Die Landwirtschaft und das Klima

Gastautor Portrait

Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
01. September 2020
Landwirtschaft und Klima

Die Nahrungsaufnahme ist auf den ersten Blick ein profaner und alltäglicher Vorgang. Dass mehr drin steckt im Essen, darauf hat schon Ludwig Feuerbach im 19. Jahrhundert verwiesen. „Der Mensch ist, was er isst.“ Damals ging es um Kultur und die Dualität von Geist und Körper.

Heute müssen wir beim Essen über die Landwirtschaft, die Lebensmittelproduktion und vor allem über das Klima reden. „Landwirtschaft – Verursacher, Opfer oder Klimaschützer?“ heißt unser neuer Schwerpunkt. In einer Artikelserie mit zahlreichen Gastautorinnen und -autoren werden wir die Aspekte des Themas hier auf der Plattform und im Oktober bei einem digitalen Debattenabend erörtern.

Die Landwirtschaft als Mitverursacher des Klimawandels

Mehr als ein Drittel der anthropogenen Emissionen hängt direkt oder indirekt mit unserer Ernährung zusammen!

In einem Sonderbericht zu den Entwicklungen der Treibhausgase in landgestützten Ökosystemen, Landnutzung und nachhaltiger Landbewirtschaftung hat der Weltklimarat IPCC 2019 dargelegt, welchen Einfluss die Produktion unserer Nahrung durch Anbau, Verarbeitung und Verteilung auf den Klimawandel hat. Landwirtschaft ist demnach ein bedeutender Faktor für die Erderwärmung. Weltweit ist sie für 23 Prozent der von Menschen gemachten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Rechnet man jene Emissionen hinzu, die bei der Lebensmittelproduktion, -verarbeitung und der Verteilung über den Verkehr entstehen, steigt der Wert auf 37 Prozent an. Mehr als ein Drittel der anthropogenen Emissionen hängt direkt oder indirekt mit unserer Ernährung zusammen! Wer über den Klimaschutz redet, kommt am Thema Essen nicht vorbei.

Ein Riesenproblem ist der global wachsende Verzehr von Fleisch, der den Ausstoß von Methan- und Lachgas erhöht und für die Überdüngung zahlreicher Böden verantwortlich ist. Energetisch gesehen ist die Produktion von Fleisch höchst ineffizient. Wenn wir statt Rindfleisch zu essen, das Eiweiß direkt über die Pflanzen zu uns nehmen, erhöhen wir die Energieeffizienz um über 90% (!!) und senken in noch höherem Maße die Treibhausgasemissionen.

Um die doppelte Herausforderung einer noch wachsenden Weltbevölkerung und der Notwendigkeit, alle anthropogenen Treibhausgasemissionen auf Null zu fahren, zu bestehen, steht die Frage im Raum: Können wir uns den Verzehr von Fleisch überhaupt noch erlauben?

Landwirtschaft in Deutschland – alles halb so schlimm bei der Klimawirkung?

Das Umweltbundesamt gibt den Anteil der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft mit 7 Prozent oder 63,6 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten an. Das erscheint im Vergleich mit der Energiewirtschaft (35%) zunächst wenig. Allerdings fließen bei der Berechnung des UBA nur die direkten Emissionen aus der Landwirtschaft ein. Wenn die Schinken von Schweinen, die in Niedersachsen gemästet wurden, in den Schwarzwald gefahren werden, um aus ihnen Original Schwarzwälder Schinken zu machen, hatten die Schweine schon drei Reisen hinter sich. Von der Abferkelstation in die Ferkelaufzucht, von dort in die Mast und von dort in den Schlachthof. Und vom Schwarzwald reisen die Schinken in die Supermärkte. Die Emissionen, die durch die Mobilität der lebendigen und toten Schweine entsteht, erfasst die nebenstehende Statistik des Umweltbundesamtes ebenso wenig wie Anfuhr des Futters, den Export nach China usw. nicht.

Auffällig ist, dass die Landwirtschaft (wie der Verkehrssektor) in den letzten 15 Jahren keinen Beitrag zum Klimaschutz geleistet hat. Der Rückgang der Treibhausgasemissionen in den früheren 90-ziger Jahren erklärt sich durch die Veränderungen im Rahmen der Deutschen Einheit. Seit 2004 blieben die Emissionen konstant. Folglich müssen wir reden: Über unsere Form der Landwirtschaft, über die EU-Agrarpolitik und wie hier der Klimaschutz endlich beginnen kann.

Land- und Forstwirtschaft als Leidtragende des Klimawandels

In den Wachstumsphasen regnet es zu wenig. Im Winter häufig zu viel. Und wenn der Regen dann im Sommer fällt, ist es mancherorts so viel, dass er den fruchtbaren Boden mit nimmt. Steigende Durchschnittstemperaturen, zwei extreme Dürresommer hintereinander und ein, in einigen Regionen bedrohlich fallender Grundwasserspiegel bereiten Land- wie Forstwirten gleichermaßen Sorgen.

Der vom Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, UFZ, erstellte Dürremonitor veranschaulicht die Dramatik. Dabei betonen die Forscherinnen und Forscher: Wir stehen erst am Anfang einer Entwicklung. Anzahl und Ausmaß der Dürreperioden werden zunehmen.

Wie lassen sich unter den rasch veränderten Bedingungen auch in Zukunft Lebensmittel in ausreichender Menge in Deutschland herstellen? Können wir unsere Wälder vor der Dürre und dem in Folge auftretenden Befall von Borkenkäfern retten? Schneller und ernsthafter Klimaschutz in Richtung Null-Emissionen wäre die Mindestvoraussetzung für einen gesunden Wald in Deutschland und unseren Breitengrad. Zusätzlich braucht es Strategien der Anpassung an die Erwärmung und Trockenheit, die bisher schon eingetreten sind. Auch darüber wird zu reden und zu schreiben sein.

Und wir, die Konsumentinnen und Konsumenten?

Haben wir als Verbraucherinnen und Verbraucher überhaupt Einfluss auf dem globalen Markt der Lebensmittelwirtschaft?

Nirgends auf der Welt sind Lebensmittel in Relation zum Einkommen so günstig wie in Deutschland. 1960 mussten unsere Eltern oder Großeltern weit über 2 Stunden arbeiten, um genug Geld für ein Kilo Schweinskotelett zu verdienen. Heute reichen dafür statisch gesehen etwas über 20 Minuten. Für 10 Eier musste der Facharbeiter damals zwei Stunden an der Werkbank stehen. Heute weniger als eine Viertelstunde. Unsere Lebensmittel sind billig. Zu billig?

Lebensmittel aus der Region und Bio liegen im Trend. Scheinbar. Aber trotz des Wachstums in den letzten Jahren bleibt der Anteil ökologischer Lebensmittel insgesamt im Bereich einer Nische. Bei Milchprodukten stammen gerade einmal 2,5%, der Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft. Beim Geflügel sogar weniger als 2 Prozent. Ist das zarte Pflänzchen der umweltfreundlichen und bewussten Ernährung (noch?) ausreichend, um einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten? Ein anderer, den Klimawandel verschärfender Gegentrend läuft parallel: Die Globalisierung der Lebensmittelerzeugung. An Frühkartoffeln aus Ägypten und Knoblauch aus China haben sich die Kundinnen und Kunden im Bio-Supermarkt ebenso gewöhnt wie unsere Rindviecher an den Geschmack von Soja aus den USA, Argentinien und Brasilien.

Haben wir als Verbraucherinnen und Verbraucher überhaupt Einfluss auf dem globalen Markt der Lebensmittelwirtschaft? Sind es nicht viel mehr die Agrarkonzerne und Lebensmittelmultis, die, unterstützt von unseren Ministerien die Richtung vorgeben? Deutschland unterstützt z.B. die Milchwirtschaft dabei, Milchprodukte für die Vereinigten arabischen Emirate, zu kreieren und dorthin zu exportieren. Auch auf dem wachsenden Fleischmarkt in China mischen deutsche Unternehmen, nicht alle von untadeligem Ruf, vorne mit. Unseren Schweinen stehen jedenfalls weiterhin weite Reisen bevor. China wird in diesem Jahr eben soviel Schweinefleisch importieren, wie wir in Deutschland insgesamt konsumieren.

Landwirtschaft neu gedacht

Urban Gardening, Urban Agriculture, Vertical Farming, SoLaWi – Solidarische Landwirtschaft, Gemeinschaftsgärten, Selbsternteegärten, Edible Cities (Essbare Städte) – diese Stichworte markieren eine völlig andere ebenfalls global ablaufende Entwicklung: Die Landwirtschaft kommt zu den Leuten in die Ballungszentren; die Menschen übernehmen selbst Verantwortung für den Anbau ihrer Lebensmittel. Sie wollen nicht nur gesunde Lebensmittel, sondern auch möglichst wenig Verkehr verursachen. Was bringt das für den Klimaschutz?

GPS und meteorologische Daten waren die ersten Anwendungen der Digitalisierung in der Landwirtschaft. Mittlerweile ist der Computer auf dem Acker zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Moderne Maschinen analysieren den Boden während (!) der Saat und spritzen exakt so viel Dünger, wie der Boden – genau an dieser Stelle – braucht, um die Pflanze exakt wachsen zu lassen. Das bringt höhere Erträge bei gleichzeitiger Reduzierung von Klimagasen. Die Digitalisierung macht es möglich. Und nach der menschenleeren Fabrik kommt nun die Ernte ohne Arbeitskräfte. Menschen auf dem Feld werden entbehrlich, weil Trecker und andere Maschinen autonom fahren.

Es wird zu debattieren sein über unsere Verantwortung als Verbraucher. Aber auch über die Verantwortung von Politik und Unternehmen. Landwirtschaft und Klima – wir wagen uns an ein Megathema und hoffen auf Ihre kritische Begleitung.

Im Video erklärt: Landwirtschaft und Klima

Der aus der ARD bekannte Meteorologe Karsten Schwanke hat in einer Reihe für den Naturschutzbund Deutschlands, NaBu, anschaulich den Zusammenhang von Landwirtschaft und Klima erklärt.

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