H2ORIZON – Mit Windstrom ins Weltall

Gastautor Portrait

Claus Flore

Leiter Unternehmensentwicklung und technische Dienstleistungen, ZEAG Energie AG

Claus Flore ist Leiter für Unternehmensentwicklung und technische Dienstleistungen bei der ZEAG Energie AG Heilbronn, sowie Geschäftsführer der Gasversorgung Unterland GmbH. Er bekleidete verschiedene Führungspositionen in der Schweiz und in Deutschland. Claus Flores absolvierte sein Studium in BWL in Pforzheim und Leeds / GB.

weiterlesen
31. Oktober 2018
Mädchen in Kornfeld mit Windpark und startender Rakete im Hintergrund
Quelle: ZEAG Energie AG
Schaubild des H2ORIZON Verfahrens
Bei dem Projekt H2ORIZON wird mit einer Wasserstoff-Produktion von 20 bis 40 Tonnen jährlich gerechnet. Dieses Volumen fließt dabei in unterschiedliche Anwendungsbereiche und durchläuft mehrere Prozesse.

Quelle: www.h2orizon.de

Aufgrund der vielfältigen Einsatz- und Speichermöglichkeiten von Wasserstoff investiert die ZEAG Energie AG zusammen mit dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum DLR in eine spannende, zukunftsweisende Forschungsplattform mit vielversprechendem Nutzen für die gesamte Energiewende – H2ORIZON.

In Lampoldshausen bei Heilbronn entsteht zurzeit ein Stück Energiezukunft. Zwei Partner investieren hier in ein ungewöhnliches Power-to-Gas-Projekt, von dem beide profitieren können. Zum einen: die ZEAG Energie AG mit Sitz in Heilbronn. Sie ist Betreiberin des im Jahr 2015 eingeweihten und mittlerweile größten Windparks in Baden-Württemberg, dem „Harthäuser Wald“, mit 18 Windkraftanlagen und einer Gesamtleistung von 54 MW.

Zum anderen: das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) in Lampoldshausen. Auf dem Gelände des DLR werden verschiedene Raketentriebwerke unter unterschiedlichsten Bedingungen getestet. Als Treibstoff für diese Tests wird Wasserstoff in flüssiger und gasförmiger Form benötigt, für dessen Anwendung das DLR über eine einzigartige Wasserstoff-Infrastruktur verfügt. Das Forschungszentrum zählt damit zu den größten Wasserstoffnutzern in Europa.

Um Synergien zwischen der Wasserstoff-Infrastruktur, des Wasserstoff-Bedarfes und dem Windpark zu schaffen, wurde im Jahr 2013 die Forschungsplattform H2ORIZON aus der Taufe gehoben. Zentrale Kerne des Projektes sind die regenerative Wasserstofferzeugung aus Windenergie und die Wasserstoff-Bereitstellung für die Elektromobilität. Das Projekt verknüpft in völlig neuer Weise die Bereiche Wärme, Strom, Mobilität, Forschung und Industrie in einer einzigen Plattform und steht damit für Sektorkopplung in innovativster Form. Im Projekt H2ORIZON trifft das Know-how der ZEAG über Stromerzeugung aus Windkraft auf die langjährige Erfahrung des DLR mit Wasserstoff. Dieses Wissen über den Umgang mit Wasserstoff soll im Rahmen von H2ORIZON nun auch auf andere Bereiche übertragen werden.

Aus Strom wird Wasserstoff – dank Elektrolyse

H2ORIZON Gebäude

Quelle: ZEAG Energie AG

Die weltweite Wasserstofferzeugung ist nach wie vor von fossilen Rohstoffen geprägt. Dabei dominiert Erdgas mit einem Anteil von 48 %*, gefolgt von Erdöl (30 %)* und Kohle (18 %)*. Bei der Wasserstoffproduktion wird derzeit hauptsächlich auf das sogenannte „Reformierungsverfahren“ zurückgegriffen. Hierbei wird der fossile Rohstoff unter ständiger Energiezufuhr und bei Anwesenheit eines Katalysators zu Wasserstoff umgewandelt. Gerade im Kontext der Energiewende stellt dies jedoch einen entscheidenden Nachteil dar, denn es fallen giftige, umweltschädliche Nebenprodukte wie Kohlenmonoxid, Stickoxide und Schwefeldioxid an. Zudem wird dieselbe Menge CO2 freigesetzt wie bei einer direkten Verbrennung des Rohstoffs. Deshalb muss das Produktgas nach dem Reformer anhand von Wassergas-Shift-Reaktion und Druckwechseladsorption aufwendig gereinigt werden.

Ein anderes Verfahren zur Produktion von Wasserstoff ist die Wasserelektrolyse. Das Prinzip ist einfach und schon seit längerer Zeit bekannt. Mit Hilfe von Strom wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff getrennt. Dieses Produktionsverfahren deckt derzeit aber nur rund 4%* des weltweiten Wasserstoffbedarfes, bietet jedoch einen ganz entscheidenden Vorteil gegenüber den herkömmlichen Methoden aus fossilen Rohstoffen: Sobald regenerativ erzeugter Strom für die Elektrolyse eingesetzt wird, lässt sich absolut klimaneutraler Wasserstoff erzeugen. Die direkte Nähe des DLR zum Windpark Harthäuser Wald und die damit verbundenen kurzen Wege zu grünem Strom sind eine ideale Basis für dieses Ziel.

*Quelle: Gandía, L. M.; Arzamendi, G.; Diéguez P. M. (2013): Renewable Hydrogen Technologies – Production, purification, storage, application and safety

Die Technologie der H2ORIZON-Elektrolyse

Grafik zur Technologie der H2ORIZON-Elektrolyse
Abbildung einer Elektrolysezelle, mit der die sog. Polymer-Elektrolyt-Membran (PEM)- Elektrolyse durchgeführt wird

Quelle: ZEAG Energie AG

Eine relativ junge, aber vielversprechende Technologie ist die Polymer-Elektrolyt-Membran (PEM)- Elektrolyse. Wird zwischen den Polen einer Elektrolysezelle eine semipermeable Membran eines speziellen Polymers eingesetzt, kann auf die Kali-Lauge verzichtet werden, die bei anderen Verfahren notwendig ist. Dadurch gestaltet sich der Systemaufbau wesentlich einfacher. Allerdings müssen aufgrund der korrosiven Verhältnisse im Inneren der Zelle teure widerstandsfähige Materialien verbaut werden, was diese Methode aktuell noch relativ teuer macht.

Daher wird die PEM-Elektrolyse bisher meist in kleinen Leistungsbereichen realisiert. Jedoch bietet sie – beispielsweise im Gegensatz zur alkalischen Elektrolyse – zwei entscheidende Vorteile für einen Einsatz im zukünftigen Energiemarkt: sie weist ein schnelles dynamisches Verhalten bei wechselnden Lastanforderungen auf, was sich gut mit der Erneuerbaren Energieerzeugung koppeln lässt. Und aufgrund der kompakteren Bauweise kann sie höhere Stromdichten und somit einen höheren Wirkungsgrad erreichen. Diese Vorteile macht sich H2ORIZON zunutze.

Aufbau des H2ORIZON-Projektes

Im H2ORIZON-Projekt wird zur Wasserstoffproduktion ein PEM-Elektrolyseur mit einer Leistung von 880 kW eingesetzt, der vom nahegelegenen Windpark gespeist wird. Somit lassen sich bis zu 14,1 kg Wasserstoff pro Stunde erzeugen. Der erzeugte Wasserstoff wird auf 350 bar verdichtet und gespeichert. Durch Trailer-Fahrzeuge kann der Wasserstoff anschließend flexibel verteilt werden. Ein fester Abnehmer ist dabei das DLR. Die ZEAG liefert jährlich eine Menge von ca. 20 Tonnen für die Forschung auf den Raketen-Testständen. Die restliche Menge soll an Wasserstofftankstellen in der Region geliefert werden. Insgesamt rechnet man mit einer Jahresproduktion von bis zu 100 Tonnen.

Zusätzlich zum Wasserstoff wird das DLR von der ZEAG mit Wärme und Strom, produziert in zwei erdgasbetriebenen Blockheizkraftwerken, beliefert. Zu Forschungszwecken wird das Verhalten dieser BHKW bei Wasserstoff-Betrieb untersucht. Damit sollen Kenntnisse über die Wärmeproduktion mittels Wasserstoff-Beimischung gewonnen werden und ein weiterer Schritt in Richtung Sektorkopplung gegangen werden. Die ZEAG ist neben einem verstärkten Einsatz von Wasserstoff als Treibstoff und Wärmelieferant von einem zusätzlichen strategischen Ziel überzeugt: dem enormen Potenzial von Wasserstoff als leistungsfähigem Medium für hohe Energie-Speicherbedarfe.

Grafik zum Potenzial von Wasserstoff
Wasserstoff hat großes Potenzial als leistungsfähiges Medium für hohe Energie-Speicherbedarfe.

Quelle: ZEAG Energie AG

Der größte Hebel

Das gewählte Verfahren ist immer nur so gut wie der eingesetzte Strom. Das Ziel der ZEAG Energie AG ist es vor allem auch mit H2ORIZON zu zeigen, wie der Betrieb einer Elektrolyse-Anlage im Megawatt-Maßstab wirtschaftlich gestaltet werden kann.

Der Strompreis ist hierbei der entscheidende Hebel für die ökonomische Attraktivität eines Power-to-Gas-Systems, wie es im H2ORIZON-Projekt aufgesetzt ist. Der Strom, der die Elektrolyse speist, ist derzeit mit sämtlichen EEG-Umlagen und staatlichen Abgaben belastet. Durch diesen hohen Anteil an Abgaben ist im Sinne einer gelungenen Energiewende somit ganz klar auch der Staat gefragt.

Die klimaneutrale Herstellung eines wichtigen Energieträgers der Zukunft wird derzeit mit H2ORIZON Realität. Ein entscheidender Vorschub für Energieversorger, die sich mit Wasserelektrolyse für die Zukunft wappnen wollen, kann jetzt durch beherzte politische Entscheidungen geleistet werden.

Diskutieren Sie mit

  1. Prof. Dr. C. Eberhard Klein

    vor 5 Jahren

    Sehr geehrter Herr Lamprecht! Ich kann Ihre Argumentation leider nicht verstehen, vielleicht weil ich die Hintergründe nicht kenne. Können Sie mir da auf die Sprünge helfen? Denken Sie, die DLR ist sozusagen ein unnötiges Rad am Wagen? Denken Sie die ZEAG kann das Projekt alleine stemmen? Woher wissen Sie das? Und wenn ja, wäre e nicht ein gutes Projektmarketing, wenn das doch international renommierte DLR das Bekanntwerden dieser. Technologie durch Verwendung des so produzierten Wasserstoffs und auch noch mit seinem Namen medial fördert?
    Ich würde mich über eine Antwort freuen!
    Mit freundlichen Grüßen Prof. Dr. C. Eberhard Klein

  2. Karl-Ferdinand Lemprecht

    vor 5 Jahren

    Ich wurde noch nie von einem Forschungsinstitut so sehr enttäuscht wie vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Dass ein solche Einrichtung von meinen Steuergeldern lebt raubt mir wirklich den Schlaf. Die “Musteranlage“ für erneuerbare Energien in Lampoldshausen erscheint mir eher wie der sprichwörtliche Brei, der von zu vielen Köchen verdorben wird. Warum muss dieses großartige Projekt zwischen den Projektpartnern verzettelt werden, wenn die ZEAG doch bereits u. a. in Boxberg, Königheim und Neckarwestheim bewiesen hat, dass sie auch auf sich gestellt beeindruckende Arbeit leisten kann? Die Verantwortlichen beim DLR sollten vielleicht überlegen, wie sie sich am “würdevollsten“ aus dieser Affäre ziehen können, ohne ihr Gesicht endgültig zu verlieren. Insbesondere vom Project Managment des DLR beim Projekt H2HORIZON habe ich DEUTLICH mehr erwartet. Wirklich schade.

  3. Johann Bomb

    vor 5 Jahren

    Voll gut so mit dem Wasserstoff finde ich

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

H2ORIZON – Mit Windstrom ins Weltall
5
4