits gebrauchsfertige minus CO2Produkte fertiggestellt. Kürzlich in einem Projekt mit Formcase das Gehäuse eines Tablet-Ladekoffers.

Weitere Informationen unter: https://carbonauten.com/kunststoffe-speichern-co2/

Wie geht’s jetzt weiter?

Das Ziel von mehreren hundert minus CO2 factories weltweit ist voraussichtlich 2030 erreicht.

Torsten Becker

Das junge Unternehmen mit ehrgeizigen Zielen nimmt 2023 die erste eigene Anlage zur pyrolytischen Karbonisierung im brandenburgischen Eberswalde in Betrieb. Mehrere erfolgreiche Tests mit vollständig pyrolysierten Retorten wurden bereits durchgeführt. Um der Klimaeskalation wirkungsvoll etwas entgegenzusetzen, müssen schnellstmöglich industrielle Dimensionen erreicht werden.

Das Ziel von mehreren hundert minus CO2 factories weltweit ist voraussichtlich 2030 erreicht. Dadurch, dass viele dezentrale minus CO2 factories entstehen, werden Biomassereste dort karbonisiert, wo sie entstehen. Durch die mögliche Versorgung von Unternehmen und Städten mit CO2-neutraler Energie entstehen autarke Systeme mit regenerativer Auswirkung auf die Atmosphäre überall auf der Welt.

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