War watt? Beschleunigung beim Klimaschutz geht

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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03. September 2015
Energiewende aktuell

Im Dezember dieses Jahres wird in Paris über die Zukunft der Erde, wie wir sie kennen, entschieden. Das klingt dramatisch, trifft aber den Nagel auf den Kopf. Bei der UN-Klimakonferenz COP21 und 21. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention verhandeln alle 194 Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention über einen Nachfolgevertrag des Kyoto-Abkommens. Obwohl sich die größten Treibhausgasemittenten der Erde, die USA und China, in der jüngsten Vergangenheit etwas bewegt haben, werden die Verhandlungen in Paris alles andere als ein Selbstläufer. Die innerdeutsche Debatte um die Ausgestaltung des Aktionsprogramms Klimaschutz, bei der sich die Lobby der Braunkohle auf der ganzen Linie durchsetzen konnte, hat eindrücklich bewiesen, welche geringe Bedeutung der Klimaschutz selbst in Deutschland bei den einflussreichen Akteuren dann hat, wenn es um Geld, Macht und Einfluss geht. Neue Studien zeigen jetzt: Es wäre für uns ein Leichtes, unseren Beitrag zur Rettung der Erde, wie wir sie kennen, zu leisten. Beschleunigung beim Klimaschutz geht und ist nicht teuer, wenn die Bremser vom Pedal fern gehalten werden.

Komplizierte Verhandlungen in Paris

Bleiben wir noch einen Moment auf der supranationalen Ebene der Klimaverhandlungen. Täglich gibt es neue Nachrichten aus Wissenschaft und Forschung über die Entwicklungen des Treibhauses Erde und die Folgen des Klimawandels: die Fischerei wird Milliardenverluste machenBeschleunigung beim Klimaschutz, Reimer_Schlusskonferenz_fb, Energiewende, die US-Küsten sind – wie andere auch – bedroht, die Stürme werden heftiger, in Alaska schmelzen die Dörfer und auch wir müssen uns auf dauerhafte Veränderungen einstellen. Der Klimawandel ist da und er bringt wenig Gutes. All diese Erkenntnisse haben aber den Umgang der Weltgemeinschaft mit dieser Herausforderung wenig beeinflusst. Klimaverhandlungen darf man sich vorstellen wie das Geschacher auf einem arabischen Basar – nur viel komplizierter, mit mehr professionellen Zockern, einem mitunter gering ausgeprägtem Willen, zu einem Abschluss zu kommen und das begleitet von Lobbyisten, die erst ihre eigene Rendite und vielleicht später mal die Erde retten wollen.

Wer wissen will, wie es zugeht auf dem Klimaschutzbasar, sollte das Buch von Nick Reimer, einer der Begründer der Klimaretter, lesen: Schlusskonferenz. Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie. Der Journalist, der sich schon unter den Bedingungen einer Diktatur in der DDR für den Umweltschutz engagierte, führt den Leser ruhig und so unterhaltsam, wie es die schwierige Materie zulässt, durch die Geschichte der Klimadiplomatie seit 1992. Er erläutert Fort- und Rückschritte, Vor- und Nachbereitungen, CDM und Joint ImplementationREDD und LULUCF aus professioneller Distanz. Nur wer Nick Reimer kennt, kann erahnen, wie sauer er ist und er innerlich tobt, dass es bisher keine Beschleunigung beim Klimaschutz gab, sondern nach über 20 Verhandlungsjahren eine niederschmetternde Bilanz zu konstatieren ist: Die globalen CO2-Emissionen sind von 1990 bis heute um rund 40% angestiegen.

Beschleunigung beim Klimaschutz kostet nicht die Welt

Laut Aktionsprogramm Klimaschutz will die Bundesregierung bis 2020 die Summe von 22 Mio. t CO2 einsparen. Auf dem Papier ist ihr das gelungen, aber, wie selbst der zuständige Minister eingestehen musste, zu einem sehr hohen Preis. Eine diese Woche erschienene Studie zeigt nun auf: Es geht a) wesentlich billiger b) effizienter und c) bei Aufrechterhaltung des jetzigen Standards der Vorsorgungssicherheit. Die beauftragende Ministerin fasst das Ergebnis der Studie, wie Utopia-News berichtet, wie folgt zusammen: „Wir können bis im Jahr 2040 aus der Stromgewinnung mit Kohle aussteigen. Die Stromversorgung in Deutschland ist auch dann gesichert, wenn wir parallel aus der Atomkraft aussteigen. Das geht beides…Damit widersprechen wir der Kohleindustrie und der Bundesregierung, die uns seit Jahren erklärt, dass man den Kohleausstieg nicht gleichzeitig mit dem Atomausstieg beginnen kann.“

izes, Beschleunigung beim Klimaschutz, Energiewende konkret

Nach den Berechnungen der Forscher wird sich – folgt man ihren Empfehlungen – die Kilowattstunde Strom bis 2030 zwischen 0,7 und 2,7 Cent verteuern, ab 2035 sei durch den Umstieg auf moderne Gaskraftwerke dann sogar mit Entlastungen zu rechnen.

Andere Sicht, gleiches Ergebnis: Beschleunigung beim Klimaschutz ist vergleichsweise preiswert zu haben

Die WirtschaftsWoche hat das Berliner Mercator Research Institutes on Global Commons and Climate Change (MCC) mit einer Berechnung beauftragt, wie ein dem Klimaschutz angemessener CO2-Preis die Wirtschaftsleistung in Deutschland beeinflussen würde. MCC-Direktor und IPCC-Mitglied Ottmar Edenhofer hat ermittelt, dass der CO2-Preis auf 90 Euro pro Tonne steigen müsste, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Ein derartiger Preisanstieg für die Zertifikate, eine Steigerung um immerhin 1.200 Prozent, würde die deutsche Wirtschaftsleistung nur marginal beeinflussen, sie würde um ca. zwei Milliarden weniger wachsen. Weniger wachsen – es würde nicht einem Einbruch, sondern nur zu einer Verlangsamung des Wachstums kommen. Edenhofer: „Das sollte uns unsere Zukunft Wert sein.“

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