Energiewende ist eigentlich ganz einfach. Dort, wo es weder an den nötigen Finanzen noch an Platz mangelt, können wir uns mit der angemessenen Leichtigkeit dem Thema zuwenden. Denken wir nur Beispiele wie das Bioenergiedorf in Jühnde. Dort und andernorts wurde eine schöne neue, fast CO2 freie Welt gebaut auf der Basis von erneuerbaren Ressourcen, die vor Ort im Überangebot vorhanden sind. Dank reichlich fließender Fördermittel spielte Geld nur eine Nebenrolle. Die Herausforderung für die Energiewende liegt in den Städten. Hier gibt es weder ausreichend Platz für Solaranlagen noch für Windkraftanlagen und schon gar nicht für nachwachsende Rohstoffe. Und Wohnen ist in der Stadt ohnehin schon viel zu teuer. Die Energiewende als Preistreiber können wir in den urbanen Räumen nicht gebrauchen. Was tun? Wie bringen wir die Energiewende sozial in die Stadt?
Dekarbonisierung ist machbar – sagt Vattenfall
Wie es gehen könnte, will ausgerechnet der Konzern Vattenfall in Berlin zeigen. 2 Milliarden € nehmen die Schweden in die Hand, um die Bundeshauptstadt energetisch fit zu machen für die Zukunft. Bis 2020 sollen die CO2-Emissionen gegenüber 1990 um mehr als 50 Prozent sinken. Und auch die vollständige Dekarbonisierung ist machbar. Das sagt der Europa-Chef des Energiekonzerns Vattenfall, Tuomo Hatakka, im Interview mit der Morgenpost. Vattenfall setzt dabei auf Power-to-Heat, angetrieben durch den Überschuss aus Anlagen der erneuerbaren Energien. Genutzt werden soll auch die Abwärme aus Industrieanlagen.
Kernstück der Investitionen ist aber die Pflege und die Modernisierung des Bestandes. Dabei setzt Vattenfall auf die gut ausgebaute Infrastruktur bei der Fernwärme und die Digitalisierung des vorhandenen Stromnetzes. Die Energiewende sozial gestalten vermag nur der, der das Vorhandene nutzt. Auch in einer Zeit, die von disruptiven Prozessen geprägt wird, muss die Bewahrung des Bewährten geprüft werden. Ökonomisch wie ökologisch wäre es eine ausgemachte Dummheit, die vorhandene Infrastruktur nicht weiter zu nutzen.
Die Energiewende sozial gestalten durch Nutzung der vorhandenen Infrastruktur
In Berlin wird der Kohleausstieg sehr bald Realität. Schon 2020 geht die Kohle in Berlin vom Netz. Ersetzt werden die alten Kraftwerke durch moderne GuD- Anlagen auf der Basis von Erdgas. Das ist bezahlbar und verschafft den Feinstaub geplagten Berlinern schnell bessere Luft. Aber allein wird die intelligente Weiterverwendung von Strom-, Gas- und Fernwärmenetzen sowie von Gasspeichern nicht ausreichen, die Energiewende sozial ausgewogen in die Städte zu bekommen. Das wird unter anderem durch die enorm hohen Bodenpreise verhindert. So kostet beispielsweise die Errichtung einer modernen Stromladesäule im urbanen Raum ein mehrfaches dessen, was auf dem Land zu zahlen ist. Deshalb kann sparsame Verwendung des Bestandes nur ein Aspekt einer solchen Strategie sein. Nötig ist ein Ausgleich zwischen den Gewinnern und den Verlierern. Und die gibt es schon jetzt in hoher Zahl.
Malte Kreutzfeldt von der TAZ wies dieser Tage erneut darauf hin, dass Arme bei uns häufig im Dunkeln sitzen. In 331.000 Fällen wurden im Jahr 2015 Stromsperren in Deutschland durchgesetzt. Da meist Familien betroffen sind, erschreckt schon diese Zahl. Aber angedroht wurden Stromsperren in 2015 über 6,3 Millionen mal. Energiearmut ist ein Problem in Deutschland. Günstige Preise für Öl und Gas haben diese Herausforderung in den Hintergrund treten lassen. Und die Politik täte gut daran, das Problem nicht aus den Augen zu verlieren. Auch ganz ohne Energiewende ist der Mietpreisanstieg in den urbanen Zentren ein Riesenproblem. Da kann man nicht noch die Energiewende obendrauf packen. Wer Klimaschutz zur sozialen Frage macht, wird nichts erreichen. Weder soziale Gerechtigkeit noch sinkende CO2-Emissionen.
Eine neue Ökosteuer?
Der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel brachte die Ökosteuer wieder ins Spiel. Steuern auf den Verbrauch der Ressourcen machen einen immer geringeren Teil beim Steueraufkommen aus. Und das bei wachsenden umweltpolitischen Herausforderungen. Der Sozialdemokrat weist im Interview mit den Klimarettern darauf hin, dass es eine Ökosteuer mit einer stärkeren Komponente der Umverteilung brauche. Wer die Energiewende sozial gestalten wolle, müsse den unteren Einkommensschichten den Zugang zu modernen, energieeffizienten Geräten und sparsamen Autos ermöglichen. Der Gedanke, eine CO2-Steuer sozial auszugestalten, finde weltweit Anhänger. Eine Ökosteuer sei nötig, um der Menschheit das Überleben auf unserem Planeten zu ermöglichen.
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