Landwirtschaft auf Kosten der Umwelt? Nicht mit der Durchwachsenen Silphie!

Gastautor Portrait

Isabell Seibel und Melina Reckermann

Jungforscherinnen am Schülerforschungszentrum Südwürttemberg

Isabell Seibel und Melina Reckermann sind 2022 Teil der deutschen Delegation bei der International Science and Engineering Fair. Im Jahr 2021 haben die beiden für Deutschland am Stockholm Junior Water Prize teilgenommen und wurden Vizebundessiegerinnen bei Jugend forscht im Bereich Geo- und Raumwissenschaften. Zudem konnten sie den Hauptpreis im Bundesumweltwettbewerb 2021 erlangen. Die beiden Abiturientinnen am Immanuel-Kant-Gymnasium in Tuttlingen sind zudem Jungforscherinnen am Schülerforschungszentrum Südwürttemberg.

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21. März 2022
AnneGM/Shutterstock.com

Deutschland „vermaist“ – ein beliebtes Statement der Medien. Kein Wunder, denn weit hergeholt ist diese Annahme nicht. Wohin man blickt: endlose „Maiswüsten“ sind in der Agrarlandschaft die Regel. Ein Teil des Mais wird für Nahrung von Menschen und Tieren verwendet. Uns geht es aber um die fast eine Million Hektar Energiemais, die für Biogasanlagen angebaut werden.

Warum es nicht so bleiben kann, wie es jetzt ist

Erneuerbare Energien sind aber nur dann auch wirklich „grün“, wenn sie [...] die Umwelt auch anderweitig nicht gefährden.

Isabell Seibel und Melina Reckermann

Biogas ist als erneuerbare Energie aus unserem aktuellen Energiemix nicht wegzudenken und das wird auch in Zukunft nur schwer möglich sein, betrachtet man etwa den Kohleausstieg, die Abschaltung der Atomkraftwerke und die allgemeine Abkehr von fossilen Energieträgern. Erneuerbare Energien sind aber nur dann auch wirklich „grün“, wenn sie nicht nur weitgehend klimaneutral sind, sondern die Umwelt auch anderweitig nicht gefährden. Das ist bei Biogas nur bedingt der Fall, denn die Böden, die Biodiversität, das Klima – alles erheblich bedroht durch Monokulturen der Energiepflanze Mais.

Für die Biodiversität sind der massive Pestizideinsatz, die Verdrängung der Bienen, die Einlagerung von Ammonium und Nitrat in Ökosysteme und deren Umwandlung in das toxische Nitrit ein Problem, da hierdurch die Flora und Fauna um Maisanbauflächen herum nachhaltig geschädigt werden. Die Stickstoffverbindungen stellen auch ein Problem für das Klima dar, denn sowohl bei der Herstellung von synthetischem Düngemittel als auch bei dessen Austragung werden Massen der Treibhausgase Kohlendioxid und Lachgas frei. Nicht zuletzt sind auch die Folgen für den Boden als Ökosystem und Nährstoff- und Humusspeicher zu nennen, die durch die Kultivierungsweise des Mais entstehen und etwa zu massiver Abtragung von fruchtbarem Bodenmaterial führen.

Die Durchwachsene Silphie als Hoffnungsträgerin

Kein Wunder also, dass die Suche nach Alternativen schon vor einiger Zeit aufgeflammt ist. Ein Beispiel ist etwa die aus den gemäßigten Breiten Nordamerikas stammende Durchwachsene Silphie. Sie gehört zur Familie der Korbblütler und ähnelt mit ihren gelben Blüten der Sonnenblume. Seit etwa acht Jahren wird die Silphie mit steigender Tendenz für die Biogasgewinnung angebaut. Ihr Ertrag wird mit etwa 20% geringer gerechnet als bei einer optimalen Maisernte. Zudem bleibt im ersten Anbaujahr der Ertrag aus, da sie hier nur eine Blattrosette bildet. Die Silphie ist nach EU-Recht greeningfähig und das nicht umsonst. Gepriesen wird sie vor allem für ihren positiven Einfluss auf die Biodiversität über und unter der Erde. In ihrer Eigenschaft als blühende Dauerkultur unterscheidet sich die Silphie vom Energiemais. Leider schrecken viele Landwirt*innen vor dem Silphienanbau zurück. Grund dafür: zu wenig Erfahrung, zu wenig Forschung.

Silphie und Mais – ein ökologischer Vergleich

Kern der Problematik des Maisanbaus ist meist nicht nur die Fixierung auf ökonomische Vorteile. Vielmehr liegt das ungerechtfertigte Verhältnis an fehlendem Wissen und Erfahrung.

Isabel Seibel und Melina Reckermann

Damit das nicht so bleibt, begannen wir im Mai 2020 selbst damit, die Durchwachsene Silphie zu erforschen. Dabei stellten wir uns die Frage, wie sich Mais und Silphie vergleichend auf die Bodengesundheit auswirken, um den Blick von Erfahrungsberichten um Forschungsergebnisse zu erweitern. Durch zweijährige Probennahmen und Messungen auf verschiedenen landwirtschaftlich genutzten Flächen, den eigenen Anbau der Pflanzen auf einem brach liegenden und ausgelaugten Feld sowie den Bau von sieben Versuchsboxen mit einem Volumen von je 0,5t Humus, können nun Aussagen über den Einfluss der beiden Pflanzen auf den Boden und die Umwelt getätigt werden.

Auf ausgelaugtem Boden war ein Etablieren der Silphie erfolgreich, des Mais nicht. Grund dafür ist der unterschiedliche Nährstoffbedarf, der auch aus weiteren Analysen hervor ging. Verbessert werden kann ihr Anwachsen zudem durch eine Untersaat mit der Gründüngungspflanze Luzerne, da die Phytomasse so mit einfachen Mitteln gesteigert werden kann.

Der Boden wird durch Mais außerdem auch wegen seiner Eigenschaft als Humuszehrer nachhaltig geschädigt, was sich in den Humusproben widerspiegelte. Die Silphie hingegen fördert Humifizierungsprozesse im Boden, da neben der hohen Biodiversität und der langfristigen Bodenbedeckung auch der Wasserhaushalt des Bodens durch Silphienanbau nachweislich verbessert wird.

Auf diesem Wasserhaushalt lag ebenfalls der Fokus der Forschung. Hierfür wurden täglich Messungen in verschiedenen Tiefen über einen Zeitraum von drei Monaten durchgeführt, die Bodenfeuchte auf Feldern nach Wetterphänomenen bestimmt und Starkregenereignisse simuliert und ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Silphie ihr Wasser in trockenen Perioden gleichmäßig aus allen Bodenschichten bezieht, während der Mais hauptsächlich die oberste Bodenschicht austrocknet.

Vor allem sind aber die Ergebnisse der vier Starkregensimulationen interessant. Während beide Pflanzen das Wasser vor der Ernte zurückhalten können, verliert der Mais nach dieser alle Retentionsfähigkeiten. Im Boden vorhandene Nährstoffe werden ausgewaschen, was sowohl dem Boden als auch umliegenden Ökosystemen massiv schadet. Dieser Effekt kann durch eine Gründüngung abgemildert werden, was ebenfalls untersucht wurde. Die Silphie behält auch nach der Ernte alle ihre Wasserretentionsfähigkeiten, nimmt lediglich selbst weniger Wasser auf. Zurückzuführen ist das auf das im Boden verbleibende Wurzelwerk.

Aus diesen Ergebnissen können wir nun konkrete Anbauempfehlungen ableiten, was den ökologisch und ökonomisch rentablen Anbau betrifft. Diese sind stark standortspezifisch, da keine der beiden Pflanzen einer „Allzweckwunderpflanze“ entspricht. Der Anbau von Durchwachsener Silphie lohnt sich vor allem auf Feldern in Hanglagen und Waldrändern, in Hochwassergebieten sowie in Gebieten mit hoher Nitratbelastung, auf brach liegenden bzw. unfruchtbaren Böden und auf Ökologischen Vorrangflächen.

Was wir daraus lernen können

Kern der Problematik des Maisanbaus ist meist nicht nur die Fixierung auf ökonomische Vorteile. Vielmehr liegt das ungerechtfertigte Verhältnis an fehlendem Wissen und Erfahrung. Der Anbau der Silphie benötigt eine hohe Anfangsinvestition ohne Ertrag im ersten Jahr. Wer garantiert, dass das Geld wieder eingeholt werden kann? Was, wenn das Etablieren nicht erfolgreich ist? Das alles sind Fragen, die Landwirt*innen beschäftigen. Unsere Forderung ist, diese Schwelle zu senken, sei es durch Forschungsinvestitionen oder finanzielle Anreize.

Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, Mut zu zeigen und Neues auszuprobieren und das ist nicht nur auf die Energielandwirtschaft beschränkt. Unsere Hoffnung für die Zukunft ist, dass wir mehr Mut zeigen, in vielversprechende Ideen, Innovationen und Technologien investieren, deren Entwicklung durch Unterstützung der Forschung fördern und – weil es immer noch nicht selbstverständlich ist – an die Umwelt denken und für ihren Erhalt kämpfen.

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