Elektro-Roller: China fährt allen davon

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Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
17. Juni 2020

Die Maßnahme war radikal. 2015 verbot die chinesische Regierung die Nutzung von Motorrädern mit Verbrennungsmotor in allen Stadtzentren des Landes. Tatsächlich hatten die zahlreichen Klein- und Kleinstmotorräder, die meisten davon mit 2-Takt-Motor und entsprechend hohen Abgasen unterwegs, einen erheblichen Anteil an der schlechten Luft in den chinesischen Metropolen. Und der Nebeneffekt stellt sich schnell ein: Seither boomt der Markt für Elektro-Roller. Und die chinesischen Hersteller schicken sich derzeit an, auch den Rest der Welt mit Fahrzeugen made in China zu versorgen.

 

E-Roller als Antwort auf die Herausforderung bei der Luftqualität

Viele Großstädte waren skeptisch in Bezug auf die E-Roller. Es gab Bedenken hinsichtlich der Verkehrssicherheit.

Seit 2008 setzt die chinesische Regierung konsequent auf Elektromobilität und fördert den Absatz von Pkws mit Prämien von bis 10.000 Euro für einen SUV. Zur chinesischen Strategie, von den fossilen Verbrennern auf Elektromobilität umzustellen, gehört auch der öffentliche Nahverkehr und das Transportwesen. Den Zweiradmarkt mit seinen millionenfachen Bedarf hatte die Regierung industriepolitisch nicht im Fokus. Viele Großstädte waren skeptisch in Bezug auf die E-Roller. Es gab Bedenken hinsichtlich der Verkehrssicherheit. Bei der Zulassung wurden strenge Vorschriften für Elektroroller und Motorräder erlassen.

Trotz dieser Einschränkungen und fehlender Ladetechnik im öffentlichen Raum war der Siegeszug der Elektro-Roller nicht aufzuhalten. Angetrieben wurde die Marktentwicklung hier vor allem durch die Erfordernisse bei der Luftreinhaltung und dadurch, dass sowohl die Technologie als auch die Produktionskapazitäten im Land vorhanden waren: China ist globaler Marktführer auf dem Batteriemarkt.

 

Hoher Wettbewerb auf dem Markt für Elektro-Roller in China

Auf dem Markt für Elektro-Roller tummeln sich zahlreiche Akteure. Häufig dominieren regionale Hersteller, die sich einen harten Preiskampf liefern. Einfache Modelle sind für umgerechnet wenige hundert Euro zu haben.

Ausschlaggebend für das enorme Wachstum ist auch der (außerhalb der Corona-Krise) anhaltende Zuzug aus dem Land in die großen Städte. 2011 wohnten erstmals ungefähr genauso viel Menschen in den Städten Chinas wie auf dem Land. Bis 2030, so die Prognose erwartet, wird der Anteil der Verstädterungsrate auf 65% bis 70% steigen. Der Platz in den Städten wird enger. Das Profil der Fahrten ändert sich, sie werden kürzer und häufiger. Elektroroller können diesem Trend optimal bedienen.

 

Elektrische Dominanz: Erst die Roller dann die Autos

Jahr für Jahr kommen in China 36 Millionen neue Roller auf den Markt. 80 Prozent davon werden elektrisch angetrieben. Zeigt der Rollermarkt an, wohin die Entwicklung im gesamten Verkehrssektor geht?

Und wie häufig laufen die Entwicklungen in China mit größerer Geschwindigkeit als im Rest der Welt. Das Unternehmen Niu Techologies hat sich auf stylische Elektro-Roller spezialisiert wurde erst vor sechs Jahren gegründet. In China verfügt Niu über mehr als eintausend Vertriebshändler in 181 Städten. Seit drei Jahren läuft der globale Roll-out: Bereits in 38 Ländern mischt Niu die Märkte auf. Geplanter Absatz in 2020 sind mehr als eine Millionen Elektro-Roller. Der zu verteilende Kuchen ist groß. Allein der chinesische Markt wird auf eine Größe von ca. 10. Mrd. US-$ geschätzt.

 

Furcht vor dem massenhaften Umstieg auf den Elektro-Roller

Das Preis-Leistungsverhältnis bei den Rollern made in China bereitet den Mitbewerbern Kopfzerbrechen.

Elektro-Roller, englisch E-Scooter, sind die Nachfolger der Motorroller vom Typ Vespa, Schwalbe und Co. Für die Nutzung reicht der Autoführerschein aus. In Europa ist die kleinste Roller-Klasse auf die Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h beschränkt. Das ist zu langsam für die Stadt und erst recht für die Fahrt Überland. Wer mit 60 km/h auf dem E-Roller unterwegs sein will, muss einen Motorradführerschein machen. Das sei ein entscheidendes Entwicklungshemmnis für den Markt, sagt Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands Elektromobilität (BEM). Und gemeinsam würden Auto-Industrie und Bundesverkehrsministerium eifrig darüber wachen, dass sich an dieser Regelung nichts ändere. Eine Alternative zum Auto auf den Kurzstrecken bis 30 km/h sei nicht gern gesehen.

Das Preis-Leistungsverhältnis bei den Rollern made in China bereitet den Mitbewerbern Kopfzerbrechen. Sie geben nicht nur technisch den Takt an, sondern liegen auch beim Anschaffungspreis häufig unter denen der Konkurrenz. Der Automobil-Experte und Direktor vom Center for Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffer, hat dafür eine Erklärung. „Die Chinesen sind uns in diesem Punkt locker zehn Jahre voraus“, sagt er. „Wie viel attraktiver könnten wir unsere Städte machen, wenn elektrische Roller hier eingeführt werden würden. Allein der Lärmpegel könnte um ein Vielfaches reduziert werden.“

 

Diskutieren Sie mit

  1. Marcus Thompson

    vor 11 Monaten

    Danke für diesen Artikel. Sehr aufschlussreich und sachlich. DS sollte oftmals geteilt werden. LG MT

  2. Manfred P

    vor 2 Jahren

    Die 45 km/h sind keine EU-Norm. In Italien kann jeder mit Autoführerschein und 18 Jahren einen Roller mit 125 ccm oder einen e-Scooter mit 11 kW fahren. Damit sind 90 km/h locker machbar. Schade dass die deutsche Autolobby die grüne Wende schadlos sabotieren darf.

  3. Dirk Baasner

    vor 2 Jahren

    Die Chinesen machen uns vor, wie eine Verkehrswende funktionieren kann. Die grössten Erfindungen der Menschheit beruhen auf deren Wunsch nach Bequemlichkeit. Das Auto setzt dem die Krone auf. Es gibt keinen anderen Verbrauchsgegenstand, für den die Menschen bereit sind soviel Geld auszugeben. Vor diesem Hintergrund, versucht man seit vielen Jahren der Bevölkerung das Fahrrad schmackhaft zu machen. Der Drahtesel ist ein anerkanntes Sport und Freizeitgerät, es wird aber niemals einen ernsthaften Beitrag zur Co Reduzierung oder zur Innenstadtentlastung leisten. Die Mehrheit der Menschen benutzt ebend das Auto um bequem von A nach B zu kommen. China ist doch das beste Beispiel für das scheitern des Fahrades. Es war mal das Radfahrland schlecht hin. Wer kennt nicht die Fotos der 70er Jahre, als dort die Strassen der Städte fest in der Hand von Drahteseln waren. Wo sind die alle geblieben nachdem es auch in diesem Land keine Schande mehr ist wohlhabend zu seien?
    Und da glauben hier Politik und Verwaltung ernsthaft, uns zu einer Art retro Chinesen umerziehen zu können?
    Dank moderner Technik gibt es nun mit den eScootern und eRoller neue Fahrzeugklassen, die die Menschen dort abholen wo sie verharren wollen und darüber hinaus sind sie die Lösung für viele Infrastruckturprobleme. Neben einem kleinen Verbrennerauto fahre ich seit Anfang 2021 selbst einen eScooter Ninebot G30D im Radius von 15km und einen 45 km/h eRoller für einen Aktionsradius von 40 km. Ich bin ingesamt 4000 km gefahren und weiss also wovon ich rede.
    Das Auto steht nun meist in der Garage und bei gelegentlichen "Fernfahrten" liegt der Scooter im Kofferraum,da er einfach zusammengeklapt werden kann und kein umständlicher Fahradträger erforderlich ist.
    Der Scooter verbraucht etwa 1,2 KW, der Roller etwa 2,8 KW auf 100 km. Der Scooter steht in der Wohnung, beim Roller sind die 2 Akkus zum rausnehmen. Die Ladung erfolgt mit grünem Strom an einer einzigen Haushaltssteckdose. Das ist möglich, da alle 3 angeschlossenen Ladegeräte zusammen gerade mal 700 Watt grünen Strom aus dem Netz ziehen und jeder normale Stromkreis max 230V x 16A = 3680 Watt verträgt. Wenn überhaupt, benötige ich also neue Infrastruktur nur im Bereich der Stromerzeugung und Fernleitungen als Teil eines grösseren Ganzen.Die Nahversorgung sollte also so bleiben können.
    Anders bei dem Luftschloss "eAuto". Studien zufolge werden wir in den nächsten 30 Jahren soviel Kupfer verhütten müssen wie die Menscheit seit Anbeginn ihrer Existens bisher verbraucht hat. Ein Grossteil dafür, um das Laden mit Hochstrom zuhause und an jeder Strassenecke zu ermöglichen. Die eSUVs bekannter Hersteller saugen beim Ladevorgang bis zu 270 KWh aus dem Netz. Das entspricht dem Verbrauch von ca. 200 modernen Waschmaschinen.
    Zum Resourcenverbrauch. Mein Scooter wiegt 20 kg, der Roller fahr fertig mit 2 Akkus 100 kg. Ein eSUV der Premiumklasse wiegt ca. 2400 kg. D.h. für eines dieser Fahrzeuge kann ich 120 Menschen mit Scootern ausrüsten oder 24 Roller bauen.
    Zu den Resourcen überhaupt. Öl ist in vielen Ländern verfügbar. Wir hatten nur ein einziges mal diesbezüglich eine Rohstoffkrise. Ansonsten hat sich immer ein anderes Land gefunden, wenn ein Lieferant ausviel.
    Bei den Rohstoffen der Zukunft sieht das anders aus. Das schon erwähnte Kupfer findet sich nicht an jeder Ecke. Seltene Erden die für die Motoren gebraucht werden, kommen zu über 90% aus China. Die weltweiten Silizium vorkommen für die Batterien liegen zu 50% in Venuzela. Das ebend falls unverzichtbare Kobalt für die Batterien stammt zu 60% aus dem Kongo. Das sind alles Länder von denen ich so wenig wie möglich abhängig seien möchte. Je grösser unsere eFahrzeuge, desto grösser der Rohstoffbedarf und damit auch die Lieferabhängigkeit.
    Wir brauchen dringend Führsprecher in Politik und Stadtverwaltungen für diese neuen Fahrzeuge. Ich erlebe aber, das man der Bevölkerung im Einklang mit der Wirtschaft, immer noch erzählt, wir müssen nur den Verbrenner samt Tank aus den Autos schmeissen und gegen einen eMotor und Batterien ersetzen. Alles weitere wie bisher und die neuen eKleinfahrzeuge werden in manchen Städten regelrecht sabotiert. Da werden auf einmal Fuss-/Radwege, die seit jahrzehnten bestehen, über Nacht zu Fusswegen umgewidmet und mittels weissen Fahrrad frei Schild nur noch für solche frei gegeben. Die Scooter werden damit trotz ihrer 20km/h auf die Autofahrstreifen abgedrängt. Auch Bussspuren dürfen Scooter meist nicht benutzen. Hier sind sie ebendfalls mittels dieser weissen Zusatzschilder "nur für Fahrräder"von der Benutzung ausgeschlossen.
    Das ist lebensgefährlich und wenn etwas passiert erfüllt das eigentlich den Tatbestand einer Körperverletzung im Amt. China ist da wirklich weiter und wir stellen uns ein Armutzeugnis aus. Wenn man trotzdem über den Umweltverschmutzer China die Nase rümpft sollte man auch bedenkenken, dort muss für 1,6 Milliarden Menschen geplant und produziert werden. Die wissen noch nicht einmal genau ob sie 100 Millionen mehr oder weniger sind. Wir schaffen eine konsequente Energie und Verkehrswende noch nicht einmal für 80 Millionen Einwohner.

  4. Lauterbach

    vor 3 Jahren

    Bedenken sie bitte den Umweltaspekt / die Produktion und die Entsorgung wird zukünftig ein Problem!
    Die Kurzsichtigkeit der Politik, nicht nur in China, wird die neue Bedrohung unserer Umwelt!

  5. Heinz R. Ettel

    vor 4 Jahren

    Nicht nur bei den Elektrorollern, sondern auch bei den Pkw's. BYD und FAW mischen kräftig mit, Tesla auch im gehobenen Sektor. Tesla konnten die Verkaufszahlen für das S3-Modell im Vorjahresvergleich für das erste Quartal um über 22% steigern. Das Werk in Shanghai lohnt aich. Quelle: Shanghai Daily https://archive.shine.cn/business/auto/Tesla-cuts-prices-of-2-car-models/shdaily.shtml

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