Ein junges Startup revolutioniert die Baubranche und bleibt dabei CO2-neutral

Gastautor Portrait

Angelique Wu und Julian Kuntzsch

Concular UG

Angelique Wu ist Absolventin der Chinastudien und Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin und begleitet seit 2019 das Team hinter Restado und Concular. In ihrer Abschlussarbeit erforschte sie die Wechselwirkung von deutsch-chinesischen Kooperationen in der Kreislaufwirtschaft, mit Blick auf die Made in China 2025 Strategie. Bei Concular liegen ihre Schwerpunkte im Business Development und in der Kommunikation. Darüber hinaus betreut sie Kundenprozesse und unterstützt die Weiterentwicklung der Marktplattform Restado. Julian Kuntzsch hat an der Beuth Hochschule für Technik Berlin Umweltingenieurwesen und Bau studiert. Derzeit befindet er sich in einem Masterprogramm, mit Fokus auf interdisziplinäre Ansätze der Kreislaufwirtschaft und des Abfallmanagements an der BTU Cottbus. Seit 2020 unterstützt er Concular in der zirkulären Baubranche und engagiert sich dort in zahlreichen Rück-, Neu- und Umbauprojekten, betreut Reuse-Assessments und berät die Projektleitung vor Ort.

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08. Februar 2021

Am 7. und 8. Oktober 2020 fand der 9. Ressourceneffizienz- und Kreislaufwirtschaftskongress Baden-Württemberg statt. Vor Ort wurden innovative Lösungs- und Transformationsmodelle in den Bereichen Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft diskutiert. Auf dem Kongress waren ExpertInnen und Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden vertreten. Im Rahmen des Kongress Lab endete die gesamte Veranstaltung mit einem digitalen Pitch-Marathon. Dort stellten sechs Green-Tech-Startups ihre Geschäftsmodelle in den Bereichen Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft, Klimaneutralität und Digitalisierung vor und entwickelten diese in weniger als 48 Stunden weiter.

Im Abschlussplenum entschied ein Live Publikum über den Gewinner: dieses Jahr konnte sich das Berliner Impact-Startup Concular über den ersten Platz freuen, der von der Stiftung Energie & Klimaschutz überreicht wurde. Dominik Campanella (27) und Julius Schäufele (31) sind die Mitgründer des jungen Startups und teilen eine klare Mission.

Weg von einer linearen, hin zu einer zirkulären Bauwirtschaft

[...] so sind 50% der Abfälle und 23% des CO2-Ausstoßes weltweit der Bauwirtschaft zuzuschreiben.

Angelique Wu und Julian Kuntzsch

Ein Großteil der Weltwirtschaft folgt immer noch dem linearen take-make-waste-Prinzip. So wandert ein Großteil der menschengemachten Produkte nach kurzer Nutzungsdauer als Abfall auf der Deponie, anstatt wiederverwendet zu werden. Allein in Deutschland machen Bau- und Abbruchabfälle knapp 60% des bundesweiten Abfallaufkommens aus. Das sind jährlich mehrere Millionen Tonnen wertvoller Baustoffe und -materialien. Weitet man dieses Phänomen auf den gesamten Planeten aus, so sind 50% der Abfälle und 23% des CO2-Ausstoßes weltweit der Bauwirtschaft zuzuschreiben.

Eins ist klar: Die lineare Bauwirtschaft muss durchbrochen und neu gedacht werden. Es gibt bereits einige Akteure, wie Concular, die sich aktiv für eine Transformation der Baubranche mit geschlossenen Kreisläufen einsetzen.

Im Jahr 2013 starteten vier GründerInnen den ersten Online-Marktplatz für wiedergewonnene Baustoffe. Ihre Vision: die Bauwirtschaft und die digitale Welt zu vernetzen, um den Klimaschutz voranzutreiben. Der Marktplatz Restado ermöglicht BauherrInnen, HandwerkerInnen, Bauunternehmen und HändlerInnen mit wiederverwendbaren Baumaterialien zu handeln. Das erklärte Ziel: Baustoffe wiederverwenden statt sie zu verschwenden.

Eine Wiederverwendung von Baumaterialien reduziert nicht nur Abfälle und schont Ressourcen, sondern wirkt sich zudem positiv auf Klima-, Umwelt- und soziale Aspekte aus. Die durch Produktion, Transporte, Entsorgung und Recycling von Baustoffen entstehenden Kosten und Emissionen werden deutlich reduziert. Geringe soziale Standards bei der Rohstoffförderung und in den Lieferketten, sowie der Aspekt der gewaltigen Abfallexporte in den globalen Süden, können durch eine neue Denkweise im Bau- und Abfallsektor erheblich verbessert werden.

Wie wollen wir in Zukunft bauen?

Grafik: Concular UG

Schon lange ist klar: zirkuläres Bauen und der nachhaltige Umgang mit wertvollen Ressourcen ist keine Zukunftsvision mehr. Die Dringlichkeit für mehr Klimaschutz spiegelt sich bereits in der Politik wieder. Der EU Circular Economy Action Plan, das Abfallwirtschaftskonzept der Stadt Berlin und viele Forschungs- und Pilotprojekte zeigen: geschlossene Materialkreisläufe und eine Abfallvermeidung im Bausektor werden immer mehr zur Pflicht. Die Praxis ist bisher noch eine andere.

Trotz vorhandener Initiativen fehlen den Bauschaffenden die Anreize, die kommunale Infrastruktur und das richtige Know-how, um eine umfassende Kreislaufwirtschaft im Bausektor durchzusetzen. Bis dato ist kein klares Gesetz vorhanden, das Bauen mit wiederverwendbaren Materialien regelt. Nach der europäischen Abfallhierarchie steht die Wiederverwendung von Ressourcen noch vor Recyclingverfahren und der Deponierung – den gängigen Verwertungsmethoden in Deutschland.

Der Status-Quo lässt sich anhand von einfachen Marktmechanismen erklären. Sowohl die Lagerkosten für eine Wiederverwendung als auch der Aufwand, die Baustoffe zu verkaufen oder zurückzuschicken, ist für die verantwortlichen Akteure zu arbeits- und kostenintensiv. So beschränkt sich das deutsche “Kreislaufwirtschaftsgesetz” vor allem auf das stoffliche Recycling und schließt die Wiederverwendung von Baumaterialien und -stoffen aus.

Man kann das Baustoffrecycling im übertragenen Sinne als eine Bekämpfung der Symptome aber nicht als die Lösung des Problems sehen. Der richtige Ansatz liegt in der Grundsatzfrage: wie möchten wir in Zukunft bauen? Die zirkuläre Bauweise knüpft genau an dieser Fragestellung an. Das Team hinter dem Berliner Startup Concular liefert bereits ausgereifte digitale Lösungen für eine kreislaufgerechte Bauweise.

Der Anstoß für eine zirkuläre Wertschöpfungskette

Concular sieht es als seine Mission die Abfälle um 25% und den CO2 Ausstoß um 12% zu senken.

Angelique Wu und Julian Kuntzsch

Das Prinzip ist folgendes: ArchitektInnen, BauherrInnen, Immobilienfirmen, Städte und Kommunen können auf Concular Materialanfragen hochladen und passende Angebote freiwerdender Materialien aus Rückbauprojekten erhalten. Die Materialien können mit Concular frühzeitig vor einem geplanten Rück- oder Umbau des Gebäudes in einem digitalen Materialpass erfasst und für die Vermittlung freigegeben werden.

Das Material wird durch Concular einsatzfähig auf der neuen Baustelle angeliefert. Um dabei die bestmögliche positive ökologische und ökonomische Bilanz zu erzielen, bietet das Startup sogenannte Reuse Assessments mit inkludierter Ökobilanzierung an. Dabei werden alle Bestandsmaterialien vor Ort untersucht, nach potenzieller Schadstoffbelastung und Rückbaufähigkeit bewertet und mittels Materialpässen digital erfasst. Der daraus resultierende Produktkatalog wird anschließend auf Concular für suchende KäuferInnen veröffentlicht. Neben den Baustoffeigenschaften wird der ökologische Einfluss aller Prozesse vom selektiven Ausbau, über den Transport bis zur Wiedernutzung der Materialien bei allen Projekten individuell dokumentiert und ökologisch bilanziert. Final gibt Concular alle Einsparungen als Bericht an die involvierten Parteien heraus. Zum Aufbau und der Verbesserung dieser Dienstleistungen konnte das Preisgeld der Stiftung Energie & Klimaschutz genutzt werden.

Concular sieht es als seine Mission, Bauabfälle um 25% und den CO2 Ausstoß um 12% zu senken. Dies kann nur in Kooperation mit allen Stakeholdern der Baubranche umgesetzt werden. Deshalb setzt sich das Startup fortwährend für ein verbessertes Bewusstsein von wiederverwendbaren Ressourcen und kreislaufgerechtem Bauen ein. Denn der Wille, den Sektor zu transformieren, stößt bei einigen Akteuren der Baubranche noch auf Widerstand.

Die bisherigen Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Projekten in ganz Deutschland beweisen jedoch, dass es funktionieren kann. Concular fügt sich zeitlich nahtlos in das bestehende Projektmanagement ein und organisiert seine Prozesse vor dem anvisierten Abbruchtermin. Dabei ist der Rückbau durch den Weiterverkauf günstiger, als ein Abriss mit entsprechender Entsorgung. Werden die externen Kosten eines konventionellen Abrisses internalisiert betrachtet, so stellt sich unterm Strich ein großer Gewinn für Umwelt, Stadt & Kommune, Unternehmen und Mensch ein.

Damit leistet das junge Startup Seite an Seite mit seinen PartnerInnen und NutzerInnen einen wichtigen Beitrag für den Wandel, hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, eine effektive Schonung der Ressourcen und den Klimaschutz.

Über die Autoren

Angelique Wu

Concular UG

Angelique Wu ist Absolventin der Chinastudien und Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin und begleitet seit 2019 das Team hinter Restado und Concular. In ihrer Abschlussarbeit erforschte sie die Wechselwirkung von deutsch-chinesischen Kooperationen in der Kreislaufwirtschaft, mit Blick auf die Made in China 2025 Strategie. Bei Concular liegen ihre Schwerpunkte im Business Development und in der Kommunikation. Darüber hinaus betreut sie Kundenprozesse und unterstützt die Weiterentwicklung der Marktplattform Restado.

Julian Kuntzsch

Concular UG

Julian Kuntzsch hat an der Beuth Hochschule für Technik Berlin Umweltingenieurwesen und Bau studiert. Derzeit befindet er sich in einem Masterprogramm, mit Fokus auf interdisziplinäre Ansätze der Kreislaufwirtschaft und des Abfallmanagements an der BTU Cottbus. Seit 2020 unterstützt er Concular in der zirkulären Baubranche und engagiert sich dort in zahlreichen Rück-, Neu- und Umbauprojekten, betreut Reuse-Assessments und berät die Projektleitung vor Ort.

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