IPCC beim COP26 – Welche Rolle spielt die Wissenschaft bei der Weltklimakonferenz?

Sara Grambs und Gabriela Carrasco Puga

Technische Universität München

Sara Grambs (Bachelorstudentin, Technische Universität München): Als Studentin der Politikwissenschaften an der Technischen Universität München interessiere ich mich nicht nur für die theoretischen Hintergründe des politischen Prozesses im Kampf gegen die Klimakrise. Stattdessen möchte durch meinen interdisziplinären Studiengang auch die naturwissenschaftlichen Lösungen kennenlernen. Diese wissenschaftlichen Aspekte müssen den relevanten Entscheidungsträger*innen eindrücklich vermittelt werden, um der Klimakrise effektiv entgegentreten zu können. Besonders dringlich finde ich es außerdem, bereits die Methoden der Ökosystem-basierten Klimawandelanpassung zu erforschen, hier erwähne ich stets das Stichwort „Nature-based Solutions“. Gabriela Carrasco Puga (Masterstudentin, Technische Universität München):Mein Name ist Gabriela Carrasco Puga. Ich habe ein Diplom in Biochemie und studiere derzeit einen Master in Sustainable Resource Management an der Technischen Universität München. Ich bin Teil des LABVA-Projekts, das im Jahr 2020 mit dem Beyond Plastic Award ausgezeichnet wurde. Ich interessiere mich für evidenzbasierte Politikgestaltung im Kontext von Landschafts- und Wassermanagement.

weiterlesen
12. November 2021

Seit Sonntag, den 31. Oktober 2021, blickt die Welt gespannt nach Glasgow, zur 26. UN-Klimakonferenz. Die „Conference of the Parties“ ringt um eine internationale Einigung über den Umgang mit dem Klimawandel. Neben Zehntausenden von Verhandlungsführenden, Regierungsvertretenden, Unternehmen und Bürger*innen werden auch führende Politiker*innen nach Schottland kommen, um zwölf Tage lang zu verhandeln. Aus Glasgow berichten Studierende der TU München auf unserem Blog von Ihren Eindrücken, Hoffnungen und Wünschen für die Konferenz. Heute ein Beitrag von Sara Grambs und Gabriela Carrasco Puga.

Dass die Wissenschaft eine allgegenwärtige Rolle beim COP26 spielt, sieht man in (fast) allen Ausstellungen, Pavillons und zugehörigen Nebenveranstaltungen. Universitäten, Forschungsinstitute und NGOs schicken ihre renommiertesten Forscher*innen, um den Besucher*innen der COP die Wissenschaft rund um den Klimawandel und seine Effekte zu erläutern. Trotz der hohen Anzahl verschiedener Expert*innen gab es keine Institution, die in diesen zwei Wochen mehr im Mittelpunkt der Verhandlungen stand als das sogenannte IPCC, das Intergovernmental Panel on Climate Change.

Was ist die Funktion des IPCC?

Im Kontext der Vereinten Nationen ist das IPCC für die Bewertung aller verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel zuständig und agiert dadurch als offizieller Weltklimarat. In diesem Gremium prüfen hochrangige Wissenschaftler*innen aus der ganzen Welt alle verfügbaren und aktuellen Informationen über die Triebkräfte des Klimawandels. Außerdem analysieren sie die aufkommenden Risiken durch die Effekte der globalen Erwärmung und die Möglichkeiten zur Abschwächung und Anpassung daran. Die Forscher*innen analysieren die Daten und veröffentlichen sie in regelmäßigen Berichten, die für die Entscheidungsfindung und die jährlichen Verhandlungen auf der Konferenz der Vertragsparteien des Klimawandels von zentraler Bedeutung sind. Diese Berichte durchlaufen einen strengen Überprüfungsprozess, an dem einerseits Expert*innen und andererseits auch die Mitgliedsregierungen beteiligt sind.

Im August dieses Jahres veröffentlichte der IPCC den ersten Teil des jüngsten Bewertungsberichts (AR6) mit dem Titel „Climate Change 2021: The Physical Science Basis“. Die darin enthaltenen Informationen über die drastische Situation fanden in den Medien großen Widerhall. Die Deutsche Welle betitelte ihre Reaktion auf den Report mit „Keine Zeit für halbe Sachen“ und ebenfalls die britische BBC entsandte den sogenannten „Code Red für die Menschheit“.

Doch was genau zeigt dieser naturwissenschaftliche Bericht, der die Alarmglocken sämtlicher Medienoutlets schrillen lässt?

„Unpacking Scientific Knowledge“ auf dem COP26

Auch wir appellieren an alle Weltregierungen und globalen Policy-Makers, der Wissenschaft zuzuhören und Politik nach Fakten zu gestalten.

Sara Grambs und Gabriela Carrasco Puga

Um das hochrangige und internationale Publikum im Dialog mit den Expert*innen zusammenführen zu können, wurde eine Sonderveranstaltung im Rahmen der COP26 durch das IPCC in Zusammenarbeit mit dem SBSTA (Subsidiary Body of Scientific and Technological Advice) veranlasst. Das Event „Unpacking the new scientific knowledge and key findings in the Working Group I contribution to the Sixth Assessment report: The Physical Science Basis“ hatte das Ziel, die wichtigsten Ergebnisse des Berichts für die interdisziplinären Teilnehmenden zu präsentieren und den Parteien die Möglichkeit zu geben, ihre Fragen zu stellen.

Natürlich waren auch wir dabei.

Entgegen allen Erwartungen begann in die Sitzung in einem überraschend leeren Raum. Ein Sicherheitsmitarbeiter kam auf uns zu und lud uns sogar dazu ein, an einem der Tische Platz zu nehmen, die normalerweise für wichtige Parteimitglieder, internationale Organisationen und große NGOs reserviert waren. Für eine Person mit Beobachterstatus sind diese Plätze in der Regel nicht vorbehalten, umso interessanter war es also, ganz nah am Geschehen dran zu sein.

Eröffnet wurde die Sitzung von Herrn Tosi Mpanu Mpanu, dem Vorsitzenden des SBSTA, der an die Parteien appellierte, sich bei der Entscheidungsfindung in den Verhandlungen an den wissenschaftlichen Fakten zu orientieren und innovative Lösungen zur Bewältigung des Klimawandels zu finden. Später folgte Dr. Hoesung Lee, Vorsitzender des IPCC, der in seiner Rede die Bedeutung des IPCC als interdisziplinäre Organisation hervorhob, die sich für die Vermittlung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel einsetzt, auch angesichts der Schwierigkeiten, die die derzeitige globale Pandemie mit sich bringt.

Daraufhin wurde in einem kurzen Einführungsvideo aufgezeigt, wie der Prozess der Berichtserstellung ablief. Des Weiteren wurde zudem ein online Web-Atlas vorgestellt, der einen interaktiven Zugang zu den Berichtsdaten ermöglicht. Im Anschluss wurden die vier verschiedenen Abschnitte des Reports präsentiert.

Zwischen den einzelnen Abschnitten konnten die Teilnehmenden ihre spezifischen Fragen stellen, die von einem Gremium der Autoren der zuständigen Arbeitsgruppe beantwortet wurden.

In dieser Debatte wurde nach den teilweise skeptischen Aussagen und Fragen der Parteien deutlich, dass Wissenschaft politisch ist und dass die Vermittlung objektiver Informationen mit politischer und strategischer Bedeutung für die Verhandlungen aufgeladen werden kann. Der IPCC arbeitet hart an der Erstellung dieser Kommunikationsmittel, aber es besteht eindeutig immer noch eine Kluft zwischen dem, was die Wissenschaftler als objektive wissenschaftliche Daten präsentieren, und dem, was die politischen Entscheidungsträger als Botschaften zum Mitnehmen verwenden.

Nach der Teilnahme an dieser Veranstaltung und nachdem die BBC-Leaks im Überprüfungsprozess des AR6 aufgetauchten, wird deutlich, dass die Kommunikation der Wissenschaft von politischen Interessen geprägt ist, insbesondere im Zusammenhang mit der Entscheidungsfindung. Über alle nationalen Interessen hinweg hat der IPCC jedoch eine klare Botschaft zu vermitteln: Handeln ist wichtig, und unsere Länder müssen Kompromisse bei der Reduzierung des Klimawandels eingehen und sich entsprechend verhalten. Unsere Aufgabe als Zivilgesellschaft sollte es sein, diese Informationen aufzugreifen, die Regierungen und den Wirtschaftssektor zur Rechenschaft zu ziehen und im Rahmen unserer Möglichkeiten die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse des IPCC daher so relevant, eindringlich und insbesondere so akut wie noch nie sind, ist unbestreitbar.

Auch wir appellieren an alle Weltregierungen und globalen Policy-Makers, der Wissenschaft zuzuhören und Politik nach Fakten zu gestalten.

Impressionen von der COP26

Über die Autorinnen

Sara Grambs

Bachelorstudentin, Technische Universität München

Als Studentin der Politikwissenschaften an der Technischen Universität München interessiere ich mich nicht nur für die theoretischen Hintergründe des politischen Prozesses im Kampf gegen die Klimakrise. Stattdessen möchte durch meinen interdisziplinären Studiengang auch die naturwissenschaftlichen Lösungen kennenlernen. Diese wissenschaftlichen Aspekte müssen den relevanten Entscheidungsträger*innen eindrücklich vermittelt werden, um der Klimakrise effektiv entgegentreten zu können. Besonders dringlich finde ich es außerdem, bereits die Methoden der Ökosystem-basierten Klimawandelanpassung zu erforschen, hier erwähne ich stets das Stichwort „Nature-based Solutions“.

Gabriela Carrasco Puga

Masterstudentin, Technische Universität München

Mein Name ist Gabriela Carrasco Puga. Ich habe ein Diplom in Biochemie und studiere derzeit einen Master in Sustainable Resource Management an der Technischen Universität München. Ich bin Teil des LABVA-Projekts, das im Jahr 2020 mit dem Beyond Plastic Award ausgezeichnet wurde. Ich interessiere mich für evidenzbasierte Politikgestaltung im Kontext von Landschafts- und Wassermanagement.

Diskutieren Sie mit

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

IPCC beim COP26 – Welche Rolle spielt die Wissenschaft bei der Weltklimakonferenz?
5
3