Biogas – Vom Abfall zum nachhaltigen Biokraftstoff

Gastautor Portrait

Tatiana Demeusy

Projektleiterin für Erneuerbare Energien, Erdgas Südwest GmbH

Tatiana Demeusy, Dipl.-Ing. (FH), hat an der Hochschule Offenburg Verfahrens- und Biotechnik studiert und ist seit 2008 als Projektleiterin für Erneuerbare Energien bei der Erdgas Südwest GmbH tätig. In Oberschwaben hat sie zwei Projekte zur Einspeisung von Biomethan in das Gasnetz realisiert. Seit 2017 baut sie das Kompetenzzentrum Biogas des EnBW-Konzerns bei der Erdgas Südwest auf. Ihre Schwerpunkte liegen in der Bearbeitung energiewirtschaftlicher Fragestellungen mit Bezug auf erneuerbaren Gase im europäischen und nationalen Kontext sowie der Entwicklung von Post-EEG-Konzepten für Biogasanlagen. Neben ihrer beruflichen Tätigkeiten engagiert sich Tatiana Demeusy ehrenamtlich als technischer Vorstand in einer Bürgerenergiegenossenschaft.

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10. Mai 2019

Bereits 1985 hatten die Macher von „Zurück in die Zukunft“ die Vision, dass Fahrzeuge in naher Zukunft mit Abfall angetrieben werden. (Spoileralarm: der berühmte DeLorean von Doc Brown wird u.a. mit Bananenschalen angetrieben). Als ich diesen Film zum ersten Mal sah, war ich begeistert von der Vorstellung, Abfälle sinnvoll zu verwerten und stellte mir sogar vor, dass mein erstes Auto ebenfalls mit Abfall angetrieben werden würde.

Was hat sich seither tatsächlich getan? Eine direkte Verwertung der Küchenabfälle in PKWs ist (noch) nicht möglich, doch die indirekte Nutzung steht zur Verfügung: Vergärung von Biomasse und Nutzung des entstehenden Biogases in CNG-Fahrzeugen.

Als Biomasse kommen dabei neben den bekannten Energiepflanzen auch landwirtschaftliche Reststoffe wie Stroh oder eben Bioabfall, wie die Biotonne zum Einsatz. In Biogasanlagen erfolgt dann die Vergärung der Einsatzstoffe unter Luftausschluss. Dabei entsteht Biogas, das aus zirka 50% Methan (CH4, dieses ist auch Hauptbestandteil von Erdgas) sowie rund 45% Kohlenstoffdioxid (CO2) und in geringen Mengen aus weiteren Gasbegleitstoffen wie Wasserdampf und Schwefelwasserstoff besteht.

Dem Biogas stehen drei Weiterverarbeitungspfade zur Verfügung:
  1. Die direkte Nutzung vor Ort, in der Regel die Verbrennung in einer Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK-Anlage) zur Stromerzeugung,
  2. die Aufbereitung und Einspeisung in das öffentliche Gasnetz oder
  3. die Verflüssigung zu Bio-LNG.

Status Quo in Deutschland

Entwicklung der Biogasanlagen in Deutschland

Quelle: Fachverband Biogas e.V.

In Deutschland sind derzeit gemäß Umweltbundesamt über 9.000 Biogasanlagen in Betrieb. Das Biogas wird dabei überwiegend direkt vor Ort in einer KWK-Anlage verwertet und die Betreiber erhalten für den erzeugten Strom eine Vergütung gemäß dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG). Dabei geht leider oft bis zu 60 Prozent der eingesetzten Energie verloren, weil die Abwärme der KWK-Anlagen nicht genutzt wird.

Nur in knapp 200 Biogasanlagen erfolgt die Veredelung des Biogases zu Biomethan. Dazu wird das Biogas in einem zweiten Schritt in einer Aufbereitungsanlage „gereinigt“. Das CO2 sowie weitere Gasbegleitstoffe werden gemäß den Vorgaben des Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) entfernt, bevor das aufbereitete Biogas in das Gasnetz eingespeist werden darf. Das Biogas wird ab dem Zeitpunkt der Einspeisung in das öffentliche Gasnetz „Biomethan“ genannt. Während das Erneuerbaren-Energien-Gesetz dem Anlagenbetreiber einer KWK-Anlage eine Strom-Vergütungsgarantie über 20 Jahre gibt, liegt beim Biomethan das Vermarktungsrisiko beim Anlagenbetreiber. Jährlich werden derzeit zirka 10 TWh Biomethan in das Gasnetz eingespeist. Diese Menge deckt über 1 % des deutschen Gasbedarfs und steht nun allen Gasanwendungen – auch den CNG-Tankstellen – zur Verfügung.

CNG steht für Compressed Natural Gas, also für komprimiertes Erdgas. Biomethan kann Erdgas 1:1 ersetzen. Der Vorteil des Biokraftstoffs: Der reine Verbrennungsprozess von Biomethan ist CO2-neutral. Das mit Biomethan betriebene CNG-Fahrzeug stößt nämlich beim Fahren genau die CO2-Menge aus, die vorher etwa in Energiepflanzen oder Reststoffen gebunden war.

Bei der Verflüssigung von Biogas zu Bio-LNG (LNG = Liquified Natural Gas, verflüssigtes Erdgas) wird der Aufbereitungsanlage ein weiterer Verfahrensschritt angefügt: Das Biomethan wird in einer Feinreinigung noch einmal aufbereitet und restliches CO2 nahezu vollständig entfernt. Durch das anschließende Herunterkühlen von zum Beispiel 600 Kubikmetern Biomethan auf -162 °C entsteht 1 Kubikmeter flüssiges Bio-LNG, das in mobilen Tanks gespeichert werden kann. Der Vorteil von Bio-LNG als Kraftstoff im Vergleich zu Strom oder Wasserstoff: Die extreme Volumenreduktion sorgt für eine hohe Reichweite und entspricht derer von Diesel, so dass es eine vielversprechende Alternative für den Schiffsverkehr und den Schwerlastverkehr darstellt.

Ökonomische und ökologische Bewertung

Vom ökonomischen Standpunkt aus gesehen, ist die Nutzung von Biomethan und Bio-LNG als Biokraftstoff positiv zu bewerten

Tatiana Demeusy, Erdgas Südwest GmbH

Die Frage, die sich die Wissenschaft, aber auch die Politik stellen sollte, ist der ökonomische und ökologische Nutzen von Biomethan und Bio-LNG als Kraftstoff.

Vom ökonomischen Standpunkt aus gesehen, ist die Nutzung von Biomethan und Bio-LNG als Biokraftstoff positiv zu bewerten. Neben dem Gasabsatz an der CNG-Tankstelle gibt es für die Tankstellenbetreiber die Möglichkeit, gemäß der 38. BImschV bzw. der Biokraftstoffnachhaltigkeitsverordnung, die Treibhausgas (THG)-Minderungsquote des Biomethans an Inverkehrbringen von Benzin und Diesel zur Erfüllung der Biokraftstoffquote zu vermarkten. Dadurch können CNG-Tankstellen, die Biomethan einsetzen, mit Erdgaspreisen konkurrieren. Dem Endkunden entstehen dadurch keine Mehrkosten.

Der Bestand von rund 900 CNG-Tankstellen und einer Handvoll LNG-Tankstellen kann ohne große Eingriffe in die Gasinfrastruktur ausgebaut werden, um einen möglichen wachsenden Bedarf kurz- und mittelfristig zu decken. Hier sind potentielle Investoren derzeit zurückhaltend, da aus Berlin für die längst fällige Verkehrswende weiterhin das Signal „All-Electric“ kommt, auch wenn insbesondere Speditionen darauf hinweisen, dass derzeit der Fuel-Switch von Diesel zu LNG/Bio-LNG die wirtschaftlich und ökologisch sinnvollste Alternative für sie ist.

Aktuelle Studien weisen den erneuerbaren Gasen, Biomethan aus Biomasse und strombasierte Gase (SNG=Synthetic-Natural-Gas und grünem Wasserstoff) eine bedeutende Rolle im Verkehr zu. Die dena-Leitstudie hat 2018 verschiedene Szenarien entwickelt und einen Gesamtbedarf an erneuerbaren Gasen von bis zu 674 TWh ermittelt. Ein wesentlicher Anteil dieses Bedarfs wird dem Verkehrssektor zugeschrieben.

Politische Rahmenbedingungen

Doch wie steht es mit dem Erzeugungspotential? Gemäß DVGW kann ein wesentlicher Teil des Bedarfs durch die inländische Produktion von Biomethan, SNG und Wasserstoff gedeckt werden. Die zusätzliche Nutzung des CO2 des Biogases zur Erzeugung von SNG (Methanisierung von Wasserstoff aus Power-to-Gas-Anlagen) verdoppelt das Erzeugungspotential nahezu.

Tatsächlich läuft für die ersten Biogasanlagen die für 20 Jahre gewährte EEG-Förderung in 2020 aus. Dies wird sich bis in die Mitte der 2030er-Jahre fortsetzen. An geeigneten Standorten bietet die Einspeisung von Biomethan in das Gasnetz oder die Verflüssigung zu Bio-LNG nach der EEG-Förderung ein mögliches Geschäftsmodell für den Weiterbetrieb von Biogasanlagen sowie die Erhöhung der regionalen Wertschöpfung. Hierzu sind in Berlin die politischen Weichen zu stellen, sprich die Rolle der erneuerbaren Gase im Rahmen der Energiewende zu definieren.

Ökologisch wird Biomethan regelmäßig von unterschiedlichen Behörden bewertet. Der im Oktober 2018 veröffentlichte Evaluations- und Erfahrungsbericht der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zur Biomassestrom- und Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung zeigt klar das CO2-Minderungspotentail von Biomethan auf: Die durchschnittliche Emissionseinsparung von Biomethan lag für das Berichtsjahr 2017 bei knapp 91%. Damit ist Biomethan zum dritten Mal in Folge der Spitzenreiter unter den Biokraftstoffen. Auch die europäische Union hat das Potential von Biomethan erkannt und in der 2018 verabschiedeten Erneuerbaren-Energien-Richtlinien für die Verwendung von Biomethan aus Gülle und Mist einen hohen THG-Minderungswert festgelegt, um die Anreize zur Verwendung von Biogas aus landwirtschaftlichen Reststoffen und Bioabfall im Verkehrssektor zu verbessern.

Die Umsetzung in nationales Recht hat bis Juni 2021 zu erfolgen. Hierbei kann die Politik bestehende Verordnungen, u.a. in der 38. BImschV, nachbessern und die seit Jahren schwellende Tank- und Teller-Diskussion bei Biogas durch Anreize zur Verwendung von landwirtschaftlichen Reststoffen wie Stroh sachlich beenden.

Obwohl die Verwendung von CNG bzw. Biomethan als Kraftstoff eine ökologische und ökonomische Alternative zu Diesel und Benzin ist, schnellen die Zulassungszahlen für CNG-Fahrzeuge beim Kraftfahrbundesamt nicht nach oben. Ein wesentlicher Grund hierfür könnte die mangelnde Vergleichbarkeit bei der Preisauszeichnung an den Tankstellen sein. Während Diesel und Benzin in Liter abgerechnet werden, erfolgt die Preisauszeichnung von CNG und Biomethan aus eichrechtlichen Gründen nach Gewicht. Um das Preis-Leistungsverhältnis der unterschiedlichen Kraftstoffen vergleichbar zu machen und damit den Verbrauchern eine gesicherte Entscheidung zu ermöglichen, sollte im Rahmen der Novellierung der europäischen Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe eine EU-weit einheitliche Preisauszeichnung vorgegeben werden.

Oder wussten Sie, dass der Wert von Erdgas/Biomethan bei einem derzeitigen Durchschnittspreis von Erdgas/Biomethan in Höhe von 1,066 EUR / kg an den CNG-Tankstellen vergleichbar ist mit einem Benzinpreis von 0,71 EUR / Liter bzw. einem Dieselpreis von 0,798 EUR / Liter?

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