Seit 2005 gibt es in Europa nationale Anpassungsstrategien an den Klimawandel. Die Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) wurde 2008 von der Bundesregierung beschlossen und seitdem mehrfach weiterentwickelt. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Bundesregierung eine neue vorsorgende Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen der Klimaanpassung entwickelt, die durch ein Klimaanpassungsgesetz verpflichtend wird. Zur Umsetzung der Strategie beschließt der Bund seit 2011 regelmäßig Aktionspläne. Diese Maßnahmenpläne beruhen auf Analysen der Risiken durch den Klimawandel. Klimarisikoanalysen für Deutschland werden alle 6-7 Jahre für die Zeiträume Gegenwart, Mitte und Ende des Jahrhunderts veröffentlicht, um Anpassungsaktivitäten zu priorisieren und das Bewusstsein für die Bedeutung von Anpassung, in Ergänzung zu Klimaschutzmaßnahmen, zu erhöhen. Klimarisikoanalysen sollten regelmäßig durchgeführt werden, da der Kenntnisstand wächst. Zudem sollten sie vorausschauend und vorsorgend sein.
Nachholbedarf bei Unternehmen
Die Stabilität der Ökosysteme nimmt ab, die Klimaextreme nehmen zu, die Gefahr von Kaskadeneffekte steigt und damit auch die Vulnerabilität von Gesellschaft und der Ökonomie.
Unternehmen beschäftigen sich im Vergleich hierzu erst seit kurzer Zeit mit physischen Klimarisiken. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass sie sich bisher vor allem von transitorischen Klimarisiken betroffen sehen, d.h. Risiken, die sich aus politischen Entscheidungen ergeben, Klimaschutz betreiben zu müssen (Loew et al. 2021). Ausnahmen sind Unternehmen, die langfristige Entscheidungen fällen müssen, beispielsweise in der Forstwirtschaft oder Betreiber von Infrastrukturen. Auch Unternehmen, deren nationale oder internationale Lieferketten bereits vom Klimawandel bedroht werden, beschäftigen sich bereits heute mit Klimarisiken. Dies betrifft beispielsweise Unternehmen am Rhein, die bei Niedrigwasser nicht mehr mit Rohstoffen beliefert werden oder ihre Produkte nicht mehr ausliefern können. Auch Betreiber von thermischen Kraftwerken, die mittels Flusswassers gekühlt werden, werden sich seit dem Hitzesommer 2003 immer stärker ihrer Klimarisiken bewusst. Aufgrund der langanhaltenden Dürren 2018-2022 in Nordostdeutschland, der steigenden Zahl von Waldbränden, dem Trockenheitsschäden in der Land- und Forstwirtschaft sowie den verheerenden Starkregenereignissen im Juli 2021 in der Eifel steigt auch bei den bisher noch nicht direkt betroffenen Unternehmen und privaten Akteuren das Bewusstsein, dass auch sie Vorsorge gegenüber Klimarisiken betreiben sollten. Und natürlich gibt es vorausschauende Unternehmen, die sich intensiver mit den Ergebnissen der Klimaforschung und den IPCC Berichten auseinandersetzen. Dort steht immer deutlicher: die Stabilität der Ökosysteme nimmt ab, die Klimaextreme nehmen zu, die Gefahr von Kaskadeneffekte steigt und damit auch die Vulnerabilität von Gesellschaft und der Ökonomie.
Verpflichtende Klimarisikoanalysen
Durch die neuen europäischen Berichtspflichten im Rahmen der EU-Taxonomie Verordnung und der Europäischen Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), sowie Auflagen an die Regionalförderungen, z.B. Europäische Fond für regionale Entwicklung (EFRE), werden immer mehr Unternehmen aufgefordert, sich mit ihren physischen Klimarisiken auseinander zu setzen. Gleichzeitig entstehen mehr Leitfäden und Geschäftsmodelle, um auch Unternehmen zu helfen, Klimarisikoanalysen durchzuführen. Seit 2021 gibt es die ISO 14091, die Unternehmen und anderen Organisatoren eine Hilfe für Klimarisikoanalysen anbietet (ISO 14091:2021 – Adaptation to climate change — Guidelines on vulnerability, impacts and risk assessment). 2021 wurde die Technische Anleitung für kritische Infrastrukturen (CIPR – EC Technical Guidance on Climate Proofing of Infrastructure (europa.eu)) veröffentlicht, in der methodische Empfehlungen für Klimaschutz und Klimaresilienz gegeben werden. 2022 hat das Umweltbundesamt Empfehlungen für Unternehmen veröffentlicht, die in der EU Taxonomie geforderte robuste Klimarisiko- und Vulnerabilitätsbewertungen durchführen müssen (How to perform a robust climate risk and vulnerability assessment for EU taxonomy reporting? | Umweltbundesamt). Für die EU Taxonomie müssen Klimarisikoanalysen durchgeführt werden, um einen substantiellen Beitrag zur Klimaresilienz zu erreichen oder um den Do-No-Significant-Harm Kriterien zu genügen.
Grundsätzlich sollten Unternehmen, die Klimarisikoanalysen durchführen wollen, sowohl die standortspezifischen Gefahren, wie Wetterextreme, als auch die standortspezifischen Sensitivitäten und Anpassungskapazitäten untersuchen, beispielsweise die Altersstruktur der Belegschaft, die Kühlungs- und Verschattungsoptionen. Als erstes müssen sie sich dabei über die Untersuchungsobjekte klar werden. Hierfür bietet es sich an für jeden potentiell betroffenen Standort die sensitiven Systeme, z.B. Produktionshallen, Beschäftigte, Wasserversorgung, zu identifizieren.
Für die Einschätzung zukünftiger Klimagefahren sollten die Unternehmen zunächst vergangene Wetterextremereignisse betrachten, auch in der näheren Umgebung. Zusätzlich sollten sie bei Investitionen für die nächsten 10 Jahre Messdaten und daraus abgeleiteten Klimatrends hinzuziehen. Für längerfristige Investitionen sollten die Unternehmen auch Klimaszenarien für die Mitte des Jahrhunderts oder sogar darüber hinaus betrachten. Hierfür gibt es öffentliche Datenquellen, beispielsweise den Klimaatlas des Deutschen Wetterdienstes. Für eine Interpretation und eine regionale Auswertung kann es notwendig sein, externe Fachkenntnisse hinzuzuziehen.
Lokales Wissen und externe Unterstützung
Am Ende von Klimarisikoanalysen sollten jedoch für größere Risiken, wie Gesundheitsrisiken oder Risiken für die Umwelt, immer konkrete Maßnahmen stehen.
Neben den Klimagefahren ist es wichtig, die standortspezifischen Sensitivitäten und Anpassungsoptionen zu kennen. Hierfür ist lokales Wissen von unterschiedlichen Fachleuten notwendig, das am besten in Workshops zusammengetragen und gemeinsam bewertet wird. Da Klimarisikoanalysen neben der Identifikation und Priorisierung von Risiken sowie der Vorbereitung von Anpassungsmaßnahmen immer auch ein größeres Risikobewusstsein zum Ziel haben, sind kooperative Prozesse, lokales Know-How und die Übernahme von Verantwortung zentrale Bestandteile für erfolgreiche Risikoanalysen. Die Untersuchung der Auswirkungen von Klimaereignissen sensibilisiert auch für die Gefahren von Kaskadeneffekten, beispielsweise den multiplen Folgen eines Stromausfalls oder der Notwendigkeit von eingespielten Kommunikationswegen im Falle eines Extremereignisses. Unternehmen sollten daher bei ihren Untersuchungen auch Wechselwirkungen und Kaskadeneffekte berücksichtigen. Sie sollten mit der lokalen Verwaltung sowie den Infrastrukturbetreibern zusammenarbeiten, um Synergie für Anpassung zu identifizieren und Maladaptation zu verhindern. Maladaption sind Maßnahmen, die andere gesellschaftliche Ziele, wie Klimaschutz oder Schutz der Biodiversität, oder zukünftige Anpassung beeinträchtigen.
Die Bewertung von Klimarisiken wird auch von Beratungsagenturen angeboten, die mittels komplexer Modelle und umfangreichen Daten Risikoeinstufungen anbieten. Dies beruht meist nur auf der Analyse von Klimagefahren und kann nicht die Einbindung von lokalen Fachleuten ersetzen. Die Einstufung der Risiken selber ist abhängig von der Risikobereitschaft der Unternehmen, denn nicht alle (ökonomischen) Risiken können oder müssen reduziert werden. Am Ende von Klimarisikoanalysen sollten jedoch für größere Risiken, wie Gesundheitsrisiken oder Risiken für die Umwelt, immer konkrete Maßnahmen stehen.
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