Klimapolitik zu Corona-Zeiten: Nicht völlig falsch. Aber auch nicht genug

Gastautor Portrait

Prof. Dr. Sonja Peterson

Institut für Weltwirtschaft

Prof. Dr. Sonja Peterson studierte Wirtschaftsmathematik an der Universität Hamburg und Volkswirtschaftslehre an der University of Colorado at Boulder, bevor sie im Graduiertenkolleg “Integrative Umweltbewertung” an der Agrarfakultät der Universität Kiel promovierte. Seit 2013 ist sie wissenschaftliche Geschäftsführerin am Institut für Weltwirtschaft. Dort forscht die Umweltökonomin bereits seit über zehn Jahren zu den Themen Klima- und Energiepolitik sowie zu umweltpolitischen Instrumenten.

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23. Juli 2020

In 2019 überschattete die Klimakrise alles, jetzt in 2020 ist es die Coronakrise. Dennoch ist die Klimakrise nicht weniger aktuell.

Die Ziele stimmen, aber der Weg ist weit

Die Ziele sind klar und im mittlerweile von knapp 190 Ländern ratifizierten Abkommen von Paris festgehalten: der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur soll gegenüber dem vorindustriellen Niveau deutlich unter 2°C gehalten werden. Dies erfordert bis zur zweiten Hälfte des Jahrhunderts einen strukturellen Wandel hin zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft und Gesellschaft. Es ist zu begrüßen, dass dieses Ziel durch den Europäischen Grünen Deal für Europa umgesetzt werden soll und dass auch deutsche Reduktionsziele damit in Einklang stehen. Allerdings steht der notwendige Wandel von Technologien, Konsum- und Produktionsmuster erst am Anfang und die bisherigen Politikmaßnahmen sind nicht ausreichend, um die Ziele effektiv und auch kostenminimal zu erreichen.

Der CO2-Preis ist heiß

Ziel muss bleiben, die Bepreisung systematisch auszubauen [...]

Dr. Sonja Peterson

Anerkannte Ökonominnen und Ökonomen betonen seit langem: das zentrale Element der Klimapolitik sollte die Bepreisung von Treibhausgasemissionen sein. Sie lenkt Konsum, Produktion und Innovation Richtung Emissionseinsparungen, ohne festzuschreiben, wie genau dies zu geschehen hat. Dadurch wird anders als durch dirigistische Politik gewährleistet, dass Emissionen dort reduziert werden, wo es am billigsten ist. Die Lenkungswirkung eines CO2-Preises wird umso wichtiger, wenn es um die – durch Konjunkturpakete und Nachholeffekte angekurbelten – Investitionen und Konsumausgaben in der Post-Corona Phase geht.

Die Dynamiken bei der CO2-Bepreisung machen Hoffnung: die EU hat für sein Emissionshandelssystem, das ca. 45% der europäischen Treibhausgasemissionen umfasst, mit der Marktstabilitätsreserve einen Mechanismen geschaffen, der auf unerwartete Nachfrageeffekte reagieren kann. Damit kann das Anspruchsniveau bei einem Nachfrageschock wie durch die Coronakrise steigen. Daneben enthält der Grüne Deal auch den begrüßenswerten Plan das EU Emissionshandelssystem auszudehnen. Deutschland hat mit dem Klimapaket aus 2019 den großen Schritt gemacht, die CO2-Bepreisung auf den Wärme- und Transportsektor auszudehnen. Gleichzeitig vertrauen sowohl Grüner Deal als auch das Klimapaket zu wenig auf die Bepreisung und versammeln ein schwer überschaubares Paket von Einzelmaßnahmen.

Wichtig ist, nicht den Schwung zu verlieren und schon gar nicht Corona als Vorwand zu verwenden (wie es einige Mitgliedsstaaten der EU oder Lobbyisten in Deutschland fordern) den Umfang der bepreisten Emissionen oder Preise zu senken. Ziel muss bleiben, die Bepreisung systematisch auszubauen, so dass schon 2030 ein Großteil aller europäischen Emissionen einheitlich bepreist wird.

Konjunktur für die Klimapolitik?

Neben CO2-Preisen beinhaltet effektive und effiziente Klimapolitik auch die Förderung der Entwicklung, Erprobung und Diffusion von emissionssparenden Innovationen sowie von grundlegender Infrastruktur wie Strom- und Schienennetze, Ladeinfrastruktur für E-Mobilität oder Radwege. Sowohl die EU als auch Deutschland haben dies erkannt und in Grünen Deal und  Klimapaket aufgegriffen. Vieles bleibt dabei allerdings Absichtserklärung. Hier können die Unterstützungspakete zur Überwindung der Coronakrise auf europäischer und deutscher Ebene helfen. Das deutsche Corona-Konjunkturpaket enthält beispielsweise viele klimapolitische Elemente. Das ist zwar nicht optimal, da ein Corona-Konjunkturpaket in erster Linie  die akuten Folgen der Coronakrise für Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger adressieren sollte und die klimapolitischen Elemente in den wenigsten Fällen schnell genug und zielgerichtet wirken.

Immerhin werden aber so generell sinnvolle Fördermaßnahmen und Anpassungen möglich. Hierzu zählen etwa  die Senkung der EEG-Umlage, was den Einsatz von strombasierten und damit potenziell emissionsreduzierenden Technologien im Transportsektor und Teilen der Industrie fördert, sowie die Aufstockung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms. Beides sind im Übrigen Maßnahmen, die auch den klassischen Kriterien an Konjunkturpakte annährungsweise erfüllen. Daneben enthält das deutsche Konjunkturpaket Mittel  für verschiedene klimapolitisch sinnvolle Investitionen, wie etwa für den Ausbau von ÖPNV, Schienenverkehr und der Ladesäulen-Infrastruktur,  für Forschung und Entwicklung im Bereich Elektromobilität und Batteriezellenforschung oder zur Förderung der Wasserstofftechnologie. Der klimapolitisch relevante Teil auf EU-Ebene wird vermutlich gering ausfallen, aber auch hier sind Mittel für die Umweltstrategie vorgesehen. Dies zeigt, was generell gilt: einige klimapolitisch sinnvolle und angezeigte Investitionen werden durch die Coronapakete möglich, aber weder ist es angezeigt noch möglich so alle notwendigen Investitionen zu erreichen.

Fazit

Dennoch bleibt zwischen den hehren Zielen und den getroffenen Maßnahmen noch eine große Lücke.

Dr. Sonja Peterson

EU und Deutschland haben sich ambitionierte Klimaziele gesetzt, die in Einklang mit den Zielen des Klimaabkommens von Paris stehen. Sie haben außerdem den groben Rahmen abgesteckt, um diese Ziele zu erreichen. Gleichzeitig wurden erste konkrete Schritte in die richtige Richtung unternommen, in dem die Bepreisung von Treibhausgasen reformiert (EU) bzw. ausgedehnt (Deutschland) wurde.

Zudem ermöglichen die Maßnahmen zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zügig notwendige Investitionen in emissionssparende Technologien und den Ausbau emissionssparender Infrastruktur. Dennoch bleibt zwischen den hehren Zielen und den getroffenen Maßnahmen noch eine große Lücke. Notwendig wäre vor allem der systematische Ausbau der Bepreisung von Treibhausgasemissionen in einem erweiterten EU-Emissionshandelssystem und darüber hinaus. Dies würde auch dafür sorgen, dass Investitionen in die Forschung, Entwicklung und Nutzung emissionssparender Technologien fließen und sich langfristig nachhaltige Konsummuster etablieren.

Download

IfW-Vorschlag zu Schritten für die Ausdehnung von CO2-Bepreisung in Deutschland und Europa:

https://www.ifw-kiel.de/fileadmin/Dateiverwaltung/IfW-Publications/-ifw/Kiel_Policy_Brief/Kiel_Policy_Brief_127.pdf

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