Industrielle Energieeffizienz in Schwellenländern – Dekarbonisierung mit Mehrwert

Gastautor Portrait

Martin Haagen

Mitgründer und Geschäftsführer, eeaser GmbH

Martin Haagen beschäftigt sich seit mehr als 12 Jahren mit industriellen Energieverbrauch in Schwellenländern. Er arbeitete 2.5 Jahre für SEKEM, einer nachhaltigen Entwicklungsinitiative und Unternehmensgruppe in Ägypten und seit 10 Jahren für die Industrial Solar GmbH, einem Lösungsanbieter für solare Prozesswärme. Seit 2021 ist er außerdem Mitgründer und Geschäftsführer der eeaser GmbH welche durch digitale Dienstleistungen Wissen und Informationen zur Verfügung stellt und dadurch die industrielle Energieeffizienz in Schwellenländern beschleunigt.

weiterlesen
11. Januar 2022
Foto: SvedOlive/Shutterstock.com

Kontext

Die Industrie ist für rund ¼ der weltweiten CO2 Emissionen verantwortlich und somit von zentraler Bedeutung für den Klimaschutz. Laut der Internationalen Energieagentur ist die Industrie jedoch noch nicht auf einem hinreichenden Dekarbonisierungspfad. Zugleich bietet die Industrie jedoch auch ein großes Potential an schnellen Emissionsminderungen da die dafür benötigten Technologien bereits zur Verfügung stehen und zu einem sehr großen Teil bereits heute wirtschaftlich sind – man spricht hier von negativen CO2 Vermeidungskosten. Entsprechend des Titels sollen in diesem Beitrag explizit die Rolle von Schwellenländern adressiert werden.

Regionale Unterschiede

Knapp 3/4 der weltweiten industriellen CO2 Emissionen fallen in den „Nicht-OECD Ländern“ an. Zugleich ist die Energieeffizienz in diesen Ländern viel geringer – es wird ein Vielfaches an Energie für den gleichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt verwendet. Selbstverständlich gibt es große Unterschiede zwischen dem industriellen Energieverbrauch und der Effizienz in den einzelnen Ländern. Ebenso ist die industrielle Produktion nicht gleichmäßig verteilt, insbesondere ist in den letzten beiden Jahrzehnten viel Schwerindustrie in die Nicht-OECD Länder abgewandert. Dennoch lässt sich festhalten, dass der absolut größte Teil der industriellen Emissionen in Nicht-OECD Ländern liegt und diese aufgrund niedrigerer Energieeffizienz auch ein höheres relatives Einsparpotential bieten.

Herausforderungen

Wie bereits oben erwähnt werden selbst wirtschaftliche Maßnahmen nur ungenügend realisiert. Im Kontext der aktuellen Diskussionen um Wasserstoff und umfassende Elektrisierung kann dieser Aspekt nicht zu sehr betont werden – es besteht bereits heute ein großes Potential an industriellen Energieeffizienzsteigerungen welche technisch ausgereift und wirtschaftlich sind. Dies bedeutet keineswegs, dass die Anstrengungen für neue Produktionsweisen oder die Nutzung künstlicher Brennstoffe geschmälert werden sollten, sondern dass hier eine Opportunität für schnelle Erfolge besteht. In Anbetracht der wiederholt betonten Tatsache, dass Effizienzmaßnahmen wirtschaftlich tragfähig sind, ist es von Interesse warum diese dann nicht / nur ungenügend umgesetzt werden. Die zentralen Hindernisse können in vier Kategorien unterteilt werden:

  • Politik – Fehlende Ziele, falsche Anreize durch Steuern, Subventionen, Zölle
  • Finanzierung – ungenügender Zugang zu passenden Finanzierungsformen für die Industrie
  • Technologie – Effiziente Technologien und / oder Produktionsweisen
  • Wissen – Zugang zu theoretischem und praktischem Wissen sowie kulturelle Aspekte

Zur Entwicklung von konkreten Maßnahmen ist eine genauere Untersuchung der Kategorien in einem spezifischen Kontext nötig. Zu betonen ist jedoch, dass der Zugang zu Wissen besonders relevant ist da ohne ihn auch Maßnahmen der anderen Kategorien an Wirkung verlieren. Die Fortschritte bei der Digitalisierung im letzten Jahrzehnt bieten hier eine große Chance.

Nachhaltige Entwicklung

Die Dekarbonisierung der Industrie in Nicht-OECD Ländern erlaubt nicht nur schnelle und günstige Emissionsminderungen, sondern trägt darüber hinaus auch zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen („Sustainable Development Goals“) bei. Hierbei sind zwei Aspekte besonders zu betonen.

  • Arbeitsplätze – Energieeffizienzsteigerungen schaffen direkte (Umsetzung der Maßnahmen) und indirekte (niedrigere Produktionskosten) Arbeitsplätze. Sie tragen dadurch zur sozioökonomischen Entwicklung bei und mindern somit auch durch Armut motivierte Migration. Laut Schätzungen entstehen knapp 10 Arbeitsplätze pro investierte Millionen US$, der fünfthöchste Wert von 16 verglichenen Maßnahmen.
  • Gesundheit – Eine Steigerung der industriellen Energieeffizienz hat starke Synergien mit der Reduktion industrieller Umweltbelastungen, z.B. der Emission von Feinstaub und Schwefeldioxid.

Zusammenfassung

Zur Erreichung der Ziele des Paris Agreements ist eine umfassende Dekarbonisierung sämtlicher Sektoren notwendig. Die Industrie bietet hierbei eine besondere Chance da sie zum einen für rund ¼ der weltweiten CO2 Emissionen verantwortlich ist und zum anderen ein großes Potential an emissionsmindernden Maßnahmen bietet, die bereits heute technisch und wirtschaftlich machbar sind. Dies gilt insbesondere für Nicht-OECD Ländern, in denen der Verbrauch höher und die Effizienz niedriger ist. Gleichzeit trägt die Steigerung der industriellen Energieeffizienz in diesen Ländern auch zu einer nachhaltigen Entwicklung bei – ein weiterer Grund das Klimaschutz auch global gedacht werden muss.

Diskutieren Sie mit

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

Industrielle Energieeffizienz in Schwellenländern – Dekarbonisierung mit Mehrwert
0
0