Mehr Gas für schnellen Klimaschutz im Heizungskeller!

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André Deichsel

Gastautor

André Deichsel vertritt die politischen Interessen der VNG AG mit Fokus auf die Bundesebene und die ostdeutschen Länder. Dabei konzentriert er sich auf die Weiterentwicklung der Gaswirtschaft mit einem Fokus auf erneuerbare Gase, die Akzeptanz der Energiewende in der Gesellschaft und die Strategien zur erfolgreichen Bewältigung des Strukturwandels in Ostdeutschland. Er hat Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Geschichte in Leipzig und Halle studiert. Nach verschiedenen Einsätzen bei politischen Institutionen und in einer Kommunikationsagentur ist er seit 2013 bei der VNG AG tätig. VNG ist ein europaweit aktiver Unternehmensverbund mit Sitz in Leipzig. VNG handelt, transportiert und speichert Gas. Mit ihrer Strategie VNG2030+ setzt VNG ihren Fokus auf erneuerbare Gase, den Ausbau der digitalen Infrastruktur und nachhaltige Quartierslösungen.

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05. Dezember 2019
Foto: © VNG AG / Dirk Brzoska

Ein Wechsel der Heiztechnologie weg von Gas wäre nur mit sehr hohen Investitionskosten umsetzbar

André Deichsel

„Gas ist sexy.“ Was Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in den zurückliegenden Monaten erkannt hat, steht für viele schon lange fest: Gas ist für die Dekarbonisierung unseres Energiesystems und insbesondere für das Gelingen der Wärmewende von entscheidender Bedeutung. Dies unterstreicht auch der Ergebnisbericht des Dialogprozess Gas 2030, in dem das BMWi gemeinsam mit den relevanten Stakeholdern aus der Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden die künftige Rolle des Energieträgers skizziert hat. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass „gasförmige Energieträger und die dafür notwendige Infrastruktur mitsamt dem Anlagenpark auch langfristig ein Bestandteil zur Wärmeversorgung in Deutschland bleiben werden.“ Zur Erreichung der klimapolitischen Ziele müsse perspektivisch auch eine „Umstellung auf CO2-freie bzw. -neutrale gasförmige Energieträger wie Biomethan, Wasserstoff und synthetische Kohlenwasserstoffe“ erfolgen.

Die Absichtserklärungen der Bundesregierung für Gas sind also gegeben. Doch ist das jetzt gleich ein Automatismus, dass der Energieträger im Wärmemarkt auch die Anerkennung findet, die er verdient?

Gas ist ein zentraler Dekarbonisierer des Gebäudesektors

Der Gebäudesektor konnte in den zurückliegenden drei Jahrzehnten bereits beträchtliche CO2-Einsparungen aufweisen. Insgesamt sank der Ausstoß von CO2-Äquivalenten seit 1990 von 210 Millionen Tonnen um 44 Prozent auf 117 Millionen Tonnen. Gas hat dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet.

Auch in den kommenden Jahren bleibt Gas für den Erfolg der Wärmewende zentral. Durch die kontinuierlich steigende Beimischung erneuerbarer und dekarbonisierter Gase ist es uns möglich, die Wärmewende rasch und erfolgreich zu gestalten. Dieser Dekarbonisierungspfad ist zudem sozialverträglich, da die Vergrünung des Energieträgers für die überwiegende Zahl der Haushalte in Deutschland die kosteneffizienteste Möglichkeit zur Reduktion des CO2-Ausstoßes darstellt. Ein Wechsel der Heiztechnologie weg von Gas wäre nur mit sehr hohen Investitionskosten umsetzbar.

Wichtige wärmepolitische Weichenstellungen im Jahr 2019 getroffen

Das im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030 verabschiedete Klimaschutzgesetz der Bundesregierung setzt erstmals verbindliche Sektorziele. Im Gebäudesektor werden weiterhin große Anstrengungen notwendig sein, um das im Klimaschutzgesetz festgeschriebene Ziel der CO2-Reduktion auf 70 Millionen Tonnen im Jahr 2030 zu erreichen.

Die Bundesregierung hat im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030 versucht, die für die Zielerreichung notwendigen Weichen zu stellen. Von den insgesamt 63 Maßnahmen des Programms richten sich zehn direkt an den Gebäudesektor. Mit der steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung, der Austauschprämie für Ölheizungen sowie dem Einbauverbot für Ölheizungen ab 2026 wurden wegweisende Instrumente zur Senkung des CO2-Ausstoßes im Gebäudesektor geschaffen. Auch die CO2-Bepreisung wird in den kommenden Jahren dazu beitragen, die Dekarbonisierung des Gebäudesektors voranzubringen.

Es gibt Nachholbedarf für effektiven Klimaschutz im Gebäudesektor

Es zeigt sich damit, dass auch im Bestandsbau die Chance zur Schaffung eines Level Playing Fields zu Lasten erneuerbarer und dekarbonisierter Gase vertan wird

André Deichsel

Im Rahmen der Maßnahmendefinition im Klimaschutzprogramm und Gebäudeenergiegesetz (GEG) hat es der Gesetzgeber bisher jedoch verpasst, die für eine zügige und sozialverträgliche Wärmewende erforderliche Technologieoffenheit zu gewährleisten. Dies geht zu Lasten erneuerbarer und dekarbonisierter Gase, deren Einsatz weder im Bestand noch im Neubau ausreichend angereizt wird.

Die im GEG definierten Anforderungen zeigen dies für den Neubau auf: So kann Biomethan, das in einer KWK-Anlage eingesetzt wird, künftig zwar mit einem niedrigeren Primärenergiefaktor bewertet werden. Sofern der Einsatz jedoch im Brennwertkessel erfolgt, wird Biomethan primärenergetisch mit fossilem Erdgas und Heizöl gleichgesetzt. Ähnliches gilt für die Nutzungspflicht Erneuerbarer Energien: Der Einsatz von Biomethan kann nur dann als Erfüllungsoption dienen, sofern er in einer KWK-Anlage erfolgt. Gasbrennwertkessel werden somit auch hier deutlich benachteiligt.

Bedauerlicherweise ist die Bundesregierung auf den letzten Metern wieder auf die KWK-Anforderung des alten EEWärmeG zurückgefallen – im Entwurf des GEG vom 15. Oktober 2019 war die Anrechnung bzw. Besserstellung von im Brennwertkessel eingesetztem Biomethan grundsätzlich möglich.

Die mit dem Klimaschutzprogramm 2030 geschaffenen Anreize zum Austausch oder zur Modernisierung der Heizungsanlagen in Bestandsgebäuden lassen leider ebenso die notwendige Technologieoffenheit vermissen. Mit der im November 2019 beschlossenen Energetischen Sanierungsmaßnahmen-Verordnung (ESanMV) wurde festgelegt, dass die Anschaffung eines neuen Gaskessels nur dann steuerlich geltend gemacht werden kann, sofern diese Hybridanlagen oder „renewable ready“ sind, also durch den Einbau eines zusätzlichen regenerativen Wärmeerzeugers innerhalb von zwei Jahren hybridisiert werden.

Es zeigt sich damit, dass auch im Bestandsbau die Chance zur Schaffung eines Level Playing Fields zu Lasten erneuerbarer und dekarbonisierter Gase vertan wird. Es ist wenig verständlich, warum moderne und hocheffiziente Gasbrennwertkessel selbst dann nicht als förderwürdig gelten können, wenn sie zu 100% erneuerbare und dekarbonisierte Gase einbinden. Fördermöglichkeiten auf Landesebene sind hier weit technologieoffener. Beispielsweise fördert das Land Berlin die Anschaffung eines Gasbrennwertkessels im Zusammenhang mit dem Tausch eines alten Öl- oder Kohlekessels mit 1.000 Euro im Rahmen des Förderprogramms „HeiztauschPLUS“.

Worauf es jetzt ankommt

Damit Gas sein Potenzial für den Erfolg der Wärmewende voll entfalten kann, sind zentrale Nachbesserungen bei den in die Wege geleiteten Maßnahmen zu treffen.

  1. In erster Linie sollte dafür Sorge getragen werden, dass dem Nutzer eine breite Auswahl an Technologien zur Verfügung steht, um verschiedenen Nutzungsprofilen Rechnung zu tragen. Eine solche Technologieoffenheit verhindert Kostenineffizienzen.
  2. Das GEG sollte zugunsten von erneuerbaren und dekarbonisierten Gasen angepasst werden. Der Primärenergiefaktor für Biomethan sollte in Analogie zu einer im Auftrag des BMWi erstellten Untersuchung auf 0,3 gesenkt werden – sowohl beim Einsatz in einer KWK-Anlage als auch beim Einsatz im Brennwertkessel. Biomethan sollte zudem auch bei Verwendung im Brennwertkessel als Erfüllungsoption für die anteilige Deckung des Anteils Erneuerbarer Energien genutzt werden können.
  3. Die im kommenden Jahr anstehende Umsetzung der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) sollte so ausgestaltet sein, dass die Austauschprämie auch für moderne Gasbrennwertkessel gewährt wird, die nachweisbar und dauerhaft erneuerbare und dekarbonisierte Gase einbinden. Ein Beispiel, dass und wie dies gelingen kann, ist das EWärmeG in Baden-Württemberg, das den anteiligen Einsatz von Biomethan beim Kesseltausch zulässt.

Allianzen aus der Energiewirtschaft betonen die Bedeutung der skizzierten Nachbesserungen bereits laut und deutlich: So hat sich im November eine Initiative aus 20 Energieunternehmen gegründet, die in einem Positionspapier Anpassungen am GEG für Biomethan fordert. Mit der sogenannten Gaskoalition gibt es einen weiteren branchenübergreifenden Zusammenschluss von 14 Unternehmen, der sich für die Nutzung erneuerbarer und dekarbonisierter Gase im Wärmemarkt einsetzt und die hierfür notwendigen Änderungen in der Gesetzgebung fordert. Nicht zuletzt engagieren sich Verbände wie der BDEW, Zukunft Erdgas, der DVGW, der Fachverband Biogas oder der Biogasrat mit Nachdruck für bessere Rahmenbedingungen für Biomethan und weitere erneuerbare und dekarbonisierte Gase.

Es bleibt zu hoffen, dass die Politik diesem Commitment der Wirtschaft im Rahmen der anstehenden Gesetzgebungsprozesse im Sinne des Klimaschutzes Rechnung trägt. Im Grunde ist das dafür notwendige Strategiepapier mit dem Ergebnisbericht des Gasdialogs 2030 im BMWi bereits geschrieben. Jetzt gilt es, dieses Papier mit einer klaren Roadmap schnellstmöglich abzuarbeiten. Dann steht dem Einsatz von erneuerbaren und dekarbonsierten Gasen im Heizungskeller nichts mehr im Wege.

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