Klimaschutz braucht Ressourcenschutz

Gastautor Portrait

Conny Czymoch

Journalistin, Moderatorin

Conny Czymoch ist eine international tätige Moderatorin und Journalistin. Die vormalige Anchorfrau des Nachrichtensenders Phoenix moderiert seit zwei Jahrzehnten Veranstaltungen für die EU, diverse Bundesministerien, internationale Organisationen, Verbände und Unternehmen. Ihre Themen sind der Klimawandel, Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeit, die Global Goals, Internationale Beziehungen, Wirtschafts- und Arbeitswelt, internationale Lieferketten sowie Digitalisierung und Wandel. Sie war Moderatorin des G20 Ressourcen-Effizienz Dialogs, sowohl bei der deutschen als auch der argentinischen Ratspräsidentschaft und für das IRP. Ihre berufliche Laufbahn startete mit der Lokalzeitung NRZ, danach war sie Autorin, Reporterin und Moderatorin für diverse Formate bei Deutschlandfunk, Deutsche Welle, WDR, Radio Fernsehen Hongkong.

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06. Dezember 2018
Bagger in Mine

Während in Katowice die Nationen konkrete Vereinbarungen für das Pariser Klimaschutzabkommen verhandeln, um das 2-Grad Ziel durch nationale Maßnahmen noch erreichbar zu gestalten, wird ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Erfolg in der Umsetzung des Regelwerks nicht verhandelt: Ressourceneffizienz muss man aber mitdenken, wenn man beim Klimaschutz Erfolg haben will.

Der Begriff Ressourceneffizienz, unser Umgang mit den weltweiten Ressourcen, Energie, Wasser, Luft, Böden, natürliche und mineralische Rohstoffe, ist sperrig und es verstecken sich gleichermaßen komplexe, miteinander zusammenhängende Systeme dahinter.

Ein bekanntes Thema mit neuer Brisanz

Das Thema hatte bereits das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome vor fünfzig Jahren angestoßen. Es fand aber nicht wirklich Gehör. International auf die Tagesordnung kam es erst im letzten Jahrzehnt: zuerst mit der Gründung, des Weltressourcenrats, IRP vor 11 Jahren, dann als Querschnittsthema unter den jeweiligen deutschen Präsidentschaften: bei den G7 in 2015 und verstärkt bei dem G20 Prozess in 2017.

Für den in diesem Sommer im argentinischen Iguazu fortgesetzten G20 Dialog zur Ressourceneffizienz hatte der Weltressourcenrat eine bedrohliche Analyse erstellt. Da heißt es bereits im Vorwort: „Die Nachfrage nach Ressourcen weltweit wächst in einem nicht nachhaltigen Tempo. Während 1900 noch 7 Milliarden Tonnen Rohmaterialen konsumiert wurden, waren es 2017 90 Milliarden Tonnen. Für 2050 werden bei gleichbleibendem Wachstumspfad 186 Milliarden Tonnen erwartet.“

Infografik zum Ressourcenverbrauch
Infografik des Bundesumweltminsteriums zum weltweiten Ressourcenverbrauch.

Grafik: BMUB

Ressourceneffizienz kann ein Motor sein

Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, kommentierte diese Zahlen so: „Wenn wir unseren Ressourcenverbrauch in den Industriestaaten senken, wird es uns auch leichter fallen, beim Klimaschutz voranzukommen. Wir brauchen Wohlstand, der mit weniger Ressourcen auskommt. Der IRP hat gezeigt, dass wir auch wirtschaftlich profitieren können, denn Ressourceneffizienz ist ein Motor für Innovationen und neue Arbeitsplätze“.

Vor den Chancen noch einmal der Blick auf die Fakten. Die Biodiversität weltweit ist bereits reduziert durch Ressourcenverschwendung, Umweltverschmutzung und Einschränkung der Lebensbedingungen. Böden laugen aus, mineralische Rohstoffe werden bedrohlich knapp. Nur ein Drittel dieser Rohstoffe werden weltweit zu mehr als der Hälfte recycled. Bei Spezialrohstoffen sieht es noch schlechter aus: nur 1% wird in einen neuen Nutzungskreislauf überführt. Warum sollte das in Hinblick auf die Erreichung des 2 Grad Zieles wichtig sein?

Weiter-So funktioniert nicht – weder beim Ressourcen- noch beim Klimaschutz

Jede Ressourcennutzung im Stile des „Weiter-So“ schwächt den Klimaschutz. Ohne Ressourceneffizienz wird es unmöglich sein, dem Ruf des IPCC vom Herbst zu folgen und die Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken. Zum Vergleich: läuft alles wie bisher, sind wir auf einem Erwärmungspfad von 3 bis 4 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts.

Die Einsicht in die Notwendigkeit ressourcenschonenden Wirtschaftens ist bereits angekommen: Bei den G20, die immerhin 85% der weltweiten Wirtschaftsleistung darstellen. In Europa, in der EU, die seit sieben Jahren ein Ressourcen-Effizienz Programm und eine entsprechende Plattform hat, und in ihrem Manifest fordert, bis 2030 die Ressourcenproduktivität zu verdoppeln.

Und in Deutschland, eingebettet in die Strategie der Bundesregierung, ProgRess genannt, versucht man Anreize für Kreislauf-Wirtschafts-Denken in die Köpfe von Unternehmern und Bürger zu bringen. Daran arbeiten sowohl die Bundesländer als auch das Umweltbundesamt.

Wie bei den Klimaverhandlungen gilt: Einsichten sind da, Handlungsabsichten ebenfalls, Ratgeber sind unterwegs, Leuchttürme vorhanden. Allein die breite Umsetzung, echte Reduzierungen oder ein wirkliches Kreislauf-basiertes Wirtschaften fehlen noch immer.

Steigender Verbrauch macht Effizienzgewinne zunichte

Natürlich gibt es Ausnahmen. Wir alle glauben Trennungs-Weltmeister zu sein. Nicht viele andere Europäer arbeiten so ordentlich beim Separieren des Haushaltsmülls, schalten Licht oder Fernseher beim Verlassen des Raumes aus. Zwei Drittel des Haushaltsmülls werden recycled. Doch – wie häufig bei Statistiken – einiges ist Augenwischerei, bei anderem geht noch viel mehr.

Beispiel Plastik: Mit 61 Prozent wird ein Großteil des Plastikmülls in Deutschland zur Energiegewinnung verbrannt. Nur aus 38 Prozent entstehen neue Produkte. Beispiel Papier: Die Papierindustrie setzt inzwischen fast 75% Altpapier ein. Jeder Prozentpunkt mehr an Altpapier senkt den Holz-, Wasser- und Primärenergieverbrauch pro Tonne Papier. Allerdings: der Verbrauch steigt stetig, und somit werden die Ressourcengewinne aufgefressen.

Und damit sind wir noch lange nicht bei weniger einfach zu recyclenden Produkten: Die seltenen Erden in den Elektrogeräten. Edelmetalle wie Kupfer und Aluminium und auch Minerale wie Phosphate. Rückgewinnung ist möglich. Kostet aber. Und da Umweltzerstörung und Klimawandel nicht eingepreist sind in den Rohstoffkosten, ist es oftmals billiger, diese knappen Ressourcen aus dem Boden zu holen, statt „Urban Mining“ zu betreiben.

Ressourcenschutz ist auch eine Frage der Gerechtigkeit

Das System müsste effizienter werden, um die gewünschten Klimaeffekte zu produzieren.

Inzwischen gibt es hohe Aufmerksamkeit für ein Industrieprodukt: Plastik. Die negativen Auswirkungen des schier endlos genutzten Materials sind inzwischen angekommen beim Bürger. Die Vermüllung der Meere produziert die richtigen Bilder via Social Media, die Angst vor Mikroplastik im Menschen öffnet den neu erlassenen, restriktiven Gesetzen Verständnis beim Betroffenen. Selbst Produzenten sind unterwegs, um Alternativen durchzudenken, einige mit Vorbildfunktion. Doch zum einen ist der Kampf um die Reduktion des Einsatzes dieser Ressource nicht gewonnen, zum anderen ist hier noch nicht einmal ein Mangel des Ausgangsmaterials zu verzeichnen.

Und was, wenn es zum Interessenkonflikt zwischen Nutzen des Produkts und Kosten des Einsatzes kommt? Wie viele Bürger wissen, dass ihr super-schmales Smartphone einen 8-kg-schweren Rucksack an Ressourcen mit sich trägt? Und wenn, würde er darauf verzichten?

Womit kurzfristig auch die Frage der Ressourcengerechtigkeit angestoßen werden muss: so wie die ersten drastischen Folgen des Klimawandels bei denen ankommen werden, die nun wirklich wenig dazu beigetragen haben – zum Beispiel Inselstaaten wie Kiribati, deren Einwohner definitiv in 20 Jahren nach Fidji umziehen werden, da ihre Inselgruppe überflutet sein wird – so gibt es auch die Frage nach dem (Aus-)nutzen der Ressourcen dieser Welt.

Wenn der Einstieg in den Ausstieg des ungebremsten Ressourcenverbrauchs nicht bald gelingt, droht auch das Scheitern der internationalen Klimapolitik.

Conny Czymoch

Ressourcenschutz braucht Innovationen

Zurück nach Europa: ressourcen-schonendes Wirtschaften – einschließlich des bewussten und sparsamen Umgangs mit Energie – ist nicht nur auf Recycling beschränkt. Ansätze von Umdenken und Umnutzen sind auch in der Bauindustrie erkennbar. Neue Techniken zur erneuten Nutzung des Materials von verfallenden Bauten, von Altbeton zum Beispiel, Sekundärrohstoffe, beginnen Platz zu greifen.

Zudem gibt es viele neue Ideen, wie man anders, wie man ressourceneffizienter bauen kann. Ein Beispiel: Holzhaus-Konstruktionen werden wieder „in“. Dass dies nicht die Wochenend-Hütte am Waldrand sein muss, beweist – unter anderen – ein österreichischer Vordenker namens Hubert Rhomberg seit ein paar Jahren.

Eines seiner letzten Projekte – ein 8-stöckiges Wohnhaus, erstellt in einer Bauzeit von 8 Tagen – zeigt auf, wo sich Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung treffen. Das Wohnhaus war vorher am Computer bis auf die letzten Nuten gefertigt, alle Elemente können wiedergefunden und wiederverwendet werden, eine komplette Kreislauf-Verwendung aller Bestandteile. Das Holz: nachhaltig beschafft, aus heimischen Gefilden.   Brandschutz gewährleistet. „Grüner“ und ressourceneffizienter geht es kaum.

Doch das bedeutet noch nicht, dass sich solche Ideen und Praktiken wie ein Lauffeuer verbreiten. Auch wenn Rhomberg gerne die Blaupause für seine Konstruktionen weitergeben würde. Skepsis in der Architekten- und Bau-Branche und Regularien, die in jedem Land anders sind, verhindern das schnelle Verbreiten von ressourcen- und damit klimaschonenden Verfahren.

Wenn es nicht Start-Ups sind oder bewusst agierende Eco-preneurs, dann sind es oftmals größere Unternehmen, die sich Ressourcenschonung nicht nur auf die Fahnen geschrieben haben, sondern auch umsetzen können. Theoretisch würde Ressourceneffizienz ja sowieso Sinn machen, für jedes produzierendes Gewerbe, aber der Teufel steckt wie immer im Detail und in der verfügbaren Zeit.

Und global gesehen gibt es ebenfalls, so wie bei den Klimazielen und den Sustainable Development Goals (SDG), teilweise Zielkonflikte. Wenn – wie es die Klimaziele erfordern – die Infrastruktur von Erneuerbaren Energien wachsen soll, so werden bestimmte Materialien noch knapper als sie es jetzt schon sind: seltene Erden, aber auch Kupfer, Aluminium.

Also sind hier im Verbrauch Grenzen gegeben. Kein kompletter Hinderungsgrund, aber eine Hürde, die mitgedacht werden muss.

Wir – in Deutschland, in Europa – sind zwar nicht mehr an der Startlinie auf dem Marathon zur langfristigen und vor allem nachhaltigen Ressourceneffizienz, aber noch keinesfalls auf einem Plateau, auf dem wir uns ausruhen dürfen.

Fazit

Gerne zitiere ich Professor Edenhofer in seinem Schlusssatz mit zwei zusätzlichen Worten.

Die Zeit zum Handeln drängt. Wenn der Einstieg in den Ausstieg des ungebremsten Ressourcenverbrauchs nicht bald gelingt, droht AUCH das Scheitern der internationalen Klimapolitik. Wenn in Katowice also jetzt die Regierungen der Klimarahmenkonvention wieder über die Klimapolitik verhandeln, wird ein anderes Thema wie ein Schatten dabei sein: Ressourceneffizienz. Im Klimaschutz geht nichts ohne Ressourcenschutz. Die beiden gehören zusammen.

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