Klimaschutz braucht Zusammenhalt

Gastautor Portrait

Dr. Matthias Miersch

MdB, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion für die Bereiche Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit

Geboren am 19. Dezember 1968 in Hannover; evangelisch-lutherisch. Kooperative Gesamtschule/Albert-Einstein-Schule Laatzen, 1988 Abitur; 1988 bis 1996 Ersatzdienst im Rettungsdienst und Katastrophenschutz der Johanniter; 1993 1. Juristisches Staatsexamen Universität Hannover; 1996 Ergänzungsstudium an der Verwaltungshochschule in Speyer; 1997 2. Juristisches Staatsexamen. Seit Juli 1997 Zulassung als Rechtsanwalt; 1999 Promotion Universität Hannover in Verfassungsrecht und Rechtsgeschichte; seit 2000 Fachanwalt für Strafrecht, Referent und Sachverständiger in Agrarausschüssen des Europäischen Parlaments und stellvertretendes Mitglied im Deutschen Bundestag; 2000 bis 2010 Partner in der Rechtsanwaltskanzlei Rischmüller - Pörtner und Kollegen; seit 2010 Partnerschaft mit Bernzen Sonntag Rechtsanwälte. 1983 bis 1993 ehrenamtlich tätig im CVJM und in der Thomasgemeinde Laatzen; 1985 bis 1995 Fußballschiedsrichter im Kreis und Bezirk Hannover; 2010 bis 2019 Kuratoriumsmitglied der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU); seit September 2016 Mitglied der Kammer für nachhaltige Entwicklung der Evangelischen Kirche in Deutschland; Mitglied beim NABU, AWO, CVJM und im Beirat der Deutschen Umweltstiftung (ehrenamtlich). Seit 1990 Mitglied der SPD; 1991 bis 2018 Mitglied im Rat der Stadt Laatzen; 1995 bis 2005 Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion der Stadt Laatzen; 2000 bis 2005 stellvertretender Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Hannover-Land; 2005 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der SPD in der Region Hannover; Juni 2008 bis April 2018 Mitglied im Präsidium der SPD Niedersachsen; 2009 bis 2019 Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Region Hannover; seit 2013 Mitglied im Parteivorstand der SPD; seit Juni 2019 Vorsitzender des SPD-Bezirks Hannover. Seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages; 2005 bis 2009 Sprecher der SPD-Fraktion für nachhaltige Entwicklung; 2009 bis 2017 umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion; seit Juli 2015 Sprecher der Parlamentarischen Linken (PL) in der SPD-Bundestagsfraktion; seit Dezember 2017 stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion für die Bereiche Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit; Energie; Ernährung und Landwirtschaft sowie Tourismus. Foto von Fionn Große.

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13. September 2021

Eine Anmerkung der Redaktion der Stiftung Energie & Klimaschutz: Wir geben den Bundesparteien eine Stimme, konkret: Den Fachexpertinnen und Fachexperten von CDU, SPD, FDP, DIE LINKE, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN. 

Welche Rolle der Klimaschutz im Bundestagswahlkampf spielt haben wir als Leitfrage den oben genannten Parteien gestellt und Antworten bekommen. Klar ist: noch nie hat der Klimaschutz eine so präsente Rolle im Wahlkampf und in der öffentlichen Berichterstattung bekommen wie derzeit, kurz vor der nächsten Legislaturperiode.  

Der erste globale Klimastreik, organisiert von Fridays for Future, fand im Frühjahr 2019 statt. Zum Antritt der jetzt noch im Amt befindlichen Bundesregierung hatte der Klimaschutz keine so laute und vernehmbare Stimme in der Zivilgesellschaft, wie sie in den vergangenen zwei Jahren entstanden ist. 

Der Refrain „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“ von Fridays for Future ist ein Appell an die Politik, spürbare Veränderungen in der Klimaschutz-Politik umzusetzen, zeitnah. Der Appell kam an – keine der genannten Parteien lässt Klimaschutz in Wahlprogramm oder auch Wahlkampagnen außen vor.  

Doch wo sind die Schwerpunkte und wie unterscheiden sich die Vorhaben in den Details? Was sind die konkreten Wahlprüfsteine? Antworten geben Energie-Expertinnen und Energie-Experten mit ihren Gastbeiträgen, die ab dem 6. September vor der diesjährigen Bundestagswahl hier veröffentlicht werden. 

Wir bedanken uns für die Gastbeiträge, die uns als Antwort auf unsere Anfrage erreichten. Heute schreibt Dr. Matthias Miersch, SPD. 

Die kommenden vier Jahre entscheiden

 2045 klimaneutral – das ist unser Ziel. Wir können das schaffen. Aber nur, wenn wir in der kommenden Legislaturperiode die Weichen richtig stellen. Wir stehen zum Klimaabkommen von Paris. Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, die globale Erderwärmung deutlich unter 2 Grad zu halten und auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. 

Die SPD hat in Regierungsverantwortung das Erneuerbaren-Energien-Gesetz auf den Weg gebracht, die gesetzlichen Voraussetzungen für den Atom- und Kohleausstieg geschaffen und schließlich das Klimaschutzgesetz vorgelegt und novelliert. Keine andere Partei hat in Regierungsverantwortung so viel für nachhaltigen Klimaschutz geleistet wie die SPD. 

Herzstück unserer Klimapolitik ist das Klimaschutzgesetz. Zum ersten Mal sind Klimaziele gesetzlich fixiert. Dieses Gesetz enthält die Ziele auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität bis 2045. Es verpflichtet auch künftige Regierungen gesetzlich, diese Ziele zu erreichen. Dort wo sie verfehlt werden, muss nachgebessert werden. Jetzt kommt es darauf an, diese Ziele mit zusätzlichen konkreten Maßnahmen zu unterlegen. Vieles ist bereits im Klimaschutzplan 2030 verankert, weiteres im Klimasofortprogramm 2022 angelegt. Aber wir wollen mehr. Wir wollen die Weichen stellen für eine zweite industrielle Revolution. Dafür werden wir jährlich 50 Milliarden Euro an Investitionsmitteln in die Hand nehmen. 

Klar ist aber auch: eine ambitionierte Klimaschutzpolitik braucht Rückhalt in der Gesellschaft. Denn ohne gesellschaftlichen Zusammenhalt auf Basis fairer tragfähiger Kompromisse können wir unsere Ziele nicht erreichen. Umwelt- und Klimaschutz und der damit verbundene Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft sind deshalb eine Frage von Gerechtigkeit und Solidarität. 

Chance für Wirtschaft und Wohlstand

Wir wollen einen Weg beschreiten, der die ökologischen Belastungsgrenzen der Erde respektiert, international Nachahmer findet und unseren Wohlstand erhält.

Dr. Matthias Miersch

Diese zweite industrielle Revolution bietet riesige Chancen. Nicht nur für das Klima, die Natur oder die Gesundheit von Menschen, sondern auch für tarifgebundene, gut bezahlte Arbeitsplätze. Hundertausende neue Jobs können geschaffen werden. Schon heute arbeiten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Bereich der Umwelttechnologien in der Industrie, im Maschinenbau, im Handwerk und bei den Dienstleistungsunternehmen in deren Umfeld. Staat und Unternehmen müssen und werden Milliardensummen in die Infrastruktur und Innovationen investieren. Unsere Klimaschutzpolitik soll zum neuen Jobmotor Deutschlands werden. 

Wir wollen einen Weg beschreiten, der die ökologischen Belastungsgrenzen der Erde respektiert, international Nachahmer findet und unseren Wohlstand erhält. Wir glauben, dass eine gute und mutige Klimaschutzpolitik für gute Arbeitsplätze sorgt, unser Land besser macht, unsere geopolitische Position stärker, unsere Wirtschaft zukunftsfähiger, unser Mobilitätssystem moderner, unsere Städte lebenswerter. 

Wir unterstützen Unternehmen in Industrie und Mittelstand beim Umstieg auf Klimaneutralität mit Investitionsförderung, mit einem Ausgleich für die derzeit noch teurere klimafreundliche Produktion (sog. Klimaschutzverträge), mit Forschungsmitteln, mit Schutz vor Abwanderung, 

mit mehr bezahlbarem Strom und Wasserstoff. Und natürlich muss der Staat als Nachfrager Nachhaltigkeit einfordern und seine Vergabe darauf ausrichten. 

Beispiel Solarindustrie: Große Teile der Produktion sind in den vergangenen 20 Jahren ab-gewandert, viele gute Arbeitsplätze gingen verloren. Doch es ist absehbar, dass weltweit eine riesige Nachfrage nach modernen, leistungsfähigeren und nachhaltig hergestellten Modulen entsteht. Deutschland und Europa haben die notwendige Expertise, um diese Nach-frage zu einem großen Teil zu bedienen. Es darf nicht wieder dazu kommen, dass die Entwicklung hier, die Wertschöpfung aber woanders stattfindet, wo die Einhaltung der Umwelt- und Sozialstandards eher ungewiss ist. Deshalb wollen wir der Solarindustrie eine Perspektive bieten. Alle geeigneten Dächer sollen eine Solaranlage bekommen. Den ersten Schritt machen die öffentlichen Gebäude und die gewerblichen Neubauten. Wir setzen uns auch da-für ein, dass ein Kriterium „CO2-Footprint“, das die Emissionen auf Grundlage des gesamten Lebenszyklus von Modulen bestimmt, in die Ausschreibungen aufgenommen wird. 

Ohne die Erneuerbaren ist alles nichts

Seit über 200 Jahren beziehen wir unsere Energie aus Kohle, Öl und Gas. Damit muss jetzt so schnell wie möglich Schluss sein. Dafür brauchen wir die Erneuerbaren Energien. Nur wenn wir den Ausbau der Erneuerbaren deutlich beschleunigen, können wir auf die fossilen Energiequellen verzichten. Nur dann können wir zeitnah aus der Kohle aussteigen, auf Elektromobilität und erneuerbare Wärme umsteigen. 

Durch die Elektrifizierung von verschiedenen Prozessen brauchen wir mehr Strom und dieser Strom muss erneuerbar sein. Daher müssen wir auf Basis eines realistischen Bruttostromverbrauchs die Ausbaupfade für Wind und Solar anheben. 

Wir brauchen einen verlässlichen Zukunftspakt zwischen Bund, Ländern und Kommunen mit verbindlichen Zusagen zum Ausbau und zur Flächenbereitstellung für die Erneuerbaren, um den gesteigerten Bedarf auch tatsächlich zu erreichen. Mit diesem Pakt schaffen wir stabile Rahmenbedingungen für eine sichere Energieversorgung und zukunftsfähige Arbeitsplätze. Auch ermöglicht er, flexibel auf neue heute noch nicht absehbare Herausforderungen zu reagieren. Denn eines wissen wir auch: Die Energiewende ist ein lernender Prozess. 

Wir wollen die Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigen und dabei fair ausgestalten. Die Genehmigung einer Windkraftanlage darf nicht weiterhin Jahre in Anspruch nehmen, sondern muss innerhalb kurzer Zeit möglich sein. Dazu gehört auch eine frühe und umfassende Bürgerbeteiligung. 

Die EEG-Umlage soll bis 2025 auf null gesenkt werden. Dazu muss das Finanzierungs- und Fördersystem inklusive der Steuern und Abgaben grundsätzlich reformiert werden. 

Die Energieeffizienz ist ein wichtiger Baustein für uns, um besonders den erneuerbaren Energiebedarf in Gebäude und Industrie geringer zu halten. 

Wir setzen uns für den Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie und Sozialem ein. Denn erneuerbare Energie muss bezahlbar sein und zum Mitmach- und Teilhabeprojekt für alle werden, gleichzeitig sollen durch die Transformation zukunftsfähige und krisenfeste Arbeitsplätze entstehen und erhalten bleiben. 

Klima-Club

Auch global gilt: Klimaschutz geht nur gemeinsam. 

Dr. Matthias Miersch

Um der globalen Klimakrise wirksam begegnen zu können, brauchen wir neben den bestehenden internationalen Verträgen auch belastbare globale Allianzen. Deutsche und europäische Unternehmen sind weltweit verflochten, ihre Prozesse und Produkte stehen in Wechselbeziehungen zu ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in anderen Staaten. Darum hat Olaf Scholz mit seinen Kolleginnen und Kollegen in anderen Industrie- und Schwellenländern den „Klima-Club“, einem internationalen Zusammenschluss von Staaten, die beim Klimaschutz vorangehen wollen, gegründet. Es sollen gemeinsam technologische Lösungen entwickelt und faire Klimaschutz-Regeln für den grenzüberschreitenden Handel mit Waren und Dienstleistungen vereinbart werden. 

Gegenwärtig wird in China, Indien, Indonesien, Japan und Vietnam der Bau von mehr als 600 Kohlekraftwerken mit einer Leistung von insgesamt rund 300 Gigawatt geplant. Das würde sämtliche Klimaschutzaktivitäten erheblich konterkarieren. Dazu darf es nicht kommen. Wir werden uns deshalb auch international engagiert für Klimaschutz mit Technik made in Germany einsetzen. Auch global gilt: Klimaschutz geht nur gemeinsam. 

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