Es ist eigentlich nur eine Randnotiz, doch sie sagt einiges über die aktuelle Energiepolitik aus: In einem Interview erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier kürzlich, er habe sich daheim im Saarland eine neue Ölheizung einbauen lassen. Angeblich seien andere Lösungen mit erneuerbaren Energien nicht möglich gewesen, so seine Begründung. Nicht nur im Heizungskeller des Ministers kommt die Energiewende damit nicht voran, im gesamten Land sieht es zunehmend düster aus. Das zeigt etwa der jüngste Klimaschutzbericht der Bundesregierung, der das Verfehlen der CO2-Ziele für 2020 dokumentiert.
Ein Grund für die Situation ist eine fehlende Lenkung für Investitionen in saubere Technologien. Wenn schon der Wirtschaftsminister nicht mit gutem Beispiel vorangeht, wer dann? Solche Anreize könnte die Politik setzen, etwa über eine wirksame CO2-Bepreisung. Das Problem: Die aktuelle Bundesregierung hält sich in Sachen Energiepolitik bisher zurück, von dem Gewürge um die Kohlekommissionen einmal abgesehen.
Sonntagsreden statt Handeln
Sicher: In Sonntagsreden wird weiter über das Setzen von Zielen für 2030ff gesprochen. Praktische Auswirkung hat das bisher allerdings nicht. Wir erleben vielmehr wieder eine Energiepolitik wie aus den 80er Jahren: Undifferenzierte Sparideologie gegen jede Form von Energieverbrauch und parallel Steuervergünstigungen und Zuschüsse für analoge und fossile Heizsysteme sowie Brennstoffe.
Und in der Praxis wird der Ausbau der Erneuerbaren gebremst. Ein Beispiel ist das sogenannte 100-Tage-Gesetz, mit dem unter anderem die im Koalitionsvertrag vereinbarten zusätzlichen Mengen an PV- und Windenergie ausgeschrieben werden sollen. Union und SPD streiten seit Beginn der Legislaturperiode über das Vorhaben. Die 100 Tage sind inzwischen längst verstrichen, ohne Ergebnis.
Nachfrage nach Erneuerbaren entfachen
Wir brauchen Freiräume statt Gängelung [...]
Für die Zukunft sind ohnehin andere, einfachere Lösungen gefragt. Statt die Sonnen- und Windenergie wie bisher mittels Subventionen in den Markt zu pressen, müssen wir die Nachfrage aus Wärmepumpen, Elektroautos oder direkten Lieferverträge freisetzen. Dafür müssen Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass Wärme- und Mobilitätanwendungen auf Basis von erneuerbaren Energien eine Chance haben und nicht länger fossile Lösungen bevorzugt werden. Geschieht dies nicht, bleibt die Sektorenkopplung eine leere Worthülse im Koalitionsvertrag.
Wir brauchen keine leeren Debatten um Ziele oder ellenlange Diskussionen darüber, an welchem Tag genau das letzte Kohlekraftwerk vom Netz geht. Wir brauchen Freiräume statt Gängelung mit scheinbar volkswirtschaftlicher Begründung. Die Unternehmen und die Kunden müssen schlicht und einfach die Möglichkeit haben, ihre Ideen für die Energiewende umzusetzen, ohne bürokratische oder regulatorische Knüppel zwischen die Beine zu bekommen.
Smart Meter: Überkomplexität verhindert Ideen
Genau aber das erleben wir etwa beim Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende. Das noch von der alten schwarz-roten Regierung verabschiedete Gesetz war der Versuch, an einem Detail möglichst jede Eventualität zu regeln. Im Ergebnis führte dies zu einer Überkomplexität und einem Wirrwarr an mit der Ausführung befassten Behörden, das viele gute Ideen verhindert.
Der Rollout intelligenter Messsysteme hat immer noch nicht begonnen, weil eine Voraussetzung, die Zertifizierung der sogenannten Smart Meter Gateways, noch nicht abgeschlossen ist. Starttermin ist nun vermutlich 2019. Hier haben sich technologieverliebte Anlagenbauer und Datenschützer ein Wettrüsten geliefert, nicht merkend, dass die technische Entwicklung und das Kundenbedürfnis längst woanders liegen.
Innovationen werden ausgebremst
Bereits jetzt ist eine Diskussionen im Gange, ob die Geräte, wenn sie dann einmal zertifiziert und ausgerollt sein sollten, nicht schon längst wieder veraltet sind. Was ist etwa mit Blockchain-Anwendungen, die zu der Zeit, als das Gesetz beschlossen wurde, noch kein großes Thema in der Branche waren. Nun würden viele Unternehmen hier gerne neue Lösungen testen, etwa in der Peer-to-Peer-Versorgung. In vielen Fällen schiebt der regulatorische Rahmen einen Riegel davor.
Der Mut, Dinge zu ermöglichen und neue Wege zu gehen, fehlt der Bundesregierung. Das einstige Energiewendevorzeigeland droht zu einer grauen Maus zu werden. Mit jeder fossilen Heizung, die in deutschen Kellern installiert wird, stirbt die Energiewende tausendfach, jeden Tag aufs Neue für 30 Jahre.
Gerhard Brouwer
vor 6 JahrenDas Kernbeispiel des Artikel, Altmaiers neue Kellerheizung, ist passend und vielseitig verwendbar. Ob wir aber die Zeit noch haben, Vieles ohne Eingriffe sich selbst zu überlassen statt lenkend einzugreifen? Dass die Ziele verfehlt wurden, ist offensichtlich. Wie bekommen wir Tempo in das Geschehen?