Wir stehen vor Jahrzehnten der Infrastruktur

Gastautor Portrait

Dr. Christoph Müller

Vorsitzender der Geschäftsführung Netze BW

Dr. Christoph Müller ist seit 2013 in der Geschäftsführung der Netze BW GmbH, seit 2015 als ihr Vorsitzender. Seit 2000 war er in diversen Positionen bei der EnBW beschäftigt, zuletzt als Geschäftsführer der EnBW Trading GmbH für Finanzen und Risikomanagement. Begonnen hat er sein Berufsleben 1997 bei PowerGen plc (heute E.ON UK). Nach einem Studium der Volkswirtschaftslehre an der WWU in Münster und einem MBA an der Warwick Business School promovierte er in Wirtschaftswissenschaften an der WWU Münster. Müller bekleidet außerdem Mandate in diversen Aufsichtsgremien. Dr. Christoph Müller bei LinkedIn

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20. Oktober 2021
Foto: Bernd Eidenmüller

Klimaneutralität ist eine zentrale Voraussetzung, wenn wir das ökologische Gleichgewicht aufrechterhalten und die Erde als Lebensraum für uns alle bewahren wollen. Das gilt auch und vor allem für die Energiewirtschaft und letztlich für unser gesamtes wirtschaftliches und privates Leben. Das von für Deutschland gesetzte politische Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden ist somit nicht Vision, sondern Imperativ. Wenn wir es erreichen wollen, müssen wir heute die richtigen Entscheidungen treffen und klug handeln.

Wir kennen die Richtung, aber nicht den Weg

Sicher ist: Für eine klimaneutrale Energiewirtschaft muss die großtechnische Stromerzeugung aus Kohle und Gas abgestellt werden. Wir wissen, aus welchen Technologien wir aussteigen wollen und auch, welche Komponenten und Technologien wir einsetzen könnten. Und wir haben Ideen, wie das alles im Gesamtsystem funktionieren könnte. Was wir bislang nicht haben, ist ein konkreter, umsetzungsfähiger Plan. Den kann es auch nicht geben, denn der technische Fortschritt wird immer neue positive Überraschungen und Möglichkeiten für uns bereithalten – und uns hier und da auch enttäuschen.

Gezielter Netzausbau – mehr Spielraum beim Flexibilitätseinsatz

In dieser Situation ist es wichtig, möglichst flexibel zu bleiben, sich Optionen zu schaffen und zu bewahren. In der vergangenen Legislatur wurde beispielsweise häufig und intensiv darüber diskutiert, ob Flexibilität auf der Nachfrageseite im Netz oder im Markt eingesetzt werden soll – ob sie also den Stromnetzausbau dämpfen oder eine Windflaute abfangen soll. Wollen wir uns hier Optionen schaffen und (vor allem) bewahren, sollten wir die Flexibilität für Ereignisse aufsparen, die nicht zu beeinflussen sind. Und nicht dort einsetzen, wo auch andere Maßnahmen helfen können. Konkret: Wenn wir das Netz gezielt ausbauen, schaffen wir uns Spielräume für die nächste Windflaute.

Die Energiewende braucht ein tragfähiges Fundament

Die Energiewende findet im Verteilnetz statt und braucht ganz einfach mehr Infrastruktur.

Dr. Christoph Müller

Wovon wir sicher ausgehen können ist, dass durch erneuerbare Energien, E-Mobilität und den aufgrund der Elektrifizierung steigenden Stromverbrauch künftig sehr viel mehr Strom durch unsere Netze fließen wird. Und dass die Volatilität von Einspeisung und Verbrauch eine Herausforderung für die Netzinfrastruktur sein wird. Auf diese zunehmende Belastung müssen wir unser Netz vorbereiten. In der leitungsgebundenen Infrastruktur gilt grundsätzlich, dass sich (nur) über das Netz Handlungsoptionen ergeben. Habe ich ein Problem an Ort A und könnte es durch eine Maßnahme an Ort B lösen, wird das nur funktionieren, wenn A und B durch eine ausreichend starke Infrastruktur verbunden sind.

Eine starke Infrastruktur ist die Basis, die eine versorgungssichere und resiliente Energiewende mit der Vielzahl ihrer volatilen Elemente trägt. Und gerade, weil wir heute noch nicht wissen, wie viel Gewicht diese Basis am Ende dann tatsächlich tragen muss, sollten wir auf ein tragfähiges Fundament achten. Zumal, wenn dieses Fundament im Gesamtblick eher vernachlässigbare Kosten hat.

Netzausbau: im Gesamtblick preiswert

Der Beirat der Bundesnetzagentur rechnet mit 100 Mrd. € notwendigen Netzinvestitionen bis 2045. Das ist gerade einmal die Hälfte von dem, was wir bisher an Vergütung an EEG-Anlagenbetreiber gezahlt haben, was ja nur ein erster Schritt im Energiewendeprojekt war bzw. ist. Würden wir diese 100 Mrd. € jetzt, in einem Schlag in das Netz investieren, würde das deutsche Netzentgelt grob gerechnet um nur 1,5 Cent pro kWh steigen. Das ist vergleichsweise preiswert wenn man bedenkt, welche Bedeutung das Netz für den Erfolg der Energiewende und die Versorgungssicherheit der Zukunft hat.

Wir werden merken, dass die Energiewende besser – wenn nicht überhaupt nur – mit einer starken Infrastruktur funktioniert. Deshalb bin ich überzeugt, dass vor uns Jahrzehnte der Infrastruktur liegen. Die Energiewende findet im Netz statt.

Links

Über uns – Netze BW GmbH (netze-bw.de)
Aktuelle Netzausbau-Projekte – Netze BW GmbH (netze-bw.de)
Bundesnetzagentur – Presse – Bundesnetzagentur veröffentlicht Jahresbericht 2020
Bericht zum Zustand und Ausbau der Verteilernetze 2020 (bundesnetzagentur.de)
Netzausbau – Vorhaben
Über Dr. Christoph Müller (LinkedIn)

Live beim Debatten-Abend

Dr. Christoph Müller wird live beim Debatten-Abend am 20.10. das Thema rund um die Transformation zur klimaneutralen Infrastruktur vertiefen. Mehr dazu inklusive Anmeldelink auf der Veranstaltungsseite. 

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